Die Kriegshandlungen Russlands in der Ukraine haben drastische Auswirkungen auf die Automobilindustrie. Schon in der Vorwoche hat der Autozulieferer Leoni seine beiden Werke in Stryji und Kolomyja in der Ukraine geschlossen. Rund 7.000 Mitarbeiter haben in den west-ukrainischen Leoni-Fabriken Bordnetzsysteme für Autos hergestellt. Ebenso wie andere internationale Zulieferer mit Standorten in der Ukraine, darunter Nexans, Yazaki, Sumitomo, Aptiv, oder Kromberg & Schubert. Jetzt fehlen den Herstellern sehr kundenspezifische Teile, die nicht aus Lagerbeständen oder anderen Fabriken ersetzt werden können.
Angesichts dieser Situation könnten die Neuzulassungen heuer noch geringer ausfallen als im Jahr 2021 (240.000 Einheiten), befürchtet Günther Kerle, Sprecher des Arbeitskreises der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung. „Wenn ich mir die Situation eine Woche nach Kriegsbeginn anschaue, dann befürchte ich, dass sich die Situation noch weiter verschlechtern wird“, erklärt Kerle: „Die Kabelbäume, die nun nicht mehr aus der Ukraine kommen, kann man nicht von heute auf morgen wo anders machen lassen.“ Das treffe vor allem die europäischen Marken, sagt Kerle: „Ein Auto kann man ja eventuell noch ohne Halbleiter bauen und diese später nachrüsten, doch ohne Kabelbäume geht gar nichts.“
Bänder in Zwickau und Dresden stehen still
Wegen fehlender Kabelbäume hat VW in Zwickau und Dresden bereits die Produktion eingestellt. Durch die sich verschärfenden Lieferengpässe droht dieses Szenario auch in Wolfsburg und Hannover. "Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges hat der Vorstand des Konzerns einen Krisenstab eingerichtet, der fortlaufend die möglichen Auswirkungen des Krieges auf das Unternehmen ermittelt", heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Auch in einigen Audi- und Porsche-Werken wird bzw. wurde die Produktion zumindest teilweise eingestellt. Auch Skoda musste die Produktion stoppen, da man mit einem kritischen Mangel an Teilelieferungen mehrerer Zulieferer in der Ukraine kämpfe, teilte das Unternehmen mit.
Steyr Automotive und BMW unterbrechen Produktion
Auch Steyr Automotive und BMW sind von den Lieferengpässen aufgrund des Kriegs in der Ukraine betroffen. Wie das ORF Radio Oberösterreich am Mittwoch berichtete, stellte Steyr Automotive am Donnerstag die gesamte Produktion vorübergehend ein. Hintergrund seien auch hier Lieferschwierigkeiten bei Kabelbäumen aus der Ukraine, bestätigte eine Unternehmenssprecherin der Austria Presse Agentur. Kommenden Mittwoch soll die Produktion wieder aufgenommen werden, man müsse aber auf Sicht fahren.
Bereits zuvor wurde bekannt, dass auch das BMW-Werk in Steyr vorübergehend die Produktion stoppt. Man rechne bei BMW damit, dass die Produktion am Freitag zum Stillstand kommt. Auch in den Werken in München und Dingolfing sowie in den Mini-Werken in Oxford und den Niederlanden solle die Produktion kommende Woche zum Erliegen kommen. In Leipzig entfalle eine der beiden Schichten und auch in Regensburg werde nur im Ein-Schicht-Betrieb produziert, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Vorerst würden die Stopps und Einschränkungen für eine Woche gelten, wie es danach weitergehe, sei aber noch offen.
Mercedes stoppt Produktion in Russland
Wie die Mercedes-Benz AG am Mittwoch mitteilte, werden sowohl der Export von Personenwagen und Vans nach Russland als auch die lokale Fertigung im Werk in der Nähe von Moskau eingestellt. Laut Medienberichten lässt auch der Lkw-Hersteller Daimler Trucks seine Geschäftsaktivitäten in Russland vorerst ruhen.
Mutmaßlicher Hackerangriff legt Produktion bei Toyota still
Toyota musste bereits am Montag die Produktion in insgesamt 14 Fabriken in Japan stoppen. Grund dafür soll ein mutmaßlicher Cyberangriff auf einen Zulieferer sein. Ob dieser in Verbindung mit den Sanktionen Japans gegen Russland in Verbindung steht, ist unklar. Normalerweise fertigt der Konzern in Japan rund 13.000 Fahrzeuge pro Tag.
Außerdem hat Toyota die Produktion in St. Petersburg unterbrochen. Grund seien hier Lieferengpässe. Im Werk in St. Petersburg werden die Modelle RAV4 und Camry vorwiegend für den russischen Markt produziert, die Fertigungskapazität liege bei etwa 100.000 Fahrzeugen pro Jahr. Verkaufsgeschäfte und Produktion im Rest Europas seien davon aber nicht betroffen.