Die Anfang Mai veröffentlichte "vertikale" Gruppenfreistellungsverordnung legt generell für alle Branchen -und nicht nur für den Kfz-Sektor (!)- fest, was unter einer vertikalen Vertriebsbindung zu verstehen ist, also welche "vertikalen" Vertriebsverträge darunterfallen und den freien Warenverkehr innerhalb der EU behindern könnten. Sie legt auch fest, unter welchen Voraussetzungen solche Behinderungen zulässig sind, die bei Berücksichtigung dieser Voraussetzungen nicht unter die EU-weiten wettbewerbsrechtlichen/kartellrechtlichen Beschränkungen fallen. Die Guidelines stellen klar, dass die Wettbewerbsbeschränkungen des Artikels 101 des EU-Vertrages nur für vertikale Vertriebsbindungen zwischen einem Produzenten und einem außenstehenden Handelsunternehmen gelten. Herstellereigene Vertriebsniederlassungen und Vertriebskanäle/IT-Vertriebsplattformen unterliegen daher keinen Beschränkungen.
Ausdrücklich klargestellt wurde, dass Handelsagenten wie herstellereigene Vertriebsniederlassungen zu beurteilen sind. Also als Unternehmen, welche den Vertrieb der Vertragsware auf Kosten und auf das ausschließliche Risiko des Herstellers abwickeln. Gleichgültig, ob sie ihre Verkäufe dabei im eigenen Namen oder im Namen ihres "Prinzipals" abschließen. Weiters wurde klargestellt, welche vertikalen Vertriebsregelungen von Haus aus nicht geeignet sind, den zwischenstaatlichen EU-Handel im relevanten Ausmaß zu beeinträchtigen. Das gilt für alle Hersteller, deren Marktanteil in einem bestimmten Marktsegment eine Marke von 5 Prozent nicht übersteigt und deren EU-weiter Umsatz mit diesen Produkten 40 Millionen Euro nicht übertrifft.
Weiterhin gilt die schon 2014 veröffentlichte "De Minimis"-Regelung. Unter bestimmten Einschränkungen können für bestimmte Produkte vertikale Vertriebsbindungen zulässig sein, obwohl der gemeinsame Marktanteil von Hersteller und Händler über 5, aber noch unter 15 Prozent liegt. Verboten sind all jene Vertragsklauseln und Beschränkungen, die aus der Sicht des fairen Wettbewerbs nicht erforderlich sind. Vor allem, wenn der angestrebte - wettbewerbsrechtlich zulässige Effekt - auch mit fairen Maßnahmen erzielbar wäre. Ganz in dem Sinne, wie in Österreich der Oberste Gerichtshof die Peugeot- Wettbewerbsbeschränkungen beurteilt hat.
Vorerst keine Auswirkung auf Werkstätten
Keine Probleme sieht die Kommission im dualen Vertriebssystem. Der Hersteller kann seine Produkte sowohl selbst im "direct-sale" als auchüber Konkurrenten seiner eigenen Vertriebspartner vermarkten. Er muss diesen nur jene (oder bessere) Konditionen einräumen, die er auch diesen außenstehenden Dritten gewährt. Faktisch wird damit das bisherige qualitativ-selektive Vertriebssystem zu Grabe getragen, sofern die Hersteller den Händlern nicht die Kosten für diese qualitativen Standards ersetzen. Für Kfz-Werkstätten und den Ersatzteilvertrieb gelten bis 30. Mai 2023 weiterhin deren sektorspezifischen Regelungen.
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