Nach einem Unfall erhebt sich neben der Frage der Reparaturmöglichkeit auch die Frage der Tunlichkeit. Diese hängt vom Wert des Unfallautos ab. Der bestimmt aus der Sicht der zahlungspflichtigen Versicherung, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Strittig ist, ob sich dies nach den Regeln der normalen Unfallkalkulation beurteilen lässt.
Mit diesem Thema haben sich zuletzt Dr. Sabine Längle vom Landesgericht für Zivilrechtsachen in Wien und Ing. Martin Freitag (Experte für historische Fahrzeuge) auseinandergesetzt. Das sind jene Fahrzeuge, die erhaltungswürdig und nicht zur ständigen Verwendung bestimmt sind. Von diesen waren zum Jahresende 2018 rund 38.000 historisch typisiert. Sie müssen älter als 30 Jahre sein und in ihrer Erhaltung einem Zustand der Klassen 1 bis 3 der 5 FIVA-Klassen (Fédération Internationale des Véhicules Anciens) entsprechen. Das heißt, das Fahrzeug muss - analog zur ÖNORM V5080 - verkehrs- und betriebssicher sein. Die Hauptbaugruppen müssen original erhalten oder zeitgenössisch ersetzt sein.
Darüber hinaus unterteilt die FIVA die Fahrzeuge in 7 zeitlich gestaffelte Klassen: Die ältesten sind die der Klasse A vor 1904 (A: "Ancestor" = Vorfahren). Dann folgen B (1905-1918, Veteran), C (1919-1930, Vintage), D (1931-1945, Post Vintage), E (1946-1960, Post War), F (1961-1970) und G (ab 1971). Für Jüngere gibt es den Begriff "Youngtimer", der aber nirgends definiert ist. "Hier braucht es das Fachwissen eines Sachverständigen, ein Sammlerfahrzeug oder die Eigenschaft eines Youngtimers zu bestätigen und vom Massenprodukt Gebrauchtfahrzeug zu trennen", sagt Freitag: "Davon spricht man üblicherweise, wenn ein Fahrzeug älter als 15 Jahre und nicht mehr in ständiger Verwendung ist." Normalerweise sind das die über 20-jährigen - bei extrem seltenen Modellen kann die Schwelle aber schon bei 10 Jahren liegen.
Ist es ein wirtschaftlicher Totalschaden?
Einer der Streitpunkte ist bei älteren Fahrzeugen nach Haftpflicht-Unfällen die Frage, ob repariert werden kann - oder bereits ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Der liegt in Österreich nach höchstgerichtlicher Judikatur üblicherweise dann vor, wenn die Kosten einer sach- und fachgerechten Reparatur den Wiederbeschaffungswert erheblich - etwa 10 bis 20 Prozent - übersteigen. Dabei ist ein Fahrzeug gleicher Art und Güte im gleichen Abnützungszustand gemeint, das der Geschädigte im Umkreis von 70 Kilometern bei einem Händler mit Gewährleistungsansprüchen kaufen kann. Was bei Young- und Oldtimern allerdings nur selten der Fall sein dürfte.
Vorweg hat die Werkstätte (und deren Sachverständiger) die Frage zu klären, ob etwa ein 30 Jahre alter Mercedes bereits als Old- oder Youngtimer einzustufen ist - und daher entsprechend mehr wert ist. Als Richtwert gibt es dafür zahlreiche Datenbanken und Bewertungsmethoden, etwa von DEKRA classic über classic data oder classic analytics. Dadurch kann sich die zulässige Reparaturgrenze bereits nach oben schrauben. Sollte durch die Höhe des Reparaturaufwandes dennoch ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegen, ist zu prüfen, ob so ein Modell in vergleichbarer Ausstattung verfügbar ist. Ob der Geschädigte daher anstelle einer Reparatur auf einen (ihm nach dem Gesetz zustehenden) gleichwertigen Ersatz zurückgreifen kann - oder nicht. "Wenn so etwas nicht verfügbar ist, muss als Schadensgrenze der Wiederherstellungswert herangezogen werden", sagt der frühere Bundesinnungsmeister Komm.-Rat Fritz Nagl. Ein betroffener Autobesitzer sollte sich also nicht mit der herkömmlichen Totalschadensabrechnung abspeisen lassen. Schließlich fußt das Schadenersatzrecht des ABGB auf dem Grundsatz der Naturalrestitution. "Das Fahrzeug muss wieder in den Zustand gesetzt werden, wie es vor dem Unfall war." Daher kann beispielsweise ein mit 100.000 Euro bewerteter Mercedes auch um 130.000 Euro repariert werden.