"Endlich wieder Branchenevent" lautete offenbar das inoffizielle Motto des Kongresses für Kfz-Service, Reifen sowie Lack & Karosserie. Mit Eröffnung des VIP-Bereichs des Wiener Allianz-Stadion begannen die intensiven und begeisterten Gespräche zwischen Kfz-Unternehmern, Branchenvertretern, Ausstellern und Referenten und endeten erste weit nach dem Ende des letzten Vortrages. Es war längst an der Zeit, sich wieder auszutauschen, das A&W WERKSTATT-FORUM bot die optimale Plattform.

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A&W-Geschäftsführer Stefan Binder meinte in der Begrüßung, dass die Bereiche Reifen, Lack und Karosserie sowie die mechanische Werkstätte schon immer breiten Raum in der Berichterstattung in den Magazinen im Verlag eingenommen hätten: „Das war immer Teil unserer DNA, und die Werkstätten sind das wirtschaftliche Rückgrat für viele Betriebe.“ Die Veranstaltung sei wichtig, um frische Impulse in der Branche zu setzen, aber auch um Kontakte zu pflegen.

Prok. Gerald Weiss, Redaktioneller Verlagsleiter B2B im A&W Verlag, der für umfassende Programm verantwortlich war, zeigte sich erleichtert, „dass der Zug endlich unterwegs“ sei: Denn das Corona-Virus hatte die – bereits fertig geplante – Veranstaltung in den beiden vergangenen Jahren zweimal verhindert. Das Konzept sei es, alle Teilbereiche der Werkstattbranche bei einer großen Veranstaltung zusammenzuführen.

Die Besucher konnten nicht nur die Vorträge und Podiumsdiskussionen verfolgen, sondern auch die Stände der rund zwei Dutzend Aussteller in den beiden direkt nebenan gelegenen Foren besuchen.

Programm Vormittag

Moderiert wurde die Veranstaltung von Christian Clerici, der als ersten Redner Bert-Carsten Lembens, Leiter Sales Services Continental Aftermarket begrüßte. Wie Lembens in seinem Vortrag betonte, böte die E-Mobilität Chancen für die Werkstätten: „Reifen, Fahrwerk und Bremsen werden ein Thema sein, gerade auch das hohe Gewicht von E-Autos spielt eine Rolle, Belastungen für Fahrwerk, Reifen und Bremsen kombiniert mit hohem Drehmoment bringen uns ein Geschäft.“

Mit dem Thema „Service nach Herstellervorgaben“ beschäftige sich Janos Juvan, Geschäftsführer der OE Service GmbH: Bei Services nach Herstellervorgaben ginge es um jedes Detail. Werde das nicht befolgt, könne das im Garantiefall zum echten Problem werden, so Juvan.

„Wir brauchen aber vor allem die Stammkunden, die willens und in der Lage sind, unsere Stundensätze ohne Nachlass zu bezahlen, davon leben wir, diese werden aber oft vernachlässigt“, weshalb gerade diesen mit digitalen Angeboten besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte, betonte Georg Hensch, GF 1A! Digital GmbH in seinem Referat.

Bei der ersten von drei Podiumsdiskussionen ging es um das Thema Weiterbildung bzw. Fachkräftemangel: „Wir leben vom Nachwuchs, und daher haben wir gemeinsam mit dem Wifi eine Lehrlingsakademie entwickelt“, sagte Rudolf Weismann („Lack & Technik“). Diese beinhaltet 2 Module mit jeweils 2 Tagen, die „bei uns im Haus und beim Wifi“ abgehalten werden. Dominik Denk (Car-Rep Profiteam) meinte, dass die Betriebe darauf achten sollten, gut ausgebildete Mitarbeiter im Betrieb zu haben, die sich zum Beispiel um Parkschäden oder kleine Dellen kümmern könnten. Denn derartige Reparaturen seien sehr gute Ertragsbringer. Elmar Schmarl, Landesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik in Tirol, sagte, dass es für die Weiterbildung der Lehrlinge – etwa bei der Reparatur von Hagelschäden oder Parkschäden – unerlässlich sei, die Chefs der Betriebe persönlich anzusprechen. Die Tiroler Innung will auch verstärkt auf Social Media setzen, um potentielle neue Lehrlinge gezielt anzusprechen.

Mag. Walter Birner, Obmann des Verbands der freien Kfz-Teilehändler Österreichs (VFT), empfahl in seinem Referat den Werkstätten, das Geschäft mit Daten aktiv in die Hand zu nehmen. Zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen bekräftigte Birner die Position des VFT: „Wir wollen als Freie dieselben Daten aus den Fahrzeugen bekommen wie die Hersteller, und auch zum selben Zeitpunkt.“

Der Schweizer Werkstattausrüster BluTech AG präsentierte als Hauptsponsor des Werkstattforums das von dem Unternehmen vertriebene Nitrotherm-Gerät, welches Lackieren mit Stickstoff ermöglicht. „Die kleinen Stickstoffmoleküle fließen schneller und verursachen keine Wirbel, was Overspray um 60 bis 70% verhindere“ , so Roger Blum, Chef von BlueTech. Bei der Materialeinsparung garantiere er, Blum, „mindestens 20%. Es sind mehr, aber für 20% lege ich meine Hand ins Feuer.“

Das Kalibrieren werde künftig immer stärker an Bedeutung gewinnen, erklärt DI (FH) Helge Kiebach, Geschäftsführer KTI GmbH & Co KG (Kraftfahrzeugtechnisches Institut): „Fahrzeuge mit diesen Systemen werden stark zunehmen.“. Beim fachgerechten Kalibrieren sei es sehr wichtig, nach tagesaktuellen OEM-Vorgaben zu arbeiten. Wichtig sei auch die Dokumentation dieser Reparaturvorgaben: „Wir empfehlen unbedingt, diese Vorgaben zu archivieren und zu dokumentieren.“ Drei Faktoren seien für eine fachgerechte Kalibrierung ausschlaggebend: „Das sind qualifiziertes Personal, eine effiziente Nutzung der Informationsquellen und die geeigneten Geräte.“ 

Das Thema „Was erwarten Fuhrparks und Leasingunternehmen?“ diskutierten auf der Bühne Michael Närr/FVA mit DI (FH) Kurt Mühlbacher, MBA/Leaseplan und Rudolf Luxbacher/Axalta Refinish Systems. „Gerade in der Corona-Zeit haben wir gesehen, dass viele Kunden auf Mobilität angewiesen sind, da stand die Mobilitätserhaltung natürlich klar im Vordergrund“, sagt Kurt Mühlbacher von Leaseplan. „In den letzten Wochen waren mehr als 35 Prozent der Neubestellungen Plug-in-Hybride oder vollelektrische Fahrzeuge. Dieser Trend geht stetig nach oben, entsprechend sind auch die Anforderungen an unsere Werkstattpartner gestiegen.“ Für Mühlbacher ist das Autogeschäft nicht mehr so einfach wie in den letzten Jahrzehnten: „Wir müssen mit der Zeit mitwachsen. Gab es früher nur den Diesel oder den Benziner, eventuell noch den Schwachen oder Starken, gibt es jetzt ein viel bunteres Portfolio.“ Für Mühlbacher gibt es aber auch weiterhin keine Universallösung, aber „jede der Formen wird inklusive der E-Mobilität ein fixer Bestandteil des Portfolios sein.“ „Um Flotten optimal bedienen zu können, geht es vor allem um den Service-Level“, erklärte Rudolf Luxbacher die Kriterien bei der Suche nach neuen Partnerbetrieben. 80 Prozent der Bewertungskriterien sind Qualitätskriterien. „Das ist die Geschwindigkeit bei der Terminbuchung, die Reklamationsaquise, aber auch wie der Partner mit der Digitalisierung umgeht.“ Für Michael Närr ist der reine Dienstleistungspreis im Aftermarket nicht unbedingt entscheidend. „Es geht sicher nicht um ein, zwei Prozent im Einkauf. Es geht um die Wichtigkeit, mobil zu bleiben.“ Wichtiger für Fuhrparkbetreiber seien eher Betriebe, bei denen man zum Beispiel schnell einmal einen Termin eingeschoben bekommt. „Das sind eher die wichtigen Dinge im Fuhrpark.“

Programm Nachmittag

Das A&W Werkstattforum nahm der Verband der Reifenspezialisten Österreichs (VRÖ) zum Anlass, das Allianz-Stadion als Plattform für seine VRÖ-Awards zu nutzen. Die Verbandsvorstände Peter Wondraschek (GF Reifen Wondraschek GmbH) und Hermann Hladky (GF Johann Leo Kreisel GmbH) überreichten in zwei Kategorien je drei Preise für die besten Reifen-Lieferanten, die auch in schwierigen Zeiten mit Liefertreue, hoher Qualität und guter Zusammenarbeit punkten konnten. In der Kategorie Pkw übernahm für Bridgestone Mag. Martin Krauss, Country Manager Österreich von Bridgestone Europe, die Trophäe für Platz 1. Platz 2 ging an Falken, es übernahm Günther Riepl, Senior Sales Director Central Europe Falken, Platz 3 an Michelin mit Mag. Roland Steinberger, GF Michelin Österreich. Es folgte die Lkw-Kategorie mit Platz 1 für Goodyear. In seiner Funktion als Sales General Manager und Geschäftsführer bei Goodyear Dunlop Tires Austria durfte Mag. Tassilo Rodlauer auch den 3. Platz für Dunlop entgegennehmen. Platz 2 bei den Lkw-Reifen ging an Continental, den Award bekam Mag. Christoph Bonner, Sales Manager, Continental Reifen Austria GmbH überreicht.

Dass auch der Servicebetrieb durch die revolutionäre Umwälzung der Mobilität vor tiefgreifenden Änderungen steht, betonte Prof. Stefan Bratzel vom Center for Automotive Management (CAM). „Es braucht neue Kompetenzen, neue Kooperationen und neue Unternehmenskulturen“, fasste der Mobilitätsexperte seine Thesen zusammen.

Um im Zuge der von der Politik vorgegebenen „Vision Zero“ die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren, braucht es unter anderem mehr Assistenzsysteme im Fahrzeug. Die Kfz-Werkstätten müssten sich auf diese Situation einstellen und ihre digitale Kompetenz erhöhen, erklärte Stefan Höslinger, Geschäftsführer !Hepp Unternehmensimpulse. In diesem Zusammenhang würden die Reparaturverfahren komplexer, für deren Bewältigung brauche es moderne Arbeitsplätze und gut ausgebildete Mitarbeiter.

Das durchschnittliche Wachstum der Reifendimensionen werde die Branche künftig vor Herausforderungen stellen, meinte Michael Peschek-Tomasi, GF point-S – Reifen Partner GmbH. „Wenn man sich das heute ansieht, haben wir eine Artikelvielfaltsexplosion“, so Peschek-Tomasi. Diese Entwicklung führe auch dazu, dass die Preise beispielsweise für ein Reifendepot angehoben werden müssten: „Sie müssen das Schritt für Schritt machen, diese Entwicklung. Und Sie müssen sich heute damit beschäftigen, damit Sie 2026 nicht übergeblieben sind.“ Daher werde es in Zukunft wichtig sein, über Werte zu verkaufen: „Wenn Sie nur über den Preis verkaufen wollen, werden Sie immer jemanden finden, der billiger ist und eine USP werden Sie selbst nie besetzen.“

Das Zusammenspiel zwischen Kfz-Werkstätten, Sachverständigen und Versicherungen im Schadensfall funktioniere mit Ausnahme ganz weniger Fälle reibungslos, war der Tenor einer Podiumsdiskussion zum Thema Schadensabwicklung mit dem Sachverständigen Ing. Martin Freitag, Rechtsanwalt Mag. Ewald Hannes Grabner, Stefan Höslinger und Reinhart Clark, Geschäftsführer Clark’s Karosseriedienst. Grabner gab allerdings zu bedenken, dass Werkstättenbetreiber sehr oft über ihre Rechte nicht genau Bescheid wüssten. Falls es im Rahmen einer Schadensbesichtigung zu keiner Lösung komme, rät er zur Erstellung eines Gutachtens durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen.

Nach den Vorträgen erfolgte ein gemütlicher Ausklang im A&W-Forum, wo bereits über den nächsten Termin gesprochen wurde (der bereits in Planung ist).

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