Reifen&Wirtschaft: Welche Auswirkungen hatte die Corona-Krise in der Erstausrüstung bzw. im Ersatzgeschäft bisher auf Ihr Unternehmen?
Roland Steinberger, Michelin: Der Lockdown hat natürlich auch die Erstausrüstung getroffen, das war fast ein kompletter Stillstand. Anschließend kam es aber auch sehr rasch wieder zum Anlaufen der Produktionen. Im Moment wird der Rückstand aufgeholt, und die Branche wird sich am Ende des Jahres doch noch deutlich besser einpendeln als bei den bereits befürchteten minus 30 Prozent.
Michael Lutz, Cooper Tire: Die letzten Monate waren für alle Beteiligten nicht gerade leicht, und wir mussten schauen, wie wir damit am besten umgehen. Schnell wurde uns bewusst, dass wir trotz Ausfall in der Produktion in UK und Serbien auf die aufkommende Nachfrage des Marktes gut reagieren können. Das lag daran, dass wir bereits mit vollen Lagernin die Saison gestartet sind. Momentan stehen wir auch für das Wintergeschäft 2020 in Österreich auf zwei gesunden Beinen und freuen uns darauf.
Mirco Brodthage, Semperit: Wir sind natürlich wie alle Lieferanten von der rückläufigen Marktnachfrage betroffen. Der Rückgang der Neufahrzeugzulassungen zeigt sich insbesondere in der geringeren Nachfrage nach Winterkompletträdern, im Sommer hat sich die reduzierte Mobilität und der damit verbundene geringere Bedarf zusätzlich inunseren Zahlen niedergeschlagen. Unser Team war jedoch jederzeit für unsere Kunden da und konnte alle Prozesse sicherstellen -auch in den Zeiten, in denen wir zum Schutz aller von zuhause gearbeitet haben.
Ing. Wolfgang Stummer, Goodyear: Aufgrund der starken Einbrüche des europäischen Neuwagengeschäftes gibt es natürlich eine reduzierte Nachfrage in der Erstausrüstung. Obwohl das Ersatzgeschäft aufgrund der Pandemie unser Sommergeschäft leicht reduziert hat, sind die letzten Monate doch über den Erwartungen gelaufen. Das Wintereinlagerungsgeschäft hat heuer für uns wesentlich früher gestartet und läuft gut, die Gesamtbeurteilung werden wir erst am Ende der Wintersaison treffen können.
Harald Kilzer, Apollo Vredestein: Im 2. Quartal des laufenden Kalenderjahres waren die Auswirkungen auf unser Geschäft sehr deutlich, auch wenn unser Unternehmen nur einen sehr geringen OE-Anteil am europäischen Markt hat. Durch die Anpassung unserer Kosten an die rückläufigen Umsätze sind wir allerdings mit einem blauen Auge davongekommen. Wir versuchen nun in der 2. Jahreshälfte einen Teil zu kompensieren.
Günther Riepl, Falken: Genau am Tag des Lockdowns in Deutschland sind wir mit unserer Sommer-Abverkaufskampagne "Falken sagt Tanke" an den Start gegangenen. Die zahlreichen Teilnehmer an dieser Aktion haben bewiesen, dass trotz Ausgangsbeschränkungen doch so mancher Reifen gewechselt werden mussteund durfte, und die Aktion fand großen Anklang. Wir haben bereits im Februar ein "Corona-Team" gebildet, um gemeinsam die jeweils aktuelle, sich ständig verändernde Situation zu bewerten und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Und in der Krise hat es sich mehr als ausgezahlt, dass wir schonfrüh auf eine sehr gute IT-Infrastruktur gesetzt haben. Unsere Belegschaft hat nahezu komplett von zuhause aus gearbeitet und konnte so unseren Kunden bestmöglichen Service und Erreichbarkeit bieten. Im Bereich der Erstausrüstung haben wir Volumen verloren. Da wir jedoch nicht allzu sehr im OE-Geschäft verankert sind, sind diese Verluste zu verschmerzen.
Martin Krauss, Bridgestone: Auch in der Reifenbranche sind die Auswirkungen der Pandemie deutlich zu spüren, was insbesondere die letzte Reifenwechselsaison und das damit verbundene Sommerreifengeschäft beeinflusst hat. Für die anstehende Wintersaison 2020 ist Bridgestone aber mit seinem hochmodernen Portfolio an Premiumreifen sowie zusätzlichen neuen Produkten hervorragend gerüstet. Seit Mai 2020 haben wir diese Ausrichtung gemeinsam mit unserer Marke Firestone noch weiter intensiviert und unser führendes Sortiment marktorientiert unter anderem mit vier neuen Pkw-, SUV-und Transporter-Produktlinien erweitert. Mit diesem starken Portfolio wollen wir unsere Geschäftspartner wirkungsvoll dabei unterstützen, für ihre Kunden die Nummer eins zu sein.
Harald Münzker, Pirelli: Unter der Betrachtung des Covid-19-Impacts und der Realität einer signifikanten Neuwagenrückläufigkeit hat Pirelli -wie sämtliche Marktakteure -in allen Bereichen Optimierungs-und Rationalisierungsmaßnahmen getroffen, um organisiert und mit Stärke gerüstet der neuen Zeit entgegenzugehen. Das Ersatzgeschäft weist Stabilität auf, und der Fokus richtet sich künftig auch stärker auf diesen Bereich.
Ist die Verfügbarkeit für den Winter 2020/21 für alle Modelle/Dimensionen gesichert?
Stummer, Goodyear: Goodyear gehört zu jenen Herstellern, die auch in der Saison eine gute Verfügbarkeit der Produkte gewährleisten. Das werden wir versuchen, auch in dieser Saison zu beweisen. Manche Industrien drohen schon seit Monaten dem Handel mit Knappheit und Verfügbarkeitsproblemen. Das könnte bewirken, dass wir in der Hauptsaison mit einer höheren Nachfrage konfrontiert werden und es dadurch auch bei uns zu Engpässen in einzelnen Dimensionen kommen könnte. Allerdings gehe ich davon aus, dass wir mit unserem breiten Markenportfolio gut aufgestellt sind.
Brodthage, Semperit: Unser Lager für Österreich ist derzeit auf dem Niveau der Vorjahre mit Winterreifen gefüllt. Da es große Schwankungen bei der Einschätzung über den Verlauf der Saison gibt, ist eine abschließende Aussage derzeit nicht seriös zu treffen.
Riepl, Falken: Ob die Verfügbarkeit für den Winter für alle Modelle/Dimensionen gesichert ist, ist schwierig zu beantworten, eine Glaskugel haben wir leider auch nicht. Fakt ist: Wir gehen gut vorbereitet und optimistisch in die Wintersaison. Die Winterreifenproduktion läuft trotz Corona analog zu den Vorjahren ab. Unsere Lager sind entsprechend vorbereitet, Container-Lieferungen laufen auch wie geplant ab. Aber speziell im Wintergeschäft spielt wie immer das Wetter eine große Rolle. Mitentscheidend ist auch die Verfügbarkeit bei den namhaften Mitbewerbern.
Münzker, Pirelli: Verfügbarkeit ist ein komplexes Thema. Das Thema Covid-19, gekoppelt mit einem stetig wachsenden 18"-up-Segment, bringt neue Herausforderungen im Bereich B2B mit sich. Der steigende Bedarf im 18"-up-Segment verlagert sich mehr ins Daily Business, da die Fachwerkstätte den Bedarfdes Endkunden weniger einschätzen kann. Hier weise ich noch mal darauf hin, dass sich der österreichische Großhandel dieser Herausforderung professionell entgegenstellt. Aufgrund von länderspezifischen Covid-19-Regulierungen wird es aus dem internationalen Versorgungskanal zu schwerwiegenden Verzögerungen und schwer absehbaren Lieferzeiten kommen.
Steinberger, Michelin: Generell sehe ich nicht die Gefahr, dass es zu einer enormen Knappheit von Reifen kommen wird. Allerdings wird es durchaus zu Engpässen bei bestimmten Dimensionen und Profilen kommen. Die fehlenden Produktionswochen in den Werken aufgrund der zeitweisen Corona-Schließungen werden sich sicher bemerkbar machen. Eine gute Mischung aus Risikobereitschaft -inklusive Risikoteilung -und Vorsicht in Verbindung mit einer engen Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie hilft, dem Problem entgegenzuwirken. Das hat diesen Herbst sehr gut funktioniert, und für dieses Vertrauen und die Kooperation möchte ich mich auch bei all unseren Partnern bedanken.
Kilzer, Apollo Vredestein: Da Winterreifen fast nur in Europa benötigt und produziert werden und nahezu alle europäischen Reifenwerke im April und Mai eine "Zwangspause" einlegen mussten, gehe ich davon aus, dass es nicht zu viele Winterreifen am Markt geben wird. Da wir gerade die Verfügbarkeit für die Tagesbestellungen verbessern wollen, haben wir aber rechtzeitig die Lagerkapazitäten in unserem Wiener Lager ausgebaut und zusätzlich unser Lager-Team verstärkt.
Krauss, Bridgestone: Unser Unternehmen beobachtet die Situation sowohl im Hinblick auf die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter, Geschäftspartner und Mitmenschen als auch auf die Geschäftskontinuität äußerst aufmerksam. Wir verfügen über ein ausreichendes Angebot, um der Nachfrage gerecht zu werden, und werden weiterhin die Angebotssituation aktuell bewerten und entsprechend marktgerecht planen.
Wie entwickelt sich das Segment All-Season inÖsterreich bei Ihrer(n) Marke(n)? Sind Endkunden, die heuer "durchgefahren" sind, eine potenzielle Zielgruppe für Ganzjahresreifen?
Kilzer, Apollo Vredestein: Die einzigen Zielgruppen für Ganzjahresreifen sind nach wie vor Wenigfahrer (unter 2.500 Kilometer pro Jahr), Fahrzeuge im urbanen Bereich (Wien, Graz, Linz), oder Zweit-und Drittfahrzeuge, die nicht zwingend bewegt werden müssen. Durch den Umstand, dass Corona-bedingt die jährliche Kilometerleistung sinken wird, wird aber automatisch die Zielgruppe auch in Österreich größer. Für Vielfahrer können Ganzjahresreifen ebenfalls interessant sein, wenn diese z. B. im Herbst montiert werden und ein Jahr damit durchgefahren wird. Wer allerdings in ganz Österreich zu jeder Jahreszeit mobil sein möchte, sollte traditionell auf Sommer-und Winterreifen setzen.
Steinberger, Michelin: Die Entwicklung der Ganzjahresreifen inÖsterreich ist mit dem Wachstum in anderen Ländern, etwa Deutschland, nicht zu vergleichen. Unsere All-Season-Produkte sind äußerst attraktiv, wir entwickeln uns mindestens auf Marktniveau. Die heurigen "Durchfahrer" sind aus meiner Sicht nur zu einem kleinen Teil potenzielle Kunden für Ganzjahresreifen. Die Situation war sehr speziell, viele haben wirklich sehr spät erst die Räder gewechselt. Der überwiegende Teil wird im Herbst sein Fahrzeug mit neuen Winterreifen ausrüsten, um so bestmöglich durch den Winter zu kommen.
Lutz, Cooper: Der All-Season-Bereich ist auch inÖsterreich ein aufstrebender und wachsender Markt. Cooper kann diesen mit seinem 2019 vorgestellten Pkw-Reifen "Discoverer Allseason" und dem 2020 neu vorgestellten AT-Reifen, dem "Discoverer AT3 Sport 2", hervorragend abdecken. Wir sind gespannt, ob sich Endkunden nun vermehrt für einen All-Season-Reifen interessieren, das Land an sich hat immer noch eine starke Ausprägung in Richtung Winter-und Sommerreifen.
Münzker, Pirelli: Der Markt im All-Season-Bereich bewegt sich in Österreich zwischen 3 und 4 Prozent vom Gesamtpotenzial und bewegt sich tendenziell sehr langsam nach oben. Aufgrund der klimatischen Voraussetzungen sowie in großen Bereichen alpiner Geländezonen erwarten wir mittelfristig keine signifikanten organischen Wachstumsraten.
Zudem bringt das gesetzliche Erfordernis der 4-mm-Winterprofiltiefe, welche in diesem Fall auch für All-Season-Reifen Gültigkeit hat, einzig Nachteile, da Ganzjahresreifen unter 4 mm als Winterreifen nicht mehr zum Einsatz kommen dürfen. In den alpinen Regionen wäre der Einsatz von All-Season- Reifen ein Risikofaktor. Im östlichen urbanen Raum ist ein solcher Reifen für Endkunden, welchenicht an den Mobilitätsfaktor Auto gebunden sind, zwar eine Alternative, aber nicht die empfehlenswertere Wahl.
Brodthage, Semperit: Durch die Einführung von Ganzjahresreifen unter der Marke Semperit und die Testerfolge ist dieses Segment bei uns prozentual stark gestiegen, liegt in absoluten Zahlen jedoch auf weiterhin niedrigem Niveau. Wir glauben, dass analog zur Entwicklung in anderen Märkten in Europa die Nachfrage nach Ganzjahresreifensteigen wird -insbesondere bei Kunden, die in urbanen Gebieten leben und auf den öffentlichen Nahverkehr ausweichen können.
Stummer, Goodyear Dunlop: Der All-Season-Bereich ist aktuell ein stark wachsendes Segment mit hohen zweistelligen Zuwachsraten. Speziell im urbanen Bereich gibt es einen Run auf diese Produkte. Mit Goodyear als Erfinder des All-Season-Reifens haben wir gerade das neueste und innovativste Produkt, den Goodyear Vector 4Seasons Gen-3, auf den Markt gebracht. Demnächst folgt auch ein Ganzjahresreifen der Marke Dunlop, der Dunlop Sport All Season. Ich kann mir vorstellen, dass kostensensible Wenig-Fahrer möglicherweise einen Umstieg in Betracht ziehen. Aber es wird auch viele Endverbraucher geben, die aufgrund der Pandemie auf eine Umrüstung verzichtet haben und jetzt vor dem Winter ihr Fahrzeug optimal mit neuen Winterreifen ausstatten werden.
Riepl, Falken: Da wir in diesem Segment schon seit vielen Jahren Produkte zur Verfügung stellen -mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis -, steigen auch bei uns in Österreich in diesem Segment die Verkaufszahlen. In den Städten ist ein stetig leichter Anstieg und vermehrtes Interesse an All-Season-Reifen feststellbar.
Krauss, Bridgestone: Ganzjahresreifen liegen im Trend, aber die Wachstumskurve relativiert sich. Wir weisen stets darauf hin, dass Ganzjahresreifen immer eine Kompromisslösung darstellen und nur für bestimmte Zielgruppen geeignet sind. Unsere Geschäftspartner im Fachhandel bieten hier die kompetente Beratung, welcher Reifen der richtige für das individuelle Fahrprofil ist. Allerdings bieten wir für diese infrage kommenden Zielgruppen natürlich leistungsstarkeProdukte. Trotzdem glaube ich, dass die Mehrheit der Endkunden, die heuer durchgefahren sind, bei der Nachrüstung auch eher wieder zum Winterspezialisten greifen werden.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Krise auf die Preise ein? Wird der Preisdruck größer oder - aufgrund geringerer Verfügbarkeit -kleiner?
Steinberger, Michelin: Ich denke, der Preisdruck wird sichähnlich wie in den letzten Jahren gestalten. Die teilweise Warenknappheit wird in die eine Richtung wirken, der Verkaufsdruck -um möglichst fehlende Mengen aus dem Frühjahrsgeschäft aufzuholen -wird in die entgegengesetzte Richtung wirken. Die Zusammensetzung der Marktteilnehmer nach dem sehr unruhigen ersten Halbjahr wird sich ebenfalls bemerkbar machen. In Summe wird sich der Preisdruck auf die Produkte nicht großartig verändern, auch wenn es sehr wünschenswert wäre. Die Differenzierung durch die Dienstleistung bleibt weiterhin eine gute Möglichkeit, die nötigen Erträge zu erwirtschaften.
Kilzer, Apollo Vredestein: Die oft prognostizierte Warenknappheit bei Winterreifen wird kaum eine gravierende Auswirkung auf die Preise haben. Ich kann mir aber vorstellen, dass durch die jüngsten Insolvenzen auf der europäischen Reifen-Bühne der Preisdruck kleiner wird und unsere Fachhändler die Chance bekommen, die Margen-Situation wieder auf ein normales Niveau zu heben.
Stummer, Goodyear: Die Krise hat auf die Preise meiner Meinung nach relativ wenig Einfluss. Eine Preisentwicklung nach oben könnte durch eine Warenverknappung in der Wintersaison eintreten.
Riepl, Falken: Für die Wintersaison sehen wir zur Zeit noch keine Auswirkungen auf die Preise -wie es für das nächste Jahr aussieht, kann jetzt noch nicht gesagt werden. Denn das hängt von vielen Faktoren ab: Wie springt die Wirtschaft generell an, wie entwickelt sich die Fahrzeugindustrie und damit zusammenhängend die Erstausrüstung? Sollte die Verfügbarkeit geringer werden, sinkt der Preisdruck auch.
Münzker, Pirelli: Die vergangenen Jahre zeigten auf Industrieseite im Pricing eine stetig regressive Entwicklung auf. Aus heutiger Sicht sind die Auswirkungen von COVID-19 auf das Pricing noch nicht vollumfänglich absehbar.
„Nicht auf jeder Hochzeit tanzen“
Für Mazda ist der Sieg bei den mittelgroßen Marken nichts Neues: Neu ist, dass heuer neben Langzeit-Chef Mag. Heimo Egge...