Wer von E-Mobilität und automatisiertem Fahren spricht, der denkt in
erster Linie an die Elektronikschmieden in Kalifornien oder an den
genial vermarkteten Tesla von Elon Musk. Doch wir brauchen gar nicht
in die Ferne schweifen. Wir haben in Österreich einige Forscher, die
auf diesem Sektor auch ganz vorn mitmischen.
Etwa Atanaska Trifonova und Helmut Oberguggenberger, die am Austrian
Institute of Technology (AIT) mit dem Einsatz neuer Materialien für
neue Batterietypen experimentieren. Oder Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.
Hermann Steffan, an dessen Vehicle Safety Institute (VSI) an der
Technischen Universität Graz viele Fäden für das Auto von morgen
zusammenlaufen.
Als Maschinenbauer begann Steffans Karriere bei AVL List. Dort war er
an der Entwicklung diverser Simulationsmodelle beteiligt. Dieses
Knowhow transferierte er in die Unfallrekonstruktion und machte sich
mit einem Programm zur Rekonstruktion von Verkehrsunfällen mit der
Dr. Steffan Datentechnik GmbH selbstständig. Heute hat dieses
Unternehmen 35 Mitarbeiter und betreut weltweit 6.000 Installationen.
Sichere Leitschienen, effizientere Dummys
Als Frank Stronach 2004 an der TU Graz vier Lehrstühle stiftete,
wurde einer der Fahrzeugsicherheit gewidmet: Das Kompetenzzentrum
"Virtual Vehicle", das heute mit 200 Mitarbeitern mit den meisten
Automobilherstellern und Forschungsgruppen in aller Welt kooperiert,
holte sich den Steffan als wissenschaftlichen Leiter.
Anfangs stand die passive Sicherheit zur Milderung der Unfallfolgen
im Vordergrund. Ein Problem, das allen Autoherstellern auf den Nägeln
brannte. Dafür wurden sicherere Leitschienen und effizientere Dummys
entwickelt. Seit einigen Jahren liegt der Forschungsschwerpunkt bei
aktiven Sicherheitssystemen. "Mit denen sollen Unfälle überhaupt
vermieden werden", verweist Steffan auf neue Einsatzmöglichkeiten der
Halbleitertechnologie. Spezielle Sensoren wie Radar, Laser oder
Infrarot könnten die Straßenränder vor dem Fahrzeug überwachen. Wird
ein Fußgänger geortet, sollte der Fahrer zuerst gewarnt werden - und
wenn dieser nicht reagiert oder die Reaktionszeit zu lang dauert,
dann sollte zudem das Fahrzeug automatischgebremst werden.
Diese Erfahrungen fließen derzeit in die Weiterentwicklung autonomer
Fahrsysteme ein. Dafür wurden mit dreidimensionalen Scannern
Teststrecken mit einer Genauigkeit von zwei Zentimetern vermessen.
"Wir kennen genau jede Sichtweite, jede Straßenbegrenzung und jede
Fahrbahnmarkierung." Steffans Forscher in den TU-Laborsverknüpfen
diese objektiven Daten mit der Datenauswertung individueller
Testfahrten. Überprüft werden sowohl Daten aus Probefahrten auf
öffentlichen Straßen (Verhalten der Fahrzeuge in Standardsituationen,
etwa bei Hell-Dunkelkontrasten in Tunneleinfahrten) als auch Daten
aus Fahrten auf gesperrten Teststrecken, bei denen man das
Fahrverhalten in riskanten Situationen simuliert. "Das fließt dann in
die Algorithmen der Systeme ein."
Dies entspricht aus der Sicht Steffans der Situation von
Fahrschülern, denen man das richtige Fahrverhalten beibringen will.
"Bei uns lernen das halt die Autos." Die TU hat dafür auch jene
Spezialwerkzeuge entwickelt, um diese Tests überhaupt erst
durchführen zu können.
Größere Reichweite bei gleichem Volumen
"Die Teststrecke wird dann von einer GesmbH verwaltet, die sie allen
Interessenten zur Verfügung stellt." Die Gründungsgesellschafter
stehen mit Magna, AVL und der TU Graz bereits fest. An weiteren
Interessenten dürfte kein Mangel bestehen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt bei der Effizienz und
Sicherheit der Batterien der neuen E-Autos. Statt der bisher - etwa
bei Tesla - verwendeten Rundzellen wurden neue Batteriearchitekturen
mit einer doppelt so hohen Dichte entwickelt. Diese benötigen zu
ihrer Stabilität keinen massiven Rahmen - das bringt
Gewichtsersparnis.
Sie lassen sich besser kühlen, erlauben maßgeschneiderte Zellgrößen
und verursachen geringere Produktionskosten. "Das gibt ein Plus von
80 Prozent bei der Reichweite bei gleichem Volumen und gleichem
Gewicht", sagt Steffan. Ihm geht es nun darum, die optimale
Ummantelung und beste Positionierung dieser neuen Batterienherauszufinden.
Müssen Batterien wirklich getauscht werden?
"Wie erkenne ich, ob eine Batterie beschädigt ist?" Steffan schildert
weiters das Problem, da derzeit bereits bei kleinen Unfällen aus
Sicherheitsgründen die teuren Batterien getauscht werden. Aufgrund
seiner Erfahrungen aus der Unfallforschung wird anstelle der
bisherigen Thermoüberwachung an neuen Überwachungssystemen - sowohl
intern in der Batterie als auch extern im Auto - gearbeitet. Damit
soll die Gefahr eines Batteriebrandes bei Verkehrsunfällen, die
bisher für negative Schlagzeilen sorgten, minimiert werden. Alle
warten daher gespannt, mit welchen neuen Forschungsergebnissen die TU
Graz demnächst die Fahrzeugindustrie überraschen wird.