Die fortschreitende Digitalisierung wird auch am Aftersales-Geschäft
nicht spurlos vorbeigehen. Eine Unternehmensberatung wagt den Blick
in die Zukunft.
Laut einer neuen Studie von McKinsey&Company, die in Zusammenarbeit
mit der European Association of Automotive Suppliers (CLEPA)
durchgeführt wurde, wird bis 2030 ein um jährlich 3,1 Prozent
weltweit wachsendes Aftersales-Geschäft prognostiziert. Dies wäre
eine Steigerung von aktuell 698 Milliarden Euro auf 1,05 Billionen
Euro. Für Europa wird bis 2030 ein jährliches Plus von 1,5 Prozent
auf 247 Millionen Euro prognostiziert, in Nordamerika Zuwächse von
1,6 Prozent und in China ein jährliches Plus von 8,1 Prozent. Als
wichtigste Umsatzsäule im Aftersales-Geschäft wurde weltweit zu 53
Prozent der Bereich Verschleißteile ermittelt.
Neusortierung des Marktes
Den Prognosen zufolge ist in diesem Segment auch für die kommenden 10
Jahre ein gleicher Anteil zu erwarten. Dahinter folgen abgeschlagen
mit 12 Prozent Unfallreparaturen, wobei hier durch Verbesserungen bei
den Fahrzeugen und der Straßensicherheit mit einem Rückgang um 1
Prozentpunkt gerechnet wird. Für die kommenden 10 Jahre wird durch
neue Services, Digitalisierung und der Nutzung der Fahrzeugdaten und
neuen Technologien mit Zuwächsen um 3 Prozentpunkte in den Sparten
Diagnose (aktuell 9 Prozent) und Services, die bei 6 Prozent liegen,
gerechnet. In Europa werden 45 Prozent der Aftersales-Einnahmen durch
Instandhaltung und Reparatur der Fahrzeuge generiert, 55 Prozent
durch Einzel-und Großhändler.
Die Studienautoren gehen davon aus, dass sich die Konsolidierung in
Europa fortsetzen undähnlich wie in Nordamerika, wo 4 führende
Großhändler rund 40 Prozent des Marktes ausmachen, gestalten wird. Im
Jahr 2015 war Wessels +Müller mit 1,49 Milliarden Euro Umsatz der
größte Händler. Dahinter folgten Stahlgruber und Alliance Automotive
(beide mit jeweils 1,2 Milliarden Euro), EuroCar Parts (922
Millionen Euro), LKQ (858 Millionen Euro), Inter Cars (737 Millionen
Euro), Inter-Sprint Banden (674 Millionen Euro), The Parts Alliance
(604 Millionen Euro), Micheldever (446 Millionen Euro) und Europart
(405 Millionen Euro). Weiters prognostizieren die Experten, dass
durch neue Geschäftsmodelle die bestehende Aufteilung zwischen
Autoherstellern, Zulieferern, Distributoren und Werkstätten neu
sortiert wird.
Internet wird immer wichtiger
"Das Aftersales-Geschäft wird sich komplett verändern", ist Andreas
Cornet, Seniorpartner im Münchener Büro und Leiter der deutschen
Automobilberatung von McKinsey, überzeugt: "Neue Geschäftsmodelle wie
beispielsweise der Direktvertrieb von Autoteilen über das Internet
werden die bestehende Aufteilung neu sortieren." So sollen etwa
Autoteile vermehrt direkt über das Internet vertrieben werden: Bis zu
25 Prozent der Teile könnten es im Jahr 2030 sein. Nicht betroffen
wären komplizierte Komponenten wie Airbags oder Windschutzscheiben,
die weiterhin durch Hersteller oder unabhängige Werkstätten
vertriebenwerden.
Auf Veränderungen schlecht vorbereitet?
Aber auch digital-und datenbasierte Dienstleistungen wie Updates für
das Auto oder Echtzeit-Diebstahlschutz sehen die Experten immer mehr
an Bedeutung gewinnen. In 10 Jahren könnten bis zu 20 Prozent des
Umsatzes darauf entfallen. Parallel dazu würde durch verschleißärmere
Technologien wie elektrische Antriebe die Nachfrage nach Ersatzteilen
gedämpft werden.80 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, auf diese
Veränderungen schlecht vorbereitet zu sein. 42 Prozent rechnen mit
einem Rückgang der Profitabilität im Aftersales-Geschäft, 29 Prozent
können sich eine Margen-Verbesserung vorstellen.
Durch die fortschreitende Digitalisierung rechnen die Studienautoren
mit einer steigenden Preistransparenz. Bis zu 30 Prozent der Kunden
(in Europa) informieren sich vorabüber günstige Werkstätten. Neue
Wettbewerber wie Versicherungen oder Flottenmanagement würden
versuchen, sich Teile des Geschäfts zu sichern. Fahrdaten werden noch
mehr zu einem attraktiven Ziel, da sie einerseits helfen, den Kunden
besser zu verstehen, andererseits Service schneller angebotenwerden
können oder sogar warnen können, bevor ein wichtiger Bauteil im Auto
ausfällt. Mit den gesammelten Fahrdaten wird etwa den Versicherungen
ermöglicht, nutzerabhängige Versicherungen anzubieten. Es wird
erwartet, dass diese Versicherungsform in Europa -mit starken
Schwankungen in den einzelnen Ländern -bis zu 35 Prozent erreichen
kann.
Rasches Handeln bringt Vorsprung
"Zulieferer müssen jetzt handeln, um sich ihren Anteil am zukünftigen
Aftersales-Geschäft zu sichern", sagt Dirk Breitschwerdt, Co-Autor
der Studie. "Sie sollten eine Strategie umsetzen, die auf den eigenen
Stärken aufbaut -ob Kundenbindung, überlegenes Netzwerk oder
Technologieführerschaft."
Die Experten schlagen zur Umsetzung einen 3-stufigen Plan vor: Zuerst
ginge es darum, aus der Perspektive des eigenen Unternehmens die
Trends und Markt-Szenarien zu evaluieren. In einem weiteren Schritt
gelte es, die Auswirkungen der Veränderungen im Aftermarket auf das
eigene Unternehmen umzulegen, besonders auch was dies für den eigenen
Umsatz und die Rentabilität bedeutet. Abschließend dann im letzten
Schritt die spezifische Strategie und Positionierung abzuleiten sowie
Lücken in der derzeitigen und erwarteten Positionierung suchen, um
den erforderlichen "Fahrplan" zum Erfolg festzulegen. Zum frühen
Erfahrungssammeln rät Breitschwerdt das rasche Ausprobieren neuer
Angebote. Aber auch Kooperationen mit Start-ups aus dem Digitalumfeld
seien vielversprechend.
Matthias Pilter
Veränderung findet statt
Aus unserem täglichen Alltag ist es nicht mehr wegzudenken. Mit
wenigen Klicks ist das neue Buch, das zum neuen Sakko passende Hemd
oder welches Wunschstück sonst begehrt wird, online bestellt,
innerhalb kürzester Zeit dann bis vor die Wohnungstür oder - wenn es
der Arbeitgeber toleriert -bis ins Büro geliefert. Für uns praktisch
-für das Geschäft, wo wir bisher kauften, mitunter tödlich. So dürfte
es künftig auch im Aftersales- Geschäft nicht anders zugehen und
Unternehmen treffen, die sich nicht oder nur unzureichend auf die
fortschreitende Digitalisierung vorbereiten. Wer nicht rasch genug
links blinkt und mit neuen Konzepten oder spezifischen Strategien auf
die Überholspur wechselt - wie die Studie von Mc Kinsey&Company
einmal mehr verdeutlicht -, wird selbstüberholt werden und gezwungen
sein, künftig mit der Beklebung des Mitbewerbers unterwegs zu sein.
Oder im schlimmsten Fall mit seinem "Gefährt" am Schrottplatz sein
Ausgedinge finden.