A&W: Wie ist die aktuelle Lage bei der Auslastung im Werk Graz, vor allem was die Kurzarbeit wegen der Halbleiterkrise betrifft?
Günther Apfalter: Wir haben die Arbeit wie bei allen anderen Herstellern derzeit in der Gesamtfahrzeugfertigung an die aktuelle Situation angepasst, gewisse Bereiche laufen in einem 1-Schicht-Betrieb. Wir fahren hier auf Sicht, wenn Sie so wollen. Bilanz ziehen wir am Jahresende, und über das Volumen geben - wie immer -unsere Kunden Bescheid.

Sie haben in der Steiermark vor einigen Jahren viele neue Mitarbeiter aufgebaut, als neue Kunden wie etwa Jaguar in Graz gestartet sind: Suchen Sie jetzt auch noch?
Apfalter: Wir haben eine sehr starke stabile Mitarbeiterschaft und nur eine kleine Fluktuation. Es gibt ein hohes Commitment der Belegschaft. Die Suche nach Mitarbeitern ist in allen Ebenen kein brennendes Thema, wobei sicher Spezialisten wie Software- Ingenieure weiterhin gesucht werden.

Auf der IAA in München zeigte Mercedes im September eine elektrisch angetriebene Version der G-Klasse: Können Sie schon sagen, ab wann dieses Auto gebaut wird?
Apfalter: Ja, dieses Auto hat Daimler gezeigt. Ein interessantes Projekt, mehr kann ich nicht dazu sagen. Den Rest der Kommunikationübernimmt der Hersteller.

Aber wenn das Auto gebaut wird, dann wohl in Graz -wo sonst?
Apfalter: Wir sind in die Entwicklung involviert, aber die Entscheidung fällt Daimler: Ein Auftrag ist immer erst dann abgewickelt, wenn das letzte Auto gebaut und bezahlt wurde. Wir werden dieses Thema natürlich weiter intensiv verfolgen.

Vor einigen Monaten hat Magna bekannt gegeben, dass der Fisker Ocean in Graz gebaut wird: Wann geht es los mit der Produktion?
Apfalter: Der Serienanlauf ist für November 2022 geplant. Wir sind hier Entwicklungspartner und dürfen das Auto nun auch produzieren -mit einem hohen Anteil von anderen Magna-Komponenten. Das ist ein New Entrant, in den wir Vertrauen setzen.

Das heißt, es gäbe noch andere potenzielle Autohersteller, bei denen Sie eher vorsichtig sind und eine Fertigung ablehnen?
Apfalter: Es gibt zahlreiche neue Marktteilnehmer: Aber man muss aufpassen, denn deren Business Case muss funktionieren, sonst ist es bald wieder vorbei. Das darf kein Strohfeuer sein. Es müssen beide ein gutes Gefühl haben.

Ist überhaupt genug Markt für viele neue Hersteller da?
Apfalter: Der Markt hat 100 Prozent. Wenn neue Marktteilnehmer kommen, müssen sich die Marktanteile in den Segmenten verschieben oder sie müssen ihren Marktanteil erobern. Das wird manchmal von den New Entrants unterschätzt.

Wie darf man sich das konkret vorstellen: Es gibt bei Ihnen als Auftragsfertiger immer wieder neue Autohersteller, die ihre Fahrzeuge bei Magna bauen wollen?
Apfalter: Bei uns klopfen viele an die Tür. Es werden viele Gespräche geführt mit potenziellen neuen Autoherstellern, aber auch mit traditionellen OEMs; in Europa ebenso wie in Asien oder in Nordamerika. Gerade bei neuen Markteinsteigern muss die Geschäftsidee geprüft werden, da hinter einem Auftrag natürlich auch Investitionen vonunserer Seite zu tätigen sind. Diese Investments müssen sich wieder bezahlt machen.

A propos traditionelle Hersteller: Wie läuft es bei BMW, wo Sie den 5er und den Z4 bauen, und bei Mercedes, wo Sie die G-Klasse fertigen?
Apfalter: Wir sind immer wieder in Abstimmung für mögliche neue Projekte, sowohl was die Entwicklung betrifft als auch die Gesamtfahrzeugproduktion. Wenn es um die Laufzeiten für Projekte geht, tritt unsere Vertriebsabteilung in Kontakt, um neue Aufträge zu generieren.

Wie viele Menschen sind bei Magna in Österreich in der Entwicklung beschäftigt?
Apfalter: In der Gesamtfahrzeugentwicklung in Graz sind es rund 1.400 Leute, bei Magna Steyr weltweit 4.000. Wir arbeiten für traditionelle Kunden, aber auch für neue -in Indien, China und Marokko, wo in einem Joint Venture in Casablanca mit Altran mittlerweile 600 Ingenieure angestellt sind.

Auf der IAA hat Magna das Etelligent Reach-Antriebssystem vorgestellt: Können Sie schon sagen, wo dieser neue Antriebsstrang eingesetzt wird, der eine verlängerte Reichweite bis zu 145 Kilometern bietet?
Apfalter: Es geht in naher Zukunft in Serie: Bei welchem Kunden das sein wird, können wir noch nicht sagen.

Wie bewerten Sie generell die Situation von Magna in Europa, also nicht nur in Österreich?
Apfalter: Grundsätzlich sehe ich unsere Situation als stabil. Sie wissen, dass der Neuwagenmarkt im Vorjahr um 19 Prozent eingebrochen ist, heuer hat er sich um 12 Prozent erholt: Bis wir diesen Gap von 7 bis 8 Prozent aufholen, wird es noch dauern. Denn das Halbleiter-Problem kostet einige 100.000 Autos. Doch dieNachfrage ist Gott sei Dank sehr hoch, und zwar vom kleinsten Modell bis zur G-Klasse -auch weil die Pandemie nun großteils überwunden scheint.

Wie geht es dem Werk in Slowenien?
Apfalter: Das Werk war aufgrund der Pandemie eineinhalb Jahre heruntergefahren und wird nun auf einen 1-Schicht-Betrieb vorbereitet, der im 1. Quartal startet. Dort werden Fahrzeuge lackiert, die dann in Graz endgefertigt werden. Nun ist unsere Vertriebsabteilung gefordert, die Kapazität des Werksverbunds Graz/Slowenien zu füllen.

Ihr ehemaliger Chef Frank Stronach hat vor wenigen Wochen ein Kleinwagenprojekt in der Steiermark vorgestellt. Was sagen Sie dazu?
Apfalter: Ich wünsche Frank viel Glück und Gesundheit. Er ist voller Tatendrang und ich bewundere ihn, denn er ist ja doch schon 89 Jahre alt. Doch wir bei Magna haben weder mit der Entwicklung noch mit dem Bau dieses Fahrzeugs etwas zu tun.

Wo sind die Stärken von Magna, sind neue Geschäftsfelder geplant?
Apfalter: Wir haben uns natürlich mit der New Mobility intensiv beschäftigt und sind dabei, neue Konzepte zu analysieren - also welche Technologie tragfähig ist und ob sie für Magna geeignet ist.

Wie bewerten Sie den Hype um die Elektromobilität?
Apfalter:
Man muss die Elektromobilität mit Augenmaß betreiben. Besser wäre ein Mix aus Elektromobilität, Hybrid und Verbrennungsmotoren, die entweder mit herkömmlichen oder synthetischen Treibstoffen betrieben werden können.

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