In der Reifenbranche gab es in den letzten Jahren zahlreiche Insolvenzen. Wie auch anderswo rund um das Automobil findet man ungleiche Machtverteilungen zwischen Industrie und Handel vor, und nicht selten ist der Mittelstand das schwächere Glied der Kette. So weit, so "gut", auch in der Reifenwelt. Hier haben uns die jüngsten Entwicklungen rund um die Mega-Pleite der EFTD aber etwas gelehrt. War Reifen Krieg noch der Branchenüberflieger mit Benchmark-Logistik und ausgeklügelten Technologien, um die günstigsten Einkaufspreise aufzuspüren, so war die EFTD doch kurze Zeit nach der Übernahme insolvent. Und da die Ex-Industrie-Manager sehr überheblich zur Tat schritten, waren sie auch gleich als die Schuldigen identifiziert.

Reifenhandel ist unter die Räder gekommen

Wie fragil aber sind Benchmark-Unternehmen, wenn sie ein paar Monate Überheblichkeit im Management nicht überstehen? Was uns die Causa EFTD gezeigt hat, ist, dass der Reifenhandel als Glied in der Versorgungskette zwischen Industrie und Autofahrer im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder gekommen ist. Zwischen Einkauf und Verkauf bleibt dem Händler nicht mehr ausreichend Handelsmarge, um seine Leistung zu finanzieren. Krieg setzte darauf, die niedrigsten Preise Europas aufzuspüren, um so im Preiskampf des Marktes zu bestehen. EFTD setzte darauf, aufgrund der Unternehmensgröße genug Überlebensspielraum bei der Industrie zu verhandeln. Der Ausgang ist bekannt.

Bremsen- und Klimaservice zum Überleben

"In anderen Sparten soll man sein Heil suchen", tönt hierzulande die Industrie, so könne man doch durch Bremsen- und Klimaservice den Reifenhandel subventionieren und finanzieren. In dieser Tretmühle befindet sich der Reifenhandel seit der letzten Wirtschaftskrise, und dann kam Covid-19. Während die Reifenhändler aktuell um jeden Kunden ringen und trotzdem Einbußen im B2C-Bereich von (bis dato noch immer) über 20 %landesweit überstehen müssen, zeigt der Pool mit einem Minus von weniger als 12 %ein geringeres Ausmaß der Tragödie. Zeigt diese Zahl ja auch den Verkauf von der Industrie an den Handel.

Einfühlungsvermögen? Fehlanzeige

Wer nun als Händler mit Empathie und Einfühlungsvermögen seitens der Industrievertreter rechnet, der ist auf dem Holzweg. Nicht die Frage nach Restlagerbeständen, Geschäftseinbußen und Personalstand treibt unsere Partner von der Industrie zu uns. Sie kommen mit Mengensteigerungsforderungen, abgeleitet aus Wirtschaftsprognosen, die uns für 2020 einen Geschäftsverlauf von 100 %vom Vorjahr voraussagen. Mindesteinlagerungsmengen werden abverlangt, und Einzelne sprechen gar von Anzahlung auf Warenbevorratung für den Winter.

Corona zeigt einseitige Machtverhältnisse auf

Corona zeigt gerade auf, wie einseitig die Machtverhältnisse ausgeprägt sind. Es führt uns vor Augen, dass der Bogen schon längst überspannt ist und wir insgeheim von den Insolvenzen der anderen ein wenig mehr Glück für den eigenen Betrieb erhofft haben.

Wenn die Marge für den Reifenhändler zwischen Ein- und Verkauf nicht mehr ausreicht, um den dafür betriebenen Aufwand zu finanzieren, dann gibt es 3 Möglichkeiten:

  1. Insolvenz anmelden
  2. Bremsen reparieren, um den Reifenhandel zu subventionieren
  3. das Handelsportfolio überdenken und das Steuer selbst in die Hand nehmen.


Überheblichkeit als Stolperstein

Der Ausgang ist ungewiss, aber die Überheblichkeit aus der Position des Stärkeren heraus könnte weiterhin ein Stolperstein bleiben. Wer jetzt kein Augenmaß beweist und es als Industrie verabsäumt, partnerschaftlich mit dem Handel die Einbußen zu meistern, der läuft Gefahr, ausgetauscht zu werden und zumindest in Österreich auf der Strecke zu bleiben.