Im Kampf um die fahrzeuggenerierten (Live-)Daten, der zwischen Herstellern und Vertretern des freien Aftermarket seit Jahren tobt, ist die Europäische Union gefragt, klare Regeln zu schaffen. Der europäische Teilehändlerverband FIGIEFA forderte noch für 2020 eine eindeutige gesetzliche Regelung. Ist das in Zeiten von Corona noch zu schaffen?
"Die Gremien - etwa die Motor Vehicles Working Group -arbeiten während der Krise virtuell weiter", so Hartmut Röhl, der als Präsident des deutschen Gesamtverbands Autoteile-Handel (GVA) und als Vorsitzender des europäischen Dachverbands des Kfz-Teilehandels (FIGIEFA) für einen freien und unbegrenzten Zugang zu den Fahrzeugdaten eintritt. Es sei gelungen, Verständnis für die Forderung zu schaffen, dass der Autofahrer selbst entscheiden können müsse, wem er wann welche Daten zur Verfügung stelle. Damit könne dann auch die freie Werkstatt ihren Kunden zum Beispiel "vorausschauende Wartungsarbeiten, die auf das persönliche Nutzerprofil abgestimmt sind", anbieten.
Teilsieg
Während die Fahrzeughersteller weiter auf ihrem Modell des "Extended Vehicle" beharren, können die Freien in puncto Teiledaten einen Erfolg in Brüssel verbuchen. "Die EU-Kommission hat festgestellt, dass die Errungenschaften der neuen Typzulassungsverordnung für alle Fahrzeuge -nicht nur für neue -gelten, da die Verordnung einige Paragraphen der Euro 5 und 6 ersetzt", so Röhl. Damit wurde klargestellt, "dass alle Informationen, die zum Ersatz von Teilen nötig sind, in elektronisch zu verarbeitender Form zur Verfügung gestellt werden müssen".
Röhl rechnet allerdings damit, dass sich die Hersteller in dieser Sache noch nicht geschlagen geben und man sich vor Gericht wiedersehen wird. "Der Zugang zu Teiledaten ist für uns von enormer Bedeutung, nicht zuletzt wegen der Vielfalt der Fahrzeugvarianten und der Tatsache, dass bei einem Typ die unterschiedlichsten Teile verbaut sind. Viele dieser Teile müssen sich heute nach einem Austausch beim Zentralrechner des Autos anmelden, damit das Teil erkannt wird und der Fehlerspeicher nicht nach dem Austausch weiter einen Defekt meldet."
Das "neue Öl" bringt neue "Raffinerien"
8 Terabyte - das entspricht etwa 2 Milliarden voll beschriebenen DIN A4 Seiten - speichert ein modernes Fahrzeug in 8 Stunden, 200.000 Datenpunkte fallen an. Aber nicht die Menge macht die im Fahrzeug generierten Daten für Hersteller und den IAM zum Streitobjekt, sondern die Dienstleistungen, die sich daraus generieren lassen.
Die Unternehmen, welche das Öl des 21. Jahrhunderts "raffinieren" und damit Geld verdienen wollen, sind längst aus den Startlöchern und haben Fahrt aufgenommen. Neben den bereits erwähnten vorausschauenden Wartungsangeboten sind Telematikdienstleistungen auf Basis von Live-Daten etwa für Versicherungen, Fuhrparkbetreiber, Auto-Abo-Anbieter, aber auch Privatpersonen interessant. Bei der jüngsten - coronabedingt online abgewickelten - Generalversammlung des Vereins Carmunication, der für den freien Datenzugang lobbyiert, wurden bereits 38 Mitglieder gezählt - vom kleinen Start-up über Interessenvertretungen bis hin zu großen Konzernen.
Nur wenn es gelingt, die freie Wahl für den Endkunden zu erstreiten, sehen die Freien eine Chance, im Reparaturmarkt neben den Herstellern weiter existieren zu können. "Wir glauben an 'privacy by design', das heißt, dass Eigentümer und Benutzer des Fahrzeugs entscheiden, wer Zugang zu den generierten Daten erhält", heißt es vonseiten des Vereins.