Dabei spielen für die Betriebe bei der Entscheidungsfindung, wann der richtige Zeitpunkt zum Einstieg in die neue Technologie ist, nicht nur der Investitionsbedarf in Werkzeuge, Schulungen und all­fällige Adaptierungen der Arbeitsplätze eine Rolle – für Hochvoltarbeiten ist der Platzbedarf größer und es sind eigene Kennzeichungen bzw. Abgrenzungen erforderlich –, sondern es ist auch maßgeblich, dass Wertschöpfung in der Werkstätte bleibt.

So sieht etwa Katia Melz-Giovanella, Produktmanagerin bei AVL ­DiTest, im Rahmen der „Autoservicetage 2020“ mit der Elektromobilität nachhaltige Veränderungen auf die Werkstätten zukommen, die zu einem Umdenken bei den Prozessen führen und von den Mitarbeitern ständiges Lernen einfordern. Denn es gilt nicht nur entsprechend dem Umfang der Tätigkeiten – nach der R19-Ausbildungsverordnung in Österreich – die jeweilige Art der Hochvoltschulung absolviert zu haben, sondern auch zu diesen „Basisschulungen“ die vom Hersteller vorgeschriebenen Qualifikationen für die einzelnen Fahrzeuge aufzuweisen. Denn es gebe bei den Herstellern unterschiedliche Herangehensweisen, so Melz-Giovanella, aber auch differenzierende Reparaturstrategien: Dürfen Arbeiten an der Batterie vor Ort durchgeführt werden? Gibt es zentrale Reparaturstützpunkte? Oder muss die Batterie in der Werkstatt ausgebaut und dann als Sondertransport deklariert zu einer zentralen Stelle gebracht werden? Je mehr die Werkstatt selbst machen darf, desto höher wird die Wertschöpfung bei der Werkstätte sein, ist die Expertin überzeugt, aber auch das Fahrzeug wieder schneller beim Kunden. Dies müsste eigentlich die meisten Hersteller bei entsprechend hohen Stückzahlen am Markt dazu bringen, dass sämtliche Arbeiten in der Werkstatt vor Ort durchgeführt werden dürfen.

Es werden laufend mehr
Auch wenn sich große prozentuelle Zuwachsraten aktuell noch in niedrigen Anteilen widerspiegeln – mit Jahresende 2019 lagen die batterieelektrischen Fahrzeuge bei einem Anteil von 0,6 Prozent am gesamten Pkw-Bestand, die Hybride machen rund 1 Prozent aus – so scheint die Richtung auch durch politische Lenkungseffekte wie Elektromobilitätsförderungen oder erhöhten Investitionskostenzuschuss klar: Der Anteil der elektrifizierten Fahrzeuge wird weiter steigen. Und damit auch der Investitionsbedarf der Werkstätten. Denn wer glaubt, er kann auf Elektromobilität verzichten, wird schleichend seinen Kundenstock abbauen. Damit die Arbeiten dann noch die notwendige Wertschöpfung bringen – ein Geldbringer wie das Öl ist beim Elektroauto nicht mehr vorhanden –, errechnet Kfz-Sachverständiger Dipl.-Ing. (FH) Christian Eissner aufgrund der erhöhten Gefahren und des dadurch bedingten technischen Mehraufwands einen um bis zu 20 Prozent höheren Stundensatz – auch aufgrund der intensiven Hochvolt-Ausbildungen (HV1, 2 und 3).

Elektro fängt bei Hybriden an
Denn ohne die Schulungen ist ein Arbeiten an elektrifizierten Fahrzeugen nicht erlaubt. Dabei geht es nicht einmal nur um die rein batterieelektrischen Fahrzeuge, sondern auch um die Hybride, deren Segment in den letzten Jahren noch stärker angewachsen ist. Dabei muss auch den Werkstatteigen­tümern klar sein, dass sie die Verantwortung für ihre Mitarbeiter tragen. Daher nehmen auch immer mehr freie Werkstätten Schulungen in Anspruch, berichtet Ing. Deniz Kartal, Geschäftsführer von Evalus. Er hat bereits mehr als 3.000 Personen im Hochvolt-Bereich sensibilisiert. Waren es zu Beginn eher die Markenwerkstätten, so kamen in den letzten Jahren immer mehr „kleine“ Werkstätten hinzu. Denn auch diesen ist bewusst, dass andernfalls ihre Wahrscheinlickeit, ausreichend Geschäft zu haben, kontinuierlich sinkt. Schulungen bieten neben Evalus etwa auch die Birner Akademie, TÜV Süd, das Bfi Wien, WN-Technical Training oder TÜV Austria an.

Mit der richtigen Ausrüstung starten
Neben einer klaren Abgrenzung des Hochvolt-Arbeitsplatzes, damit auch der Laie keiner Gefahr ausgesetzt werden kann, bedarf es in der Werkstatt auf jeden Fall isolierter Handschuhe der Klasse 0 (bis 1000 V), schwer entflammbarer Arbeitsbekleidung, Gesichtsschutz und Sicherheitsschuhe. Der gesamte Bedarf ist abhängig von den durchzuführenden Tätigkeiten, so Kartal, der mit Evalus Arbeitsplatz­evaluierungen vor Ort anbietet und so die Betriebe beim Einstieg in das Thema Hochvolt begleitet.
Ganz ohne Spezialwerkzeug und Diagnosesysteme komme man nicht aus, wie Melz-Giovanella weiß: So gelte es nicht nur vor dem Start der Werkstatt­arbeiten sicherzustellen, dass das Fahrzeug spannungsfrei ist, sondern auch nach Abschluss der Arbeiten eine Isolationsmessung und einen Potenzial­ausgleich durchzuführen. Werden Arbeiten direkt an der Batterie durchgeführt, gilt es nicht nur mittels geeignetem Gerät das neue Modul zu konditionieren, d. h. dieses wird an die Spannung der anderen Module angepasst –, auch die Dichtheit des Systems ist zu überprüfen. Denn eindringende Flüssigkeiten könnten sonst zu Schäden führen.