Es ist bald 20 Jahre her, dass das heimische Unternehmen Libro auf mehreren Etappen in die Insolvenz geschlittert ist. Ein befreundeter, regionaler Buch-und Schreibwarenhändler hat mir damals erzählt: "Zuerst setzen sie mir eine Filiale vor die Nase und machen mit Dumpingpreisen mein Geschäft fast kaputt, und nun darf ich die Sanierung auch noch mit meinen Bankzinsen finanzieren." Stimmt: Banken und Lieferanten wittern das große Geschäft, und nachdem die Blasegeplatzt ist, müssen es die kleinen Familienbetriebe ausbaden. Sofern es sie dann noch gibt.
Ähnliches denken sich nach mehreren Vorfällen die Reifenhändler, auch wenn hier weniger die Vorgehensweise der Banken, sondern vielmehr der Lieferanten ein Problem darstellt. Für die folgende Analyse muss allerdings die Unschuld der regionalen Manager und Mitarbeiter der Reifenkonzerne festgehalten werden. Wir sind überzeugt, dass auch diese eine andere Situation bevorzugen würden.
"Im europäischen Reifenspektrum wird es durch Großrochaden und Pleiten von industriegesponserten Großhändlern zu einem mittleren Erdbeben kommen", bringt es Wilfried Fleischmann, regionaler Großhändler in Ostösterreich, auf den Punkt. Er spricht von einem Investmentvirus, unter dem die Branche leidet.Tatsächlich: Volumen und Wachstum sind so verlockend, dass die Reifenindustrie immer wieder darauf hereinfällt. Es gibt immer wieder paneuropäische Großhändler, egal ob online oder offline, dem ein Konzern Pakete verkauft wie dem Teufel die Seele.
Dann platzen diese Blasen, weil sie nicht auf realer Nachfrage basieren. Wenn es dann einen erwischt, wie jetzt Fintyre, dann zahlen die regionalen Betriebe gleich doppelt: Zuerst haben sie unter der unfairen Konkurrenz gelitten und waren laufend mit Dumpingpreisen konfrontiert. In Zukunft werden die Schrauben bei den Lieferungen wieder stärker angezogen: Bonitätsprüfung, Lieferbeschränkungen, Versicherungskosten usw. Die Finanzabteilungen werden wieder vorsichtiger, und die Unschuldigen müssen es ausbaden. Die Konzernausfälle durch Großpleiten sollen durch Restriktion beim angestammten Handel kompensiert werden.
Dabei sind im konkreten Fall die Auswirkungen noch gar nicht abzusehen: Fehlt die Ware? Oder kommt das Packerl zu unterirdischen Preisen auf den Markt?
Mit dieser problematischen Entwicklung ist die Reifenbranche freilich nicht allein. Sie hat im Vergleich zu Schuhen, Elektronikgeräten oder den oben angeführten Büchern aber einen großen Vorteil: Es braucht einen Partner vor Ort, der die Produkte montiert. Und diesen Vorteil sollte die regionalen Partner nutzen.
Die Industrievertreter, die auf den nächsten Seiten auftreten, haben das längst verstanden. Bleibt nur zu hoffen, dass es ihre Konzernchefs auch einmal kapieren.
„Nicht auf jeder Hochzeit tanzen“
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