Das Dekra-Gebrauchtwagenforum in Wien hat sich zu einer sehr feinen
Veranstaltung entwickelt: Die Dieselkrise und die Zukunft des
Autohandels standen heuer im Mittelpunkt.
Seit vier Jahren treffen sich Gebrauchtwagen-Interessierte in der
Beletage des Café Landtmann: Es sind nicht nur die
"Gebrauchtwagen-Awards", die gegen Ende der Veranstaltung vergeben
werden und die Vertreter der Importeure locken, sondern die stets
hochkarätigen Referate.
Das war auch heuer wieder so: Mag. Roland Strilka (Chefanalyst der
Eurotax) konstatierte die unterschiedlichen Entwicklungen bei den
Standtagen. "Das ist immer ein Indikator, dass sich am Markt etwas
bewegen kann." So seien in den vergangenen Monaten die Standtage von
gebrauchten BenzinPkws kontinuierlich leicht gesunken, während sie im
Dieselbereich leicht angestiegen seien. "Allein weil auch mehr Diesel
am Markt sind, führt das zu einem Druck auf den Preis. Und dieser
Trend wird sich in einer ähnlichen Form fortsetzen, weil immer mehr
Diesel auf den Gebrauchtwagenmarkt kommen." Laut Strilka wird der
Abbau des Überangebots immer schwerer zu bewerkstelligen sein, da das
Interesse flach ist. Auch die Umweltprämien könnten zu einer Delle
bei den Gebrauchtwagenpreisen führen; da diese Kaufanreize derzeit
aber offenbar "nicht allzu exzessiv" von den Kunden angenommen
werden, sei diese Gefahr im Moment eher gering.
Längere Standzeiten bei Dieselfahrzeugen
Laut Eurotax sind derzeit nur 36 Prozent der in den Börsen
geschalteten Anzeigen für Gebrauchtwagen "rund um den idealen
Angebotspreis versammelt". "Je länger die Standzeiten, desto teurer
wird es für den Händler, weil er das Auto ja für Probefahrten
betanken und reinigen lassen muss -außerdem erhöht die Finanzierung
die Kosten jeden Tag", sagte Strilka. Allerdings sieht er auch bei
Autos, die günstiger angeboten werden, kaum geringere Standzeiten.
Die Berechnung der Eurotax hat ergeben, dass die österreichischen
Händler jährlich etwa 21,7 Millionen Euro an Profit "verschenken",
weil die Fahrzeuge falsch bepreist werden. "Der Händler versucht,
schnell zu drehen, doch er kann dadurch nicht das ganze Wertpotenzial
ausschöpfen, was sich negativ auf den Ertrag auswirkt."
Prof. Willi Diez von der Hochschule Nürtingen- Geislingen (D)
präsentierte seine Studie "Autohaus 2025 -die Zukunft des
Automobilhandels": Seiner Meinung nach seien viele Händler zögerlich,
was digitale Möglichkeiten zur Absatzförderung betreffe. So hätten
nur 1,9 Prozent einen virtuellen Rundgang durch den Schauraum,
digitale Preisschilder seien nur bei 4,3 Prozent im Einsatz. "Da
frage ich mich schon, was das soll, wenn mir der Autoverkäufer
erzählt, was das Auto alles kann und ich ein Preisschild aus Papier
sehe." Außerdem sollten Livechats angeboten werden, um den Kunden bei
der Konfiguration von Neuwagen zu helfen.Diez kritisierte auch die
Hersteller, die die Händler bei ihren digitalen Vorhaben zögerlich
unterstützen.
Bessere Ausbildung wichtiger als neue Fliesen
Der deutsche Auto-Professor forderte auch besser qualifizierte
Mitarbeiter in den Autohäusern, weil die Kunden oft immer mehr
vorbereitet und mit genauen Vorstellungen in ein Autohaus kommen.
"Die Mitarbeiter benötigen ein hohes Maß an sozialer Intelligenz und
eine hohe Beratungskompetenz." Sie müssten die Fragen der Kunden auf
den Punkt beantworten können.
Aber auch die Hersteller sollten sich bei ihren Forderungen an die
Händler die Frage stellen, was letztlich wichtiger sei:
"Investitionen in ständig neue Fliesen oder nicht doch in die
Digitalisierung?" Auf die Veränderungen durch die Digitalisierung
gingen auch Mag. Michael Luipersbeck und Wolfgang Gschaider, BA, (die
Chefs von "Autohaus Digital") ein. 60 Prozent der Neuwagen-Kunden
seien zu Beginn des Kaufprozesses komplett unentschlossen, bei
welcher Marke sie letztlich landen würden, auch Gebrauchtwagenkäufer
würden oft spontan entscheiden.
"Kontaktpunkt verschenkt"
Da fast alle Kunden zuerst im Internet suchen (etwa mit den
Stichworten "Sicherster Family-Van Wien" auf Google), sei ein guter
Auftritt im Netz sehr wichtig. "Wenn man diese Worte eingibt,
erscheint meist weder ein Hersteller noch ein Händler, man hat also
den ersten wichtigen Kontaktpunkt verschenkt." Da 80 Prozent der
Anfragen via Handy erfolgten, müssten die Händler deutlich flexibler
werden als bisher - auch was die Finanzierungsmöglichkeiten bei einem
Kaufabschluss beträfen.
Übrigens: Die Gebrauchtwagen-Awards für besonders zuverlässige
Fahrzeuge gingen heuer an den Honda Jazz (Kleinwagen), BMW 1er
(Kompakte), Volvo S60/V60 (Mittelklasse), Audi A6 (Oberklasse), Ford
C-MAX (Vans), Audi Q5 (Geländewagen/SUVs), Audi TT (Sportwagen) und
an den Renault Master (Transporter). Überprüft wurden (vor allem in
Deutschland) mehr als 15 Millionen Autos.