AUTO-Information: Die Transformation der Automobilindustrie ist voll im Gange, das gilt auch für die Werke. Unter anderem werden in Zwickau ausschließlich Elektroautos gebaut: Welche anderen Standorte werden noch umgestellt?
Dr. Andreas Tostmann: Insgesamt wird es im Volkswagen-Konzern bis 2022 18 Werke geben, in denen Elektrofahrzeuge gebaut werden. An 8 dieser Standorte werden Fahrzeuge mit MEB-Baukasten gefertigt. In Europa werden im Anschluss an Zwickau auch die Werke in Hannover und Emden transferiert, um zu 100 Prozent Elektroautos zu bauen. Es folgen auch zwei Werke in China, nämlich Anting und Foshan. Auch unser nordamerikanisches Werk in Chattanooga wird den MEB bauen, allerdings in Kombination mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Außerdem ist der Aufbau einer Batteriezellenfertigung an einem norddeutschen Standort mit einem Partner beschlossen.
Sie haben vor einigen Monaten gesagt, dass VW die Effizienz der Produktion um 30 Prozent verbessern will. Wie soll das gelingen - und bis wann?
Tostmann: Wir wollen das bis 2025 schaffen, hoffentlich sogar etwas früher. Das heißt, dass etwa 5 Prozent pro Jahr notwendig sein werden, um den Renditeverbesserungshebel zu erreichen und die notwendigen Investitionen zu finanzieren.
Sind diese 30 Prozent ein Nachholbedarf, der früher verabsäumt wurde?
Tostmann: Nein. Unser erster Plan, nämlich eine Verbesserung um 25 Prozent zwischen 2010 und 2018, ist bereits übererfüllt. In unserem Produktions- Netzwerk ist ja sehr großes Know-how verbreitet, viele gute Dinge sind schon jetzt realisiert. Nun muss man diese guten Dinge sehr schnell dorthin geben, wo wir sie noch nicht haben. Die Herausforderung ist aber auch, dass man wissen muss, wie man mit einer Hochvolt-Produktion umgeht.
Für die Produktion von Elektroautos werden aber auch weniger Mitarbeiter benötigt. Wie stark wird die Belegschaft von Volkswagen in den kommenden Jahren sinken?
Tostmann: Es stimmt, dass beim Antrieb und bei den Komponenten um 20 bis 30 Prozent weniger Arbeitsinhalte anfallen als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Doch wir wollen auch ein Wachstum beim Volumen erreichen. Daher haben wirüber Beschäftigungsgarantien diskutiert und für einzelne Werke Zusagen gemacht, die sich bis auf das Jahr 2028 beziehen.
Wie sollen die Autohändler und -verkäufer, die ja das Verkaufen von Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren gewohnt sind, den Umstieg schaffen?
Tostmann: Die wesentliche Aufgabe des Handels ist, dass man dort unsere Produkte sehen, erleben und erfahren kann. Außerdem muss ein Händler seine Kunden für die Produkte begeistern. Wir werden die Mitarbeiter schulen und sie unterstützen, dass sie die Kunden argumentativ überzeugen. Zentral ist ja die Emotion dieser Fahrzeuge. Die Reichweitenangst ist bei unseren Modellen, die bis zu 550 Kilometer schaffen werden, ohnehin kein Thema mehr. Und die Autos werden zu einem Preis wie ein vergleichbarer Verbrenner angeboten werden.
Wie sieht der Elektroauto-Fahrplan von VW aus?
Tostmann: Wir planen, dass wir bei Volkswagen bis 2030 einen Neuwagenanteil von etwa 30 bis 40 Prozent rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge haben werden. Oder mehr. Bis 2028 werden wir im Konzern 70 vollelektrisch betriebene Modelle anbieten und bis dahin 22 Millionen Fahrzeuge fertigen.
Wann startet der Verkauf des Golf 8? Es soll ja zu Verzögerungen kommen, wie man hört.
Tostmann: Ich sehe keine Verzögerung. Wir haben immer gesagt, dass wir die Produktion des Golf 8 im 3. Quartal 2019 starten werden. Die Markteinführung ist für Anfang 2020 vorgesehen, da der Handel erst mit Fahrzeugen versorgt werden muss. Doch wir müssen darauf achten, dass sich durch die Einführung des ID.3 diese beidenwichtigen Produkte nicht gegenseitig blockieren.
Wie lange bleibt der Golf der meist verkaufte VW?
Tostmann: Der Golf ist nach wie vor der Golf, und wenn vom Golf 7 jetzt weniger verkauft wird, ist das am Ende eines Lebenszyklus ganz normal. Wie lange der Golf unsere Nummer 1 sein wird, muss der Markt bestimmen. Hier wage ich keine Prognose.
Wie sehr stören Sie die Unsicherheiten im weltweiten Handel in Ihren Aktivitäten?
Tostmann: Natürlich sind Streitigkeiten um den Zollbereich und andere Handelsbarrieren, etwa zwischen den USA und China, nicht förderlich für das Unternehmertum. Doch Gott sei Dank haben wir ein Produktionsnetzwerk in allen wesentlichen Kontinenten, mit dem wir solche Dinge ein Stück weit ausbalancieren können. Beim Brexit wäre es schön, zügig zu Klarheit zu kommen Die Unsicherheit über längere Zeit ist ein erschwerender Faktor.
Die EU hat für 2022 die verpflichtende Einführung von diversen elektronischen Systemen für neue Modelle angekündigt. Was bedeutet das für VW?
Tostmann: Selbstverständlich werden wir alle gesetzlich notwendigen Standards mit unseren Fahrzeugen erfüllen. Die Kunden werden sich darauf einstellen müssen, dass Mobilität in Zukunft teurer wird. Das betrifft alle Hersteller.
Bedeutet das auch das Ende des up!, wo sich solche Systeme ja stark im Preis auswirken?
Tostmann: Wir werden den up! demnächst als Batteriefahrzeug aufwerten. Mit der neuesten Batterietechnologie wird er eine Reichweite von 250 bis 300 Kilometer bekommen. Das wird seine Attraktivität deutlich erhöhen. Die Diskussion über ein Nachfolgemodell werden wir zur gegebenen Zeit führen. Wir überprüfen unsere Modellpalette regelmäßig, so haben wir zum Beispiel unsere Angebotsoptionen bei einigen Modellen reduziert, weil es mehr war, als der Markt erfordert hat.