Waren Sie in letzter Zeit einmal bei McDonalds? Mittlerweile bestellt man dort auf einemüberdimensionalen Touchscreen im Eingangsbereich das Menü und setzt sich (mit Nummer und Transponder) an einen Tisch. Dorthin wird die Bestellung von einem Mitarbeiter (derzeit mit Maske noch etwas unpersönlicher) gebracht. Die Kommunikation reduziert sich auf "Bitte" und "Danke". Konzerne und Ketten werden mit diesen Entwicklungen unabhängiger von Mitarbeitern, von deren Qualifizierung, von deren Höflichkeit, von deren Laune. Denn Prozesse lassen sich leichter vereinheitlichen als Menschen.
Das macht es für Konzerne und Ketten einfacher, ihre Geschäftsmodelle zu skalieren und in der Fläche auszudehnen. Das gilt natürlich auch für Autohersteller (sowie viele Anbieter rund ums Auto), die möglichst einheitliches
Auftreten vor und möglichst vorgegebene Abwicklung mit dem Kunden realisieren möchten.
Beispiele aus der Autobranche gefällig? Der Autokäufer wählt und konfiguriert sein Auto online, lediglich die Abholung (in einem klaren, vorgefertigten Prozess) erfolgt im Autohaus, das für den Kunden nicht mehr ist als ein Outlet der Marke. Oder der Kunde bestellt den Reifen (exakt passend zum Automodell) online und definiert einen Termin beim "Montagepartner". Oder der Autofahrer meldet den Unfall oder Schadenüber die App, die über die Fotos auch gleich den Umfang feststellt. Das Auto wird abgeholt, in (irgend)eine Werkstätte gebracht und dem Kunden wieder zugestellt. Die Zukunft ist teilweise bereits Realität.
Digitalisierung brauchen auch die Kleinen
Wir sehen: Die Digitalisierung hilft den Konzernen, den Großen immens. Dennoch wäre es falsch, die Digitalisierung zu verdammen und sich dagegen zu stellen. Die eben zitierten Abwicklungen werden so oder so ähnlich kommen, es geht nur darum, wie sich der Betrieb dabei (bzw. dazwischen) positioniert. In familiär geführten Betrieben, wo der persönlicheKontakt der stärkste Vorteil ist, sind die Digitalisierung und die digitale Abwicklung auch eine Möglichkeit, im Hintergrund, in der Abwicklung, in der ersten Schnittstelle mit dem Kunden noch effizienter zu sein. Damit kann danach noch mehr Zeit für den persönlichen Kontakt verwendet werden. Der Mensch, die Persönlichkeit und das Unternehmen müssen sich im direkten Kundenkontakt, der noch verbleibt, bestmöglich präsentieren und den Mehrwert greifbar machen.
Mensch im Fokus
Beim Autohandel kann das etwa die Zusatzleistung sein: Von der individuellen Beratung und Abwicklung im Bereich Finanzierung oder Versicherung, beim Zubehör, mit Ladelösungen, mit alternativen Nutzungsmodellen wie Abo oder Sharing, die über den Autohändler und nicht -wie bei vielen neuen Modellen -daran vorbeilaufen. Für den After-Sales-Bereich, vor allem Lack-und Karosserie sowie Reifen, sind Netzwerke unerlässlich. Einerseits, um gemeinsam eine moderne App anzubieten, vielmehr aber, um die Aufträge zu erhalten, die über Flottenbetreiber, Leasing-und Abo-Anbieter, die sogenannten Großauftraggeber, kommen. Auch der Reifenmontage-Partner kann dem Kunden den Mehrwert in der Betreuung und mit dem Depot ermöglichen, um bevorzugter Partner zu werden.
Vielfältige Herausforderungen
Die Gefahren, die sich durch die aktuellen Entwicklungen für die etablierten heimischen Familienbetriebe auftun, sind vielfältig, ebenso sind viele Chancen intakt. In einer Tabelle haben wir versucht, die wichtigsten Entwicklungen aufzulisten. Wie vorhin bereits thematisiert, muss nun der Kfz-Betrieb noch stärker darauf achten, sich als Marke mit persönlichem Charakter beim Kunden zu positionieren und den Menschen, sowohl Mitarbeiter als auch Kunden, in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Herausforderungen gehen freilich weitüber die Digitalisierung hinaus. So werden die nächsten Jahre deutlich mehr Veränderungen bringen als die vergangenen Jahrzehnte. Das beginnt bei der Fahrzeugtechnik: Die Elektrifizierung (sowohl mit Hybrid-als auch mit rein elektrischen Modellen) wird in den kommenden Jahren stark an Dynamik gewinnen. Hier müssen sich alle Betriebe fit machen.
Die größten Veränderungen wird es in den mechanischen Werkstätten geben: Durch die Elektromobilität wird der wichtige Ertrag durch das Motoröl zurückgehen. Dazu kommen Over-the-Air-Updates, wodurch die Aufenthalte in (Marken-)Werkstätten reduziert werden. Vielmehr müssen antriebsneutrale Tätigkeiten bei Klimaanlage, Reifen, Glas, Karosserie und Lack, aber auch in der Fahrzeugpflege forciert werden. Die Reifenspezialisten und die Karosseriefachbetriebe stehen hier natürlich in der Pole-Position: Antriebsneutral und regional, wird esdiese Profis weiterhin vor Ort brauchen.
After Sales bleibt regional Während das Internet beim Handel eine weiterhin zunehmende Gefahr bedeutet und die "Großen" hier bessere Voraussetzungen besitzen, wird After Sales ein regionales Geschäft bleiben. Solange die Fahrzeuge nicht selbst(fahrend) in anonymen Servicegaragen verschwinden, werden wesentliche Arbeiten weiterhin im regionalen Kfz-Betrieb erfolgen. Der Autofahrer wird die Werkstätte seines Vertrauens besuchen, sofern er das darf. Die Frage wird nämlich immer öfter sein, wo und zu welchem Preis die Fahrzeuge nach Vorgabe des eigentlichen Fahrzeugbesitzers bzw. Großauftraggebers betreut werden dürfen. Gemeint sind Flotten und Fuhrparks, Versicherungen, Leasinggesellschaften sowie Anbieter neuer Nutzungsmodelle wie Carsharing und Auto-Abo. Egal ob Reifen, Scheibe oder Schaden: Ohne Netzwerk kann ein großer Teil der Kunden nicht mehr betreut werden.
Entscheidend sind in allen erwähnten Bereichen Partnerschaften, Netzwerke und Kooperationen, die den Betrieb stärker und zukunftsfitter machen. Das reicht von Marketing-, Kundenbindungs-und Digitalisierungslösungen inklusive Apps über Logistik und Einkauf sowie Netzwerk-Abwicklungen und -Abrechungen mit Großauftraggebern bis hin zu Know-how und Ausbildung. Alleine wird es schwierig werden. 30