Eine solche Vorgangsweise ist nicht nur für schuldlose Autofahrer, die mit Euroherc in keinerlei Vertragsbeziehung stehen, äußerst ärgerlich. Das gilt auch für die Kfz-Werkstätten, die mit Euroherc um die Höhe des Kfz-Schadens streiten müssen. Weshalb manche große Betriebe bereits dazu übergehen, Euroherc-Reparaturen nur noch gegen Vorauskassa zu akzeptieren.

Ein Musterbeispiel war jener Schadensfall, der Reinhart Clark als Chef des gleichnamigen Kfz-Betriebes in Wien zu einer Klage gegen Euroherc veranlasste. Ein simpler Auffahrunfall, der zur Reparatur bei Clark landete. Dieser forderte Euroherc mehrfach zur Besichtigung auf. Als das nichts half, machte Clark kurzen Prozess. Er beauftragte den Kfz-Sachverständigen Ing. Martin Freitag mit der Besichtigung und Reparaturkalkulation und ließ aufgrund der ihm erteilten Zession diese 6.110,82 Euro und die Gutachtenskosten (254,- Euro) von seinem Anwalt Mag. Peter Fasching einklagen. Worauf es Euroherc vorzog, aufgrund des gerichtlichen Zahlungsbefehls den Schaden samt Kosten zu bezahlen.

"Bei Euroherc hakt es immer", fasst Fasching seine bisherigen Erfahrungen zusammen. "Antworten auf Aufforderungsschreiben kommen oft gar nicht oder nicht fristgerecht." Zuerst werden die Geschädigten oder ihre Werkstätten aufgefordert, mit dem durch den Unfall ramponierten Auto zur Besichtigung nach Wien-Schönbrunn zu fahren - obwohl es trotz "Schadensminderungspflicht" dazu keine rechtliche Verpflichtung gibt.

Kommt es dann doch zu einer Besichtigung, bleibt oft offen, ob die beantragte Reparatur freigegeben wird - oder was zur Reparatur freigegeben wird. "Da verfertigen sie Gutachten, die keine Gutachten sind", sagt Fasching. Aus der Sicht des Anwalts handelt es sich lediglich um mangelhafte "Anbote", bei denen überdies keine Mehrwertsteuer berücksichtigt wird.

Streit um die Schadenshöhe

"Wenn das Verschulden einwandfrei bewiesen ist, wird noch über die Schadenshöhe gestritten", werden nach Faschings Erfahrungen die tatsächlichen Stundensätze der Werkstätten ignoriert. "Da stimmen meist die Arbeitszeiten nicht", klagen auch zahlreiche Kfz-Betriebe, dass Euroherc die vorgelegten Reparaturkalkulationen willkürlich zusammenstreicht. Oder es werden Rabatte verlangt, für die es keinerlei Veranlassung gibt. "Da werden bei 4.000 Euro Reparaturkosten lediglich 3.000 angeboten", sagt Fasching. Er sieht darin einen Versuch, auf diesem Weg die Geschädigten unter Druck zu setzen. Aus dem Kalkül heraus, dass diese ihr Auto endlich repariert haben wollen. Kunden üben dann auf ihre Werkstätten Druck aus, es billiger zu machen und den Schaden auch zu diesen niedrigen Euroherc-Anboten zu reparieren - weil sie möglicherweise nicht das Geld haben, eine Klage gegen die säumige Euroherc zu finanzieren.

Fasching rät daher, bei Euroherc-Schäden sofort einen Rechtsanwalt einzuschalten. "Ich habe da schon einige Mahnklagen gemacht, aber noch keine einzige Verhandlung gehabt." Dies ist für ihn ein Zeichen, dass Euroherc sehr wohl weiß, mit ihren Methoden bei Gericht nicht durchzukommen. Wenn der Geschädigte keinen Rechtschutz hat, hält er es bei klaren Verschuldensfällen auch für sinnvoll, dass die Werkstätte aufgrund der ihr erteilten Zession selbst klagt. "Sonst nimmt der Geschädigte dann das Geld und lässt nicht oder woanders reparieren."

Daher ist der Kunde vorweg aufzuklären, dass er sonst nicht die Reparaturkosten, sondern nur den wesentlich geringeren "objektiven Minderwert" zu bekommen hat. "Wenn der Betrieb das Geld hat, dann lässt der Kunde auch tatsächlich reparieren." Die Werkstätte mindert damit auch das Risiko, dass der Geschädigte die Differenz zum objektiven Minderwert an Euroherc zurückzahlen muss.

Ausweichen auf die eigene Kaskoversicherung

Resignierende Euroherc-Opfer weichen auch in klaren Verschuldensfällen oft zu einer Schadensregulierung durch ihre eigene Kaskoversicherung aus. Sie nehmen dafür ihre schlechtere Einstufung bei der Kaskoprämie in Kauf und klagen - wenn überhaupt - den bei der Kaskoabwicklung zu zahlenden Selbstbehalt ein. Außerdem verzichten sie dabei auch auf die durch den Schaden bedingte merkantile Wertminderung, die nach den Kaskobedingungen von der Versicherung nicht zu ersetzen ist.

Überdies gibt es viele Werkstattkunden, die keine Kaskoversicherung haben. Diese möchten als schuldlose Unfallopfer ihr Unfallauto dennoch repariert haben, das nach der Euroherc-Schadensbesichtigung mangels Verkehrs- und Betriebssicherheit in der Werkstatt herumgammelt. So kann es kommen, dass das Unfallopfer - mangels wirtschaftlicher Alternative - trotz seines Anspruchs auf fach- und sachgerechte Reparatur das von Euroherc angebotene Geld annimmt und den Schaden bei irgendeinem Pfuscher reparieren lässt.

Doch das können die Werkstätten aus Faschings Sicht bei entsprechender anwaltlicher Beratung durchaus vermeiden: Das wäre auch im Interesse der Kaskoversicherungen. Diese können ohne Behinderung durch ein Teilungsabkommen ihren Regressanspruch aus der erbrachten Kaskozahlung beim schuldigen Unfallgegner und bei Euroherc einklagen. Dafür sind sie jedoch auf die Mithilfe ihres eigenen Kaskokunden angewiesen. Da sie ihrem Kunden einen derartigen Rechtsstreit mit all den damit verbundenen Unannehmlichkeiten meist nicht antun möchten, bleiben die Versicherungen letztlich auf den Kosten der von den Euroherc- Kunden verursachten Schäden sitzen.

 

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Basis dieses Euroherc-Geschäftsmodells ist die Tatsache, dass diese dem sogenannten "Teilungsabkommen" nicht beigetreten ist. In diesem Abkommen sind die Versicherungen übereingekommen, unter bestimmten im Vertrag angeführten Voraussetzungen bis zu einer bestimmten Schadenshöhe den Schaden zu teilen. Die Kaskoversicherung, die für einen bei ihr geltend gemachten Schaden in Vorlage getreten ist, bekommt daher einen Teil ihres Schadens ohne Prüfung der Haftungsfrage vom Haftpflichtversicherer ersetzt. "Dadurch, dass Haftpflicht- und Kaskofälle intern untereinander ausgeglichen werden, lassen sich Prozesskosten vermeiden", erläutert ein ständig in derartigen Kfz-Schadensfällen involvierter Versicherungsmakler. Diese vertraglich vereinbarte Streitvermeidung führt gleichzeitig "zu einer gewissen Großzügigkeit bei der Schadensabwicklung". Das liegt durchaus im Interesse der Unfallopfer und Konsumenten - führt allerdings auch zu etwas höheren Haftpflichtprämien.

Euroherc nutzt auch die Tatsache, dass immer mehr Neuwagenkäufe über Leasingverträge erfolgen. Für die sind Kaskoversicherungen meist zwingend vorgeschrieben. Damit erhöht sich insgesamt die Zahl der Kaskoversicherten. Und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Euroherc ihre Haftpflichtschäden auf fremde Kaskoversicherungen überwälzt. Je mehr Schadensfälle Euroherc anderen Versicherungen aufhalst, desto günstiger wird für Euroherc der eigene Haftpflicht-Schadensverlauf. Umso günstiger kann Euroherc - zulasten der Konkurrenz - ihre eigenen Haftpflichtpolizzen anbieten. Was kostenbewusste Autofahrer und Flottisten veranlasst, ihre Haftpflicht immer öfter bei Euroherc abzuschließen. Damit steigt für die anderen Kasko-Versicherer das Risiko weiter, bei Unfällen mit Euroherc-Haftpflichtschäden konfrontiert zu werden.

Wie kommt man aus dem Teufelskreis heraus?

Ein Teufelskreis, gegen den die etablierten Versicherungen bisher keine Gegenstrategie gefunden haben. Dadurch könnte die ganze bisherige Schadensabwicklung mit den Werkstätten aus den Angeln gehoben werden. Eine Gegenmaßnahme wäre, entsprechend der Anregung des Arbeiter-Kämmerers Dr. Johann Kriegner, den Aufwand des Geschädigten bei der Schadensabwicklung als eigenen Schadenersatzanspruch zu qualifizieren, wie dies etwa beim Leihwagenanspruch der Fall ist. Dann hätte Euroherc den Unfallgegnern im Interesse des Konsumentenschutzes den Aufwand für die Schadensabwicklung zu bezahlen. Ein Aufwand, der dem Geschädigten bisher meist nur in Form "vorprozessualer Kosten" ersetzt wurde. Das würde zwar auch die Kalkulation aller Kfz-Haftpflichtversicherer belasten, aber bei Weitem nicht so wie bei der bewusst die Schadensregulierung behindernden Euroherc. Die damit gezwungen wäre, den Aufwand der Schadensabwicklung möglichst gering zu halten. Wie dies bei den meisten anderen Versicherungen schon der Fall ist.