Jene Probleme, die der Reifenvertrieb schon vor Corona hatte, sind freilich keineswegs gelöst. Das blaue Auge hat der Reifenhandel schon lange. Ob man damit davonkommt, ist alles andere als sicher.

Wie seltsam: ein Geschäft, das durch die Montage ausschließlich von der regionalen Kundenbeziehung lebt, leidet unter dem internationalen Angebot, unter Überproduktion und Internetpreisen. Nach jedem Crash, bei dem die Industrie brav dazugelegt hat, wird Besserung geschworen: Die Industrie musste schmerzhaft lernen und wird sich zukünftig breiter aufstellen, hört man.

Die Margen sind offenbar nicht mehr groß genug, um dem internationalen Großhandel den Preisvorteil zu verschaffen, den er braucht. Die Ergebnisse und Pleiten sind bekannt. Bleibt die Frage, ob die Margen noch groß genug sind, damit der regionale Reifenspezialist überleben kann. Das Problem ist dabei nicht der Einkaufspreis, sondern der internationale Preisdruck, der existenzgefährdende Endkundenpreise erzwingt.

Die Botschaften der Industrievertreter sind schlüssig und denen, die sie erzählen, auch zu glauben. Und dennoch tauchen immer wieder Billigst-Volumina auf. Neben Überkapazitäten, teilweise aus der Erstausrüstung, fällt immer wieder ein Landeschef irgendwo in Europa um, kann der Extra-Mengen-Versuchung nicht widerstehen. Einer macht immer den Preis kaputt. Immer? In diesem Winter könnte eine gesunde Verknappung eintreten, die zeigt, dass man mit ehrlichem und fairem Handel auch noch den notwendigen Ertrag erwirtschaften kann.

Es ist natürlich illusorisch zu glauben, dass dieser Zustand länger anhalten wird. Als Reifenhändler könnte man aber langfristig auf jene Lieferanten setzen, die einen leben lassen. Corona - so die Philosophen - soll genutzt werden, um Systeme zu hinterfragen und zu verbessern, mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln. Einen Versuch wäre es wert, auch in der Reifenbranche.