Katia Wagner, junge Mitbesitzerin eines Beauty-Salons in Wien, hat
als kampflustige "Waxing Lady" den Vorschriftendschungel beim
Arbeitnehmerschutz ans Licht derÖffentlichkeit gezerrt.
Die Diskussion um das medienwirksame "Intim-Waxing im Schaufenster"
zeigt, dass eine Reform des Arbeitnehmerschutzes längst fällig wäre.
Der politisch Verantwortliche, Arbeits-und Sozialminister Alois
Stöger, hielt sich sorgsam in Deckung, während seine
Arbeitsinspektoren ins Kreuzfeuer der Kritik gerieten und zu
Buhmännern der Nation wurden. Die ehemalige Schönheitskönigin zeigte
Mut, sich mit den Behörden anzulegen. Ob ihre spektakuläre Aktion
letztlich vernünftig war, wird sich erst herausstellen. Denn die
Behörden sitzen am längeren Ast. Den Inspektoren ist zu
Kontrollzwecken jederzeit Zutritt zu gewähren -und die Zahl
derartiger Besuche ist nicht beschränkt. Es gibt so viele
Vorschriften zu überprüfen, dass die Liste der Beanstandungen mit
jedem Besuch im Salon länger wurde. Bis Wagner zusätzlich zur bereits
verhängten Verwaltungsstrafe von 5.000 Euro mit einer Betriebssperre
gedroht wurde. Bei "Gefahr in Verzug" kann der Betrieb laut
Rechtslage bis zur Behebung aller Mängel tatsächlich amtlich
versiegelt werden.
Unterstützung hat Beauty Wagner nicht nur beim damaligen
Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner, sondern auch bei den
NEOS gefunden: Nationalrat Sepp Schellhorn warf den vielen
Prüforganen vor, sich gegenseitig im Weg zu stehen. Etwa, wenn die
Lebensmittelpolizei Fliegengitter vorschreibe, die Arbeitsinspektoren
dann den Arbeitsplatz nicht ausreichend hell fänden.
Zur Rettung der Arbeitsinspektorate
Dr. Alexandra Marx, Chefjuristin der Arbeitsinspektorate im
Sozialministerium, nimmt dagegen in ihrem eigens dafür eröffneten
Blog die Inspektoren in Schutz. Diese agierten keinesfalls als
"wiehernde Amtsschimmel", sondern hätten in erster Linie den Schutz
der Arbeitnehmer sicherzustellen. Nach § 4 Arbeitnehmerschutzgesetz
(ASchG) sind primär die Unternehmer selbst dafür zuständig, "die für
die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Gefahren
zu ermitteln und zu beurteilen". Dazu müssen sie allerdings 132
Paragrafen und die rund 1.000 Erlässe und Verordnungen studieren,
welche die Arbeitssicherheit in allen Lebenslagen präzisieren. Das
gilt für alle Unternehmen (auch für alleKfz-Betriebe) - und zwar
bereits ab einem Mitarbeiter. Zur Einhaltung der Vorschriften sind
rund 300 Inspektoren auf Achse. 2016 haben sie 68.000 Kontrollen
durchgeführt - laut Marx auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen
unentbehrlich. Sonst könnten sich ja schleißige Betriebe Vorteile
gegenüber jenen herausholen, "die ihren Verpflichtungen umfassend
nachkommen".
Entrümpelung der Spielwiese
Klar ist: Die Beamten handeln als Vollzugsorgane der von Politikern
beschlossenen Gesetze und sind von deren Sinnhaftigkeit abhängig.
Gemäß § 25 Verwaltungsstrafgesetz sind sie verpflichtet,
Verwaltungsübertretungen von Amts wegen zu verfolgen -ein
"Wegschauen" birgt das Risiko, wegen "Missbrauch der Amtsgewalt"
strafrechtlich belangt zu werden. Die nun vielfach geforderte
"Entrümpelung" dient daher keinesfalls nur der Wirtschaft. Sie ist
auch zum Schutz der Arbeitnehmer in den Arbeitsinspektoraten
erforderlich. Damit diese nicht genötigt sind, die Einhaltung
sinnloser Vorschriften einzufordern -oder über deren Nicht-Einhaltung
rechtswidrig hinwegzusehen.
Das sollte auch dem Sozialminister bekannt sein. Der steht aber nach
den VP-Interventionen auf der Bremse -immerhin ist Arbeitnehmerschutz
angestammte Spielwiese von Arbeiterkammer undÖGB, wo Stöger seine
Funktionärskarriere gestartet hat. Und in deren Verlauf er bei
Auseinandersetzungen mit der Ärztekammer als Gesundheitsminister
stets um mehr Macht und Einfluss gekämpft hat.