Zeitphilosoph Franz J. Schweifer referierte humorvoll über die Zeit als Phänomen und als knappes Gut, zitierte Tisch- und andere Gebete, Weisheiten von John M. Keynes und brachte zuletzt seine Version des Vaterunser als Hommage an die „Zeitgewinnungsprothese“ unserer Tage, das „Smartphone Unser“.
In einem interessanten und kurzweiligen Referat stellte Alain Visser die Strategie der neuen Geely-Submarke Lynk & Co vor, als deren Vorstand er für Vertriebs- und Marketingagenden zuständig ist. Man habe das komplette Vertriebssystem – an dem sich in den letzten 100 Jahren nicht viel geändert hätte – hinterfragt und sich für einen Direktvertrieb mit Fixpreisen und nur sehr wenigen Modellvarianten entschieden. Die Servicearbeiten werden von Volvo-Händlern – die Marke gehört ebenfalls zum chinesischen Geely-Konzern – übernommen. Wichtig sei, dass die Marke und nicht das Produkt im Vordergrund stehe.
Das Autohaus hat definitiv Zukunft, ist Burkhard Weller von der deutschen Wellergruppe überzeugt – nämlich dann, wenn es einen Mehrwert in Form von Kundennähe biete. Nichts werde sich über Nacht verändern, die Digitalisierung löse in der Branche höchstens eine willkommene Evolution, eventuell auch eine Rückführung auf ein preiswerteres Niveau, aus. Die Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern müssten sich verbessern, die Autohäuser in die Innenstädte: „Wir müssen in einem Boot sitzen“, so Weller.
In der anschließenden Podiumsdiskussion führte Weller weiter aus, dass optimierte Prozesse eine nötige Entwicklung seien. Kundenrückrufe würden in der Wellergruppe z.B. vom Callcenter erledigt. Dass die Jugend generell als Kunde für die Autohändler wegbricht, glaube er nicht. Er stelle in Deutschland ein Land-Stadt-Gefälle bei der Akzeptanz und Notwendigkeit von Automobilität fest.
BGO Komm.-Rat Ing. Klaus Edelsbrunner betonte die Rolle der Händler als Dienstleister, die den Kontakt zum Endkunden hielten. Auf die Möglichkeit einer Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft angesprochen, sagte Edelsbrunner: „Wir sind eine starke Interessenvertretung am Puls der Zeit und deshalb glaube ich, dass wir auch in Zukunft in jedem Fall auch Mitglieder haben werden.“ Für kleinere Fachgruppen werde es allerdings in diesem Fall schwieriger, räumte Edelsbrunner ein. Zur behaupteten Ablehnung der jungen Generation gegenüber herkömmlicher Automobilität stellte er fest: „Wir verlieren die Jungen nicht, wir fangen sie mit 25, 27 wieder ein.“ Das Mobilitätsbedürfnis stelle sich ein, allerdings etwas später. Dass die Automobilindustrie „natürlich auch in Zukunft Händler braucht“, unterstrich Günther Kerle, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure. „Ein service- und reparaturfreies Auto, das man wegwirft wie ein Handy, ist noch nicht erfunden worden. Das Auto stellt einen ganz anderen Wert dar und ist in der Regel die zweitgrößte Anschaffung nach dem Eigenheim.“ Die Mobilität, so Kerle, werde in Zukunft noch individueller, egal, mit welchem Auto und mit welchem Antrieb.
Nikolaus Menches, Geschäftsführer Auto1.com, betonte, dass Auto1.com ganz klar Partner des Handels und keinesfalls dessen Gegner sei und viele Partnerschaften mit Händlern aufgebaut habe. Auto1.com habe letztes Jahr 330.000 Fahrzeuge an den gewerblichen Handel verkauft.
Damit neigte sich der 10. A&W-Tag zu Ende, wobei Gerhard Lustig, Herausgeber von „AUTO & Wirtschaft“ bereits den Termin für den 11. A&W-Tag bekannt gab: Er wird am 23. Oktober 2018 über die Bühne gehen. •