treitbar, herausfordernd und weitere tendenziell angriffige Eigenschaften sagt die Branche "dem Lustig" gerne nach. Eine ebenso hervorstechende, jedoch eher den raren weiblichen Branchenkolleginnen ins Bewusstsein dringende, ist sein Kaliber als Kavalier. -Eine unter dem Pseudonym Lisa Mann (Name der Redaktion bekannt) schreibende Journalistin erinnert sich:

"90er Jahre. Pressereise. Prag. Als junge Motorjournalistin strengt man sich an, der internationalen Führungselite des einladenden Autokonzerns korrekt gegenüberzutreten, also tauschte ich brav die kommode Testfahr-Kluft des Tages gegen abendfeine Pumps, Kostüm und Stoffmäntelchen. Stand ja kein Wort darüber in der Agenda, dass der Weg vom Hotel zum CEO-Dinner kein kurzer Hüpfer, sondern ein ausgedehnter Stadtspaziergang würde. Außentemperatur: gefühlte minus zwanzig. Nach wenigen Minuten war ich eingefrorener, als die derben Witze des dafür einschlägig bekannten Pressesprechers der Veranstalter-Marke es je geschafft hätten.

Gentlemen waren damals selten im Auto-Business. Gentlemen, deren Zuvorkommen keinen Haken haben, noch seltener. Somit schieden diverse zuvorkommende Aufwärm-Angebote klar aus. Doch dann tritt da dieser Kollege von der Branchen-Fachzeitschrift auf den Plan, nimmt ohne viel Umschweife meine Eisfinger in seinen kuschelig-wärmenden Erste-Hilfe-Griff, sagt:,Ich hab" immer warme Hände!" - und ist dabei keine Zehntelsekunde lang auch nur ansatzweise sowas wie anlassig.

Ich habe Herrn Lustig auf dem Weg durch Prag noch ein paar Mal zum Hände-Aufwärmen beanspruchen dürfen. Daraus wurde so etwas wie kollegiales Urvertrauen. Und das ist bis heute aufrecht. Ungeachtet aller Anfeindungen, Beschwerden und Zynismen, die ich mir im Lauf meiner Vollgas-Jahre -meist hinter seinem Rücken - über ihn anhören musste.

Nicht der angenehmste aller Journalisten

Ja, es wird schon so sein, dass er nicht der angenehmste aller Journalisten ist. Und vermutlich ist er auch nicht der generöseste aller Geschäftspartner. Aber ganz ehrlich: Das ist auch nicht sein Job. Um sich als Vertreter eines vielfach minder wichtig eingestuften Branchendienstes im Pulk fremd-und selbsternannter Motormedien-Superstars durchzusetzen, ist geschmeidige Jovialität nicht das Mittel der Wahl. Auch dieChance, aus hoch granularer Branchen-Berichterstattung ein Fachtitel-Imperium mit aufzubauen und dabei kleine Karosseriespenglereien genauso gut im Griff zu halten wie den - leider schon verstorbenen -großherzigen Patriarchen, der diese Verlags-Entwicklung ökonomisch stützte, nützt niemand erfolgreich, der nur in der Komfortzone daheim ist. Da braucht es schon Leidenschaft à la Lustig.

Nicht nur Freundliches

Nun wurde mir aufgetragen, für diese kleine Hommage auf keinen Fall nur Freundliches in die Tasten zu klopfen. Gut, mach" ich. Allerdings mit dem Beipackzettel, dass ich dabei nicht auf eigene schlechte Erfahrung zurückgreifen kann. Also aktiviere ich das Bauchgefühl und setze auf Hypothesen. Erste Vermutung: Gerhard Lustighat Glück, dass der Durchmarsch der digitalen und sozialen Medien - noch - einen Umweg um den Schrebergarten der heimischen Automotive-Szene macht. Diesen Online-Plattformen nähert er sich nämlich nicht mit warmen Händen, sondern eher mit spitzen Fingern. Zweites Postulat: Die reine Lehre vom journalistischen Ethos könnte hier und da schon mal kurzerhand vom Tisch gewischt werden. Da mag sich Meinung unter Fakten mischen, das Advertorial als Editorial posieren, aus Rachelust die Reportage wachsen. Doch andererseits soll das alles auch in viel prominenteren Medienbetrieben vorkommen. Dritte Annahme: Gerhard Lustig gehört nicht zu den Menschen, von denen man sich gerne bei Fehlern erwischen lässt. Es könnt" nämlich eventuell sein, dass er daraus Asse bastelt, die er bei passender Gelegenheit aus dem Ärmel zieht.

So, genug der Kaffeesud-Leserei. Dank meiner drei Hypothesen findet mein nächster Kontakt mit dem geschätzten Ex-Kollegen vermutlich weit jenseits aller Komfortzonen statt. Und ich frage mich gerade, ob ich wirklich will, was ich in fast drei Jahrzehnten beruflicher Begegnungen nie musste: nämlich ernsthaft mit Gerhard Lustig streiten. Irgendwie scheint mir, das könnte unlustig werden Andererseits: If you can"t stand the heat, stay out of the kitchen. Oder: Wer die hitzige Auseinandersetzung scheut, soll die Finger von Herrn Lustig lassen. Denn egal, ob im Guten oder im Schwierigen: Lauwarm ist der nie."