Softwarelösungen sind im gesamten Verkehrsbereich in einem scheinbar
unaufhaltsamen Vormarsch. Neben absolut positiven Hilfsmitteln wie
ABS, Gurtstraffern und Airbags werden das gesamte Motormanagement und
eine Vielzahl an Assistenzsystemen ausschließlich über Software
gesteuert.
An den automatisch gesteuerten Tempolimits im Straßennetz
blitzt es hinter dir, die per Software ausgefertigte Anonymverfügung
kommt automatisch und genauso automatisch funktioniert die Abbuchung
von deinem Konto. Die Krönung wird das selbstfahrende Automobil
darstellen, welches (jetzt noch) mit Lobeshymnen präsentiertwird.
Nichtsdestotrotz sollten wir uns die Frage stellen, ob wir der
künstlichen Intelligenz eigentlich schon gewachsen sind.
Der durch Software bedingte und von den Medien als VW-Skandal
bezeichnete Vorfall zeigte viele kuriose Nachwirkungen und
Eigenheiten unseres Rechtsstaates auf, aber am deutlichsten wurde,
wie hilflos alle staatlichen Kontrollorgane (mit Ausnahme der von
amerikanischen Interessen instruierten) sind. Dass die Formulierung
der Abgasrichtlinien mit genau festgelegten Fahrzuständen eine
Einladung für Software-Entwickler darstellte, diese Fahrzustände zu
identifizieren, war jedem Eingeweihten von vornherein klar. Abgesehen
davon gibt es Fahrzustände im hohen Geschwindigkeitsbereich, die
sowieso nicht erfasst sind. Vom teilweise zweifelhaften Zutun mancher
Chiptuner soll hier gar nicht die Rede sein. An den Pranger gestellt
müssten jene werden, die solch praxisfremde Regulative erfinden.
Richtlinien, die nur im Labor und nicht im Verkehr überprüft werden
können, sind per se praxisfremd.
Das Bild der totalen Hilflosigkeit wird abgerundet durch eine Justiz,
die das heiße Eisen gar nicht angreifen will oder kann und daher
einmal abwartet, wie in Deutschland entschieden wird. Was jedenfalls
geklärt werden müsste ist, ob jene, die behaupten einen Schaden
erlitten zu haben, tatsächlich einen solchen erlitten hätten. Im
Wesentlichen geht es um wirtschaftliche Interessen, und die werden
sich in Österreich sicher anders darstellen. Darüber hinaus sollte
man als einfach denkender Mensch meinen, dass der eigentliche Schaden
an der Umwelt und durch Steuerausfall entstanden wäre und wir alle
dafür aufzukommen hätten. Nicht zuletzt wären auch die technischenGrößenordnungen und Auswirkungen auf den Schadstoffausstoß des
Verkehrs abzuklären. Als einigermaßen erfahrener Praktiker behaupte
ich, dass Verhaltensweisen der Lenker und veraltete Verkehrstechnik
die Abgas-und Verbrauchswerte in zumindest gleicher Größenordnung
beeinflussen.
Letzteres Problem wird uns das selbstfahrende Auto wohl abnehmen.
Brav jede (vom Bauarbeiterübers Wochenende nicht entfernte)
30-km/h-Beschränkung einhaltend und mit optimiertem Gasfuß
beschleunigend, werden wir umweltschonend durch die Lande gleiten und
endlich genauso mit dem Handy spielen dürfen wie im öffentlichen
Verkehrsmittel. In der Zwischenzeit reiben sich Juristen schon dieHände für jene Verkehrsunfälle, wo auch der Sachverständige das
unausweichliche Schicksal nur bestätigen kann, aber das
Softwarewunder vielleicht doch einen Ausweg finden hätte
können/sollen/müssen.
Da sich unser Softwaregenie nur an dem orientieren kann, was ihm die
Straßeninfrastruktur vorgibt, werden unsere bislang eher
unbekümmerten Straßenbauverantwortlichen wohl auch etwas unruhiger
schlafen. Der Straßenraum wird einer klaren Strukturierung bedürfen.
Menschen haben sich gemäß gültiger Gesetzeslage eher unklaren
Verkehrssituationen anzupassen, der Begriff unklar kommt im Vokabular
der Software nicht mehr vor.
Eine andere Anwendung, wo derÜbergang auf eine Softwarelösung nicht
nur Vorteile gebracht hat, sind die elektronischen Tachographen.
Früher hieß es: "Tachoscheibe raus!" Eine Übung, die jeder normale
Polizist erledigen konnte. Heute gelingt es oft sogar nach
folgenschweren Verkehrsunfällen nicht einmal Gerichten, an Datenheranzukommen.
Wir haben einen langen Wahlkampf hinter uns. Eine Botschaft daraus
sollten wir beherzigen: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."
Software wird uns nurüberlisten, wenn wir sie ungehindert gewähren
lassen.
Dipl.-Ing. Heinz Lukaschek ist Ziviltechniker mit Schwerpunkt Verkehr