Dass es bis auf Amazon, Klopapier-und Maskenhersteller kaum Gewinner in der Krise gibt, ist bekannt. Dennoch sind die Unterschiede zwischen den Branchen gewaltig, man denke nur an den Messe-und Eventbereich. Die Reifenbranche, so die Analyse, ist mit einem blauen Auge durch das Krisenjahr 2020 gekommen. "Hätten wir im August das Endergebnis von Minus 12 Prozent gewusst, wären wir zufrieden gewesen", erinnert sich Michael Peschek-Tomasi von point-S. Ein starker Herbst hat noch Hoffnung auf die schwarze Null gemacht, die vom November zunichte gemacht wurden.
Doch wie wird es heuer weitergehen? Grundsätzlich ist ja davon auszugehen, dass Ersatz benötigt wird. Und hier liegt das (Volumens-)Problem: Die km-Leistung ist zurückgegangen: weniger Kilometer, weniger Abrieb, weniger Reifengeschäft. Dabei hat sich die Fahrleistung sehr unterschiedlich entwickelt. Bei den Firmen-Pkws ist der Rückgang kräftig ausgefallen: Außendienstmitarbeiter, Manager und andere Firmenwagennutzer sind viel im Homeoffice und wenig beim Kunden und im Büro gewesen. Hier sind die Rückgänge teilweise eklatant.
Anders im Bereich jener Arbeitskräfte, die physisch an ihrem Arbeitsplatz anwesend sein mussten: vor allem Arbeiter in der Industrie, im Gewerbe und der Logistik, aber auch Angestellte im Handel. Hier wurde aus Virusgründen weniger mit den Öffis, dafür deutlich mehr mit dem Auto gefahren. Allerdings handelt es sich hier einkommensbedingt eher um ältere Fahrzeuge. Dementsprechend war und stellt sich die Auswahl der Reifenmarken dar: kleinere Dimensionen, günstigere Produkte.
Das Frühjahr wird noch bescheiden
Hier handelt es sich um eine Entwicklung, die sich 2021 fortsetzen wird. Dazu kommen einige, die den Winterreifen gleich über den Sommer durchfahren. Es könnte durchaus sein, dass das blaue Auge im Frühjahr noch etwas dunkler wird. Der Aufholeffekt sollte (wieder) im Winter kommen, wenn der Sommer den weitergenutzten M+S-Pneu unter 4 mm reduziert hat. Entscheidend ist in jedem Fall, dem Kunden das richtige Angebot für seine Situation zu erstellen. Das kann und muss – zwischendurch – ein gutes Budget-Produkt sein, und es wird – immer öfter – ein Ganzjahresreifensein. Ideologische Ablehnungen sind fehl am Platz: Der Kunde kann sich nichts anderes leisten und wird woanders kaufen, wenn er bei seinem Händler nicht das Gewünschte bekommt. Selbstverständlich ist Beratung und Marktkenntnis entscheidend, um dem Kunden das richtige Produkt anzubieten.
Dabei stellt sich natürlich die Frage: Was ist heuer das richtige Produkt, wie entwickeln sich Verfügbarkeit und Preise? Dass Containertransporte aus Asien momentan dreimal so teuer sind wie vor Corona, weil der globale Warenverkehr, vor allem mit den USA, nicht funktioniert, wird Auswirkungen haben.
Loyalität ist gestiegen
Kommen wir zu den guten Nachrichten: Die Loyalität zu den heimischen Betrieben, der regionale Kauf, ist gestiegen. Gute Kundenbetreuung zahlt sich aus und bringt Kunden in den Betrieb. Gleichzeitig sind Online-Direktkäufer weniger geworden, auch mangels attraktiven Angebots. Diese Entwicklung setzt sich auch B2B beim Großhandel fort, wo sich die heimischen, eher regionalen Anbieter erholen und gut positionieren konnten.
Auf diese Partner sollte man heuer und auch in Zukunft setzen. Egal ob kleinerer Reifenspezialist, Autohaus oder Werkstätte: Der regionale Reifengroßhändler ist nicht der Mitbewerber, vielmehr kann er mithelfen, das eigene Reifengeschäft am Laufen zu halten.
Kundenseitig wird es, wie erwähnt, auch wieder besser werden. Generell wächst der Fahrzeugbestand weiter, der noch zurückhaltende Neuwagenverkauf wird rechtzeitig wieder neuen Reifenbedarf bringen. Corona hat der individuellen Mobilität ein Revival ermöglicht, das dem gesamten Wirtschaftszweig helfen wird. "Generell bin ich überzeugt, dass Mobilität derzeit neu definiert wird, aber der Wunsch nach Freiheit, von einem Ort zum anderen zu fahren, dabei Interessantes zu erleben oder einfach nur Spaß zu haben, ist uns in die Wiege gelegt", bringt es Mag. Tassilo Rodlauer von Goodyear auf den Punkt.
Selbst wenn die aus Benzinbrüdern bestehende Autobranche dem Elektroauto noch skeptisch gegenüber steht, wird der nun folgende Boom dabei helfen, das Auto etwas aus der Klima-Schusslinie zu nehmen. Reifen brauchen die elektrifizierten Modelle allemal, mit ihrem deutlich höheren Drehmoment und dem Spaß an der Beschleunigung vielleicht sogar mehr. Das autonome Fahren wird die Bedeutung des Reifens mit entsprechenden Sensoren noch stärken.
Die Betriebe müssen natürlich ihre Hausaufgaben machen: technische Kompetenz, Logistik, Digitalisierung mit Shop und Online-Terminvereinbarung, Beratung, aber auch der saubere Aufritt mit ansprechendem Ambiente. Dann wird das blaue Auge bald wieder verheilt sein.
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