Spät, aber doch hat der VW-Konzern seine Elektro-/Hybridkompetenz aus dem Regal geholt. Auf der Pekinger Automobilmesse stellten die Wolfsburger Ende April die nächste Touareg-Generation T-Prime Concept GTE basierend auf der MLB-Plattform von Audi vor. Der Eindruck des Luxus-Hybrids ist vielversprechend im Design und in der Technik: fast ein schalterloses Cockpit mit zwei großen Displays (frei wählbares Instrumentenpanel und ein großer Infotainment-und Control-Screen). Der China-Touareg wartet mit 300 PS Systemleistung und satten 700 Nm Drehmoment auf; den Sprint von 0 auf 100 schafft der GTE in 6 Sekunden und riegelt erst bei 224 km/h Spitze ab. Elektrisch kommt das Auto bis zu 50 km weit.

SUVs verschaffen Respekt in den Großstädten

6,4 Millionen SUVs -ein Plus von 35 Prozent -wurden 2015 im Reich der Mitte verkauft: Die stürmische Liebe chinesischer Autokäufer versteht man erst, wenn man täglich mutig den Startknopf drückt und sich in den Verkehr einer Großstadt wie Shanghai stürzt. SUVs lassen die asiatische Klientel nicht nur höher aus dem Fenster schauen, sie bieten auch Schutz gegen den Kleinkrieg im Straßenverkehr. Rücksichtslos duellieren sich die Chinesen, schneiden einander und missachten oft Vorrangregeln.

Wer bremst, verliert, ist eine der ungeschriebenen Regeln, und Fußgänger sind auf den Zebrastreifen Freiwild. Ganz spannend wird es an den Mautstellen, wo um jeden Millimeter bis zum Schluss gekämpft wird; hier verschafft ein SUV Respekt und ist ein gutes Mittel zur Einschüchterung des Kontrahenten.

Auch 2016 wird der SUV-Absatz um ca. 6 Prozent zulegen, folgt man dem Trend der ersten drei Monate. Insgesamt 25 Millionen Autos könnten dieses Jahr neue Besitzer in China beglücken. Etwas düster sieht es im Limousinen-Segment aus: In den ersten drei Monaten wurden 10 Prozent weniger verkauft; die Lager bei vielen Händlern sind voll.

Elektro-und Hybridboom ungebrochen

Heuer setzt sich der Boom an New Energy Vehicles (NEVs) in China danküppiger Förderungen fort. Verständlich, dass auf der diesjährigen Auto Show in Beijing insgesamt 147 derartige Fahrzeuge um die Gunst der Käufer buhlten. Im 1. Quartal wurden 42.000 Elektro-und Hybrid-Pkws verkauft, darunter 777 Fahrzeuge von deutschen Herstellern. Die deutsche Automobilindustrie behauptet entgegen vollmundiger Ankündigung aus Vorjahren und dank "Angst vor Technologieklau" einen Marktanteil von 1,5 Prozent am Ende des 1. Quartals.

Angriff auf Tesla

BYD hat vom weltstärksten Serien-SUV seit Markt-Launch Mitte 2015 ganze 27.600 Stück verkauft. Die Wartezeit auf den Power-SUV Tang (505 PS, 720 Nm, elektronisches AWD mit drei Motoren) beträgt ab Bestellung beim Händler in Shanghai schon acht Monate. BYD kommt mit der Fertigung nicht nach, denn der chinesische Lexus ist ein Renner im wahrsten Sinn des Wortes. Vier weitere chinesische Hersteller folgen dem chinesischen Marktführer im NEV/SUV Segment, so auch Brilliance mit dem Mid-Size SUV V3

EV, Qoros und MG (i GS EV).

Auf der letzten Automobilmesse in Peking 2014 hat BMW mit großem Paukenschlag den Vollelektriker i3 vorgestellt und deutsche Technologieführerschaft demonstriert. Der schmächtige City-Flitzer ist der ganze Stolz der Bayern, zumal erstmals in einem Serienauto neue, innovative Technologien (Leichtbauwerkstoffe: Kohlefaser-Monocoque, Composites) zum Einsatz kommen. Zwei Jahre später werkeln BMW-Manager bei einem chinesischen Start-up-Joint-Venture zwischen dem Internet-Konzern Tencent (Wechat: das mobile Facebook in China) und iPhone-Produzenten Foxconn in Shenzhen. Die Forschungszentrale ist in München, assembliert wird in China.

Ein weiterer chinesischer Internet-TV-Riese (LeEco, LeTV) greift Tesla frontal an. Auf der diesjährigen Auto Show in Beijing stellte der Konzern, der im Bereich Consumer Electronics, Fahrzeugkonnektivität und Elektroautos arbeitet, drei Fahrzeuge aus den USA, China und Großbritannien vor: In England elektrifiziert LeEco den Aston Martin Rapide, in den USA wird der imageträchtige Supersportler Faraday Future entwickelt und in China rollt die Limousine LeSee bald vom Band. Der LeSee soll 211 km/h flott sein und existiert als Concept-Studie.

CH Auto hat ebenfalls vor zwei Jahren den Qian Tu K50 vorgestellt. In Beijing wurde die Produktionsversion enthüllt, die 2017 in Suzhou vom Band laufen wird. Die Fabrik ist für eine Jahresproduktion von 50.000 Einheiten ausgelegt. Der Qian Tu wird mit zwei Elektromotoren (408 PS und 650 Nm) auf 200 km/h beschleunigt, 0 auf 100 km/h schafft er in 4,6 Sekunden. Mit 108.000 US-Dollar ist er nicht unbedingt ein Schnäppchen.

Verbrennungsmotor ade in Europa?

Die Tage des Verbrennungsmotors sind gezählt, denn immer mehr Länder denken ernsthaft über Pläne nach, langfristig (2030+) nur mehr Fahrzeuge mit Elektroantrieb zuzulassen.

Dagegen läuft die deutsche Zulieferindustrie rund um den Benziner und Diesel Sturm, sind doch tausende Arbeitsplätze in Deutschland und auch in Österreich bedroht, wenn keine Getriebe, Turbolader, Einspritzsysteme, Abgasanlagen, Wasserpumpen und weitere Motorenkomponenten verbaut werden.

In zwei Jahren auch in Europa erhältlich?

Für den ÖAMTC wird ein Verbot durch Umweltbehörden noch als verspäteter Aprilscherz abgetan und deutsche Autoexperten sehen einen EV-Boom noch in weiter Ferne.

Wann gewinnen die deutschen Autopäpste die Einsicht, dass dem elektrische SUV die Zukunft gehört? In der Zwischenzeit bauen die chinesischen EV-Hersteller ihre Marktführerschaft in China weiter aus und werden ihre Elektro-Flitzer in zwei Jahren in Amerika und Europa verkaufen.

Die Götterdämmerung der traditionellen deutschen Automobilindustrie in China geht in die zweite Runde.