Knapp 200 Reifenfachleute kamen nach Köln, um sich in von Corona vernebelten Zeiten einen Überblick zu verschaffen.

In seinem Bericht zur Lage der Branche hob der BRV- Vorsitzende Dipl.-Kfm. Stephan Helm, Inhaber seiner gleichnamigen, 50 Niederlassungen zwischen Flensburg und Berlin umfassenden Reifenvertriebskette, hervor, dass der Reifenfachhandel bis dato besser durch die Corona-Krise gekommen sei als andere Berufsgruppen. Das deckt sich weitgehend mitÄußerungen unserer Branchengranden in Österreich.

Gleichwohl bleibt die Situation aus Verbandssicht mittelfristig geprägt von vielen Unwägbarkeiten. "Veränderung ist immer gut für denjenigen, der sich schnell daran anpasst", sagte Helm. Um selbstbewusst in die nächste Saison zu gehen, sei jetzt der Mut gefragt, Entscheidungen zu treffen, die Dienstleistungspreise zu erhöhen: "Die Tendenz stimmt, aber da ist noch Luft nach oben!"

Für Österreichs Interessen waren Industrievertreter mit D-A-CH-Status zur Veranstaltung gekommen. Heimische Mitglieder im VRÖ (Verband der Reifenspezialisten Österreichs) waren nicht anwesend, um die Zwischentöne zur Branchenlage hören. Wie zum Beispiel 2 bis 3 Prozent mehr bei der Erstmontagevon Pkw-Reifen oder beim Reifenwechsel knapp 2 Prozent Aufschlag und bei der Einlagerung 1,5 Prozent obendrauf. Das bei durchschnittlich 5 Prozent gefallenen Umsätzen und Erträgen aufgrund der COVID-19-Pandemie.

Gute Stimmungslage, negative Betriebsergebnisse

BRV-Geschäftsführer Dipl.-Ing. (FH) Michael Schwämmlein, Nachfolger des nunmehr in die Pension verabschiedeten Hans-Jürgen Drechsler, bot keine Vorausschau auf die Zukunft, sie käme einem Blick in eine Glaskugel gleich. Vielmehr verschaffte sich BBE-Berater Gerd Heinemann mit der Ansage Gehör, ob sichder Reifenhandel angesichts guter Stimmungslage bei negativen Betriebsergebnissen nicht mit zu wenig zufrieden gebe, und zeigte in seiner Keynote die größten Fehler am Point of Sale sowie Wege zum Erschließen von Wachstumspotenzialen auf.

Zwischendurch sorgten Pausen für persönliche Gespräche, die zwar durch Corona-bedingte Auflagen erschwert, nichtsdestotrotz intensiv geführt wurden. Die dabei ventilierten Marktkenntnisse waren vielfach von Eigeninteresse geprägt, keiner wollte sich in die Karten blicken lassen.

Weltleitmesse in zwei Hallen

Am Veranstaltungsort der Koelnmesse wurde auch offiziell nach der Verschiebung der neue Termin für die "The Tire Cologne" vom 18. bis 20. Mai 2021 bekannt gegeben.

Die Weltleitmesse findet demnach eine Woche früher und ohne Feiertag statt, wie Oliver Frese, Mitglied der Geschäftsführung der Koelnmesse, und Ingo Riedeberger, Director der TTC bei der Koelnmesse, erläutert haben. Sie wird unter avisierter Teilnahme der 25 wichtigsten Global Player als "Transfermesse" auf dem Weg in die Post-Corona- Zeitgeplant, die TTC 2021 wird sich als "extra edition" mit einem neuen, hybriden Messekonzept präsentieren: als kompakte Präsenzmesse, ergänzt um die innovative, digitale Plattform "TTC@home".

Kompakter als gewohnt, findet sie in den Hallen 7 und 8 auf dem Gelände der Koelnmesse mit einem auf Content fokussierten Eventprogramm statt. Um den aktuellen Herausforderungen aller Branchenteilnehmer Rechnung zu tragen, sind die Standflächen auf maximal 150 Quadratmeter begrenzt. Zusätzliche Kapazitäten bietet das "Lead Café" - hier stehen flexibel nutzbareBesprechungsräume zur Verfügung.

Digitale Bild- und Textinformation

Parallel können "digitale" Aussteller ihre Produkte als Bild- und Textinformation innerhalb des Aussteller-Showrooms präsentieren und durch das Einbetten von Video-Content die Aufmerksamkeit für ihr Unternehmen zusätzlich steigern, wirbt Riedeberger ab sofort für die Neuerung "TTC@home".

Zum Zeitpunkt ist das die einzige Möglichkeit, der "The Tire Cologne" Rückgrat zu geben, Lieferanten und Absatzpartnern gemeinsam Wege aus der Krise in die Zukunft aufzuzeigen. 60 Prozent aller Aussteller und Besucher kommen aus dem Ausland.

Das 4. Quartal 2020 entscheidet

Zurück zum Handel: Auch wenn die Reifenbranche bislang die Kurve gekratzt haben mag, ist die Zukunft offen. Besonders jetzt, wo die Pandemie neuerlich wirtschaftliche Einschränkungen mit sich bringt und sich nahezu alle Firmen in der Verlustzone bewegen. Die private Kundschaft zeigt sich angesichts der angespannten Joblage zurückhaltend, und die Gewerbekunden sind alles andere als enthusiatisch in ihrem Tun. Dazu beschäftigen sich zahlreiche Reifenbetriebe mit der falschen Kundengruppe und lukrieren nicht die wichtigen Erlöse daraus.

40 Prozent aller rund 1.200 Mitglieder im BRV rechnen mit einer Verschlechterung ihrer Ergebnisse und schrauben ihre Erwartungen dementsprechend zurück. Da weitgehend alle diese Betriebe in irgendeiner Weise korporiert sind, spiegelt das auch die Lesart der Industrie wider. Die allerdings hüllt sich in vornehmes Schweigen und macht sich nur durch Werkschließungen und dadurch bedingte Kündigungswellen bemerkbar. Jeder muss seinen eigenen Wegfinden, lautet die nahezu hilflos wirkende Bemerkung von Heinemann: "Von allem etwas zu machen oder versuchen ist der Weg in die Sackgasse!" Also halten sich die flexiblen Reifenhändler an die noch kaufkräftig eingestuften Senioren, die noch Besitz pflegen. Bei den Flottenkunden sind die meistenkleinere Fuhrparks und schwer zu entwickeln, Pkw und Lkw sind auch zwei Welten. Bleibt als der Weisheit aktuell letzter Schluss bei rückläufigen Umsätzen die Stabilisierung der Kosten.

Corona - beständiger Begleiter in nächster Zeit

Die Reifenwirtschaft ist sich dessen bewusst, dass Corona uns die nächsten 2 Jahre begleiten wird, gekennzeichnet von Reiselimits und Kostenüberlegungen. Deshalb legen die Lieferanten größten Wert auf Kundenkontakt, sei es konventionell oder eben digital. Ohne stimmige Netzwerke wird es im jetzigen Marktszenario nicht gehen, Erfolge zu stabilisieren. Verbandsgeschäftsführer Yorick Lowin: "Das alleinige Anbieten von Produkten und Services, die aus Unternehmersicht zum eigenen Portfolio zusammengestellt wurden, genügt nicht mehr, um den Kunden von heute zu gewinnen!" Trotz Unterstützung durch staatliche Maßnahmen bleibt die Zukunft herausfordernd. Daran ändert das allgemein optimistisch formulierte Winter-und Ganzjahresreifengeschäft auch nichts. Analog und digital -es heißt kämpfen!