Das beginnt bei den Hersteller-Philosophien: Während die vermeintlich kleinen Hersteller wie Hankook, Falken und Nokian eine konsequente Wachstumsstrategie verfolgen, versuchen die etablierten Hersteller offenbar durch Kostenreduktion statt durch Umsatzsteigerung ihre Gewinne zu erhöhen. Werden bei den Erstgenannten zusätzliche Mitarbeiter gesucht beziehungsweise aufgenommen, verlieren bei den Zweitgenannten, Beispiel Goodyear, langgediente Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Ein eindeutiges Bild hat dazu die vergangene AutoZum in Salzburg gezeigt. Hankook, Falken und Nokian waren mit eigenen Ständen vertreten, der etablierte Rest präsentierte sich auf kleinen Tischen kostensparend im Rahmen des ReifenForums.

Geordnete Vertriebsstrukturen

Die Reifen sind ohnehin im großen Stil im Umlauf, könnte man meinen. Ohne geordnete Vertriebsstrukturen haben jedoch alle Hersteller Probleme mit einem unkontrollierten Angebot und dementsprechend mit fehlender Preistreue. Denn aus einer klaren Vertriebsstruktur wurde mittlerweile ein Bauchladen, aus dem sich (fast) jeder bedienen kann.

So wird heute kunterbunt geliefert: Direkt an Reifenfachbetriebe oder auch an Autohäuser, weiterhin an Großhändler und auch an die Teile(groß)händler. Dazu kommt das Internet -egal ob Fluch oder Segen. Nicht immer ist dabei allerdings klar, woher die Bestände kommen: Sind die Reifen tatsächlich verfügbar oder werden sie mehrfach auf verschiedenen Börsen angeboten. Diese Vorgehensweise verstärkt das Überangebot, das manchmal eben nur virtuell vorhanden ist.

Wer verkauft die Reifen?

Für den B2B-Kunden ist es oftmals schwer, zu unterscheiden, wem die Reifen gerade gehören und wo diese gelagert sind, wenn diese online angeboten werden. Während beim Online-Auftritt von klassischen Großhändlern wie Interpneu alle Reifen im eigenen Lager liegen, sind auf den Börsen von Delticomneben dem großen Anteil an lagernden Reifen auch Fremdbestände zur Vermittlung zu bestellen. Die klassischen Internetanbieter wie Tyre24 sind schließlich reine Vermittler. All das hat seine Berechtigung.

Wirklich problematisch wird es bei diversen unseriösen Börsen, die regelmäßig auftauchen und wieder verschwinden. Der Reifenhändler lässt sich hier leicht vom vermeintlich günstigen Preis täuschen. Mit den Sorgen bei Fehlbestellung, Fehllieferung, Beschädigung oder Reklamationen bleibt der Händler dann oftmals allein.

Hybrid-Händler

Wenn es eng wird in der Saison, darf wieder der Hybrid-Händler aus der Region herhalten. Also jener regionale Großhändler, der in Ermangelung des bisherigen Großhandelsgeschäftes immer mehr auf den Endkunden setzen muss, anstatt die Autohäuser, Werkstätten und kleinen Reifenbetriebe in der Region zu beliefern. Lange Zeit haben an diesem System beide Seiten verdient, das ist nun Geschichte.

Autohäuser und Werkstätten gewinnen

Das liegt auch daran, dass Hersteller und Großhändler die immer stärker werdenden Autohäuser und Werkstätten als Direktkunden forcieren. Abgesehen von der fehlenden Kompetenz haben die beiden Vorteile gegenüber dem Reifenhandel. Die Marken-Autohäuser sind durch die Werbemaschinerie der Automobilhersteller Weltmeister bei Kundenbindung und Marketing: Wenn VW in Österreich zum Winterreifenwechsel einlädt, steht die etablierte Reifenbranche im Schatten. Die wachsende Zahl der kleinen freien Werkstätten ist mit ihren niedrigen Stundensätzen beim Service erfolgreich und nimmt das Reifengeschäft locker mit. Lagerhaltung ist dort kein Thema. Hier wird alles just in time bestellt und geliefert, dementsprechend günstig ist die Kostenstruktur. Die moderne Logistik macht"s möglich.

Wer hält das Lager?

Mit rückläufiger Einlagerung kämpfen die Hersteller mittlerweile auch beim etablierten Reifenfachhandel. Abgesehen von schlechten Erfahrungen der vergangenen Jahre wissen viele Betriebe heute nicht mehr wohin mit den Depotkunden. Zudem steigt die Herausforderung mit der Vielfalt und Komplexität des aktuellen Reifenangebotes. "Bei allen Preiskämpfen gewinnt letztlich der, der liefern kann", ist VRÖ-Obmann James Tennant überzeugt. In den unterschiedlichen Vertriebskanälen wird es letztlich einen Mix aus den diversen Lieferanten verschiedener Ebenen geben. Die klassischen Strukturen sind Geschichte.