Beim kürzlich in Australien abgehaltenen Gipfel der 20 größten Industrienationen wurde wieder einmal über "Steuerflucht" diskutiert. Luxemburg war dabei als Steueroase in aller Munde. Das freute die Holländer, denn die waren am vorigen Gipfel in St. Petersburg dran. Auch damals hieß es: Schlupflöcher stopfen! In welches der beiden Länder sollen Konzerne nun ihre Gewinne transferieren?

Holländisches Steuereldorado

Die BMW Group hat sich schon vor einiger Zeit für Den Haag entschieden. Dort laufen Steuer sparend alle finanziellen Fäden zusammen. Den Aktionären von BMW - allen voran die Familie Quandt, mit 31 Milliarden Euro erstmals an der Spitze der reichsten Deutschen - ist das nicht zu verdenken. Denn Holland lockt schon seit Jahren mit "großzügigen" Steuerregeln. Wozu auf exotische Eilande wie die Bermuda-Inseln, Barbados oder Mauritius schweifen, wo Holland ist doch so nah - und dort geht das Steuersparen ganz legal. 12.000 mitarbeiterlose Gesellschaften sind dort registriert. Nach Erhebungen des deutschen Wirtschaftsprofessors Thiess Büttner von der Uni Erlangen liegt Holland damit im Ranking der Steueroasen unangefochten auf Platz eins.

BMW hat diese Oase nicht erfunden. Innerhalb der vergangenen 12 Jahre hat sich die Zahl der deutschen Konzerntöchter versechsfacht. Die Europäische Union hat es möglich gemacht: Früher waren bei Übersiedlungen in Steueroasen am bisherigen Firmensitz die stillen Reserven zu versteuern. Diese "Wegzugsteuer" wurde als EU-widrig ersatzlos gestrichen. Seither rittern Staaten wie Irland, Luxemburg oder Belgien darum, wie sie ihren Nachbarn ihre steuerlichen Konzernzentralen mit Steuergeschenken abluchsen können.

Steuern sparen auf luxemburgisch

In Luxemburg konnte man nun erstmals studieren, wie die staatlichen Steuersparmodelle funktionieren. So hat das Großherzogtum im Kampf um Steuerkunden 2006 die Vermögenssteuer abgeschafft und wurde somit zum Zufluchtsort für alle, die in ihrer Heimat Gewinne aus Aktienfonds und Aktieninvestments versteuern müssten. Das Kapital, das dort verwaltet wird, wird weltweit veranlagt. Nach sechs Monaten kann es wieder heimgeholt werden - die daraus lukrierten Zinsen bleiben steuerfrei. Damit wurde eine 2006 für diese Gewinne erdachte und aus österreichischer Sicht moderate Zinsabgeltungssteuer von 10 Prozent simpel und legal ausgetrickst.

2007 hat der damalige Luxemburger Finanzminister Jean-Claude Juncker ein seit 1991 existierendes Spezialfondsgesetz allen Privatinvestoren zugänglich gemacht. Selbst Ein-Anleger-Fonds sind seither möglich. Die Steuerprofis von PricewaterhouseCoopers (PwC) haben das gleich zu einem beliebten Steuersparmodell genutzt: Derartige Fonds, in denen Private oder Konzerne ihr Vermögen arbeiten lassen, brauchen ihre Veräußerungsgewinne nicht versteuern, zahlen keine Einkommenssteuer und können auch steuerfrei ihre Erträge ausschütten. Lediglich 0,01 Prozent des angehäuften Vermögens sind jährlich abzuliefern. Einen Haken gibt es für österreichische Steuersparer: Um mitzuspielen, muss man mindestens 1,25 Millionen Euro nach Luxemburg transferieren.

Österreichische Dachgesellschaft

Von den Holländern konnte Juncker lernen, wie man mit dem sogenannten "Schachtelprivileg" Konzerne ködert: Die 2005 eingeführte EU-Fusionsrichtlinie macht"s möglich. Bei der Gründung einer Holding können mit ihrer Hilfe die Vermögenswerte von Tochtergesellschaften steuerneutral auf die Holding übertragen werden. "Im Idealfall vereinnahmt eine Holding die Dividende der Basisgesellschaft, an der sie zumindest zu 10 Prozent beteiligt ist, steuerfrei und versteuert ihre Beteiligungserlöse nicht", charakterisiert Siegfried Siewert vom Finanznachrichtendienst "GoMoPa" diese gängige Praxis.

Den BMW-Finanzprofis sind all diese Gestaltungsmöglichkeiten geläufig. Bei einem Konzern, der 2013 rund 76 Milliarden Umsatz erwirtschaftete, ist das auch nötig. So kommt es, dass den Aktionären unter dem Strich -nach Zinsen, Steuern und Abschreibungen -5,3 Milliarden Euro verblieben sind. Das ergibt eine Umsatzrendite von knapp 7 Prozent, wovon nicht nur BMW-Händler, sondern auch andere Autobauer nur träumen können.

AUTO&Wirtschaft hat bereits im März 2012 analysiert, wie ein Teil der weltweit erwirtschafteten Gewinne über das österreichische Schachtelprivileg zur BMW Holding BV nach Holland wandert - und zwar über die kleine, aber feine BMW Österreich Holding GmbH. Unter ihrem Dach befindet sich nicht nur die Motorenfertigung der BMW Motoren GmbH mit einem Umsatz von knapp 3,4 Milliarden Euro (2013). Bei ihren fünf Mitarbeitern laufen auch die Finanzen großer Töchter wie etwa in Russland oder China zusammen. In Österreich werden die Erträge dann als Holding-Gewinn kumuliert und an die holländische Mutter weitergereicht.

Als Ergebnis der "gewöhnlichen Geschäftstätigkeit" wurden im Jahr 2013 knapp 1,4 Milliarden Euro ausgewiesen. Nach Abzug der Steuern verbleibt in der Bilanz der Österreich-Holding ein Jahresüberschuss von knapp 1,3 Milliarden, der laut Beschluss der Holding-Mutter in Holland "auf neue Rechnung" vorgetragen wird. Wie hoch die Steuerquote der BMW Group in Österreich ist, war auf Anfrage übrigens nicht in Erfahrung zu bringen: Man weise derartige Zahlen nur auf Konzernebene aus, teilte das Unternehmen mit.

Spartipps für "Normalsterbliche"

Für den BMW-Konzern gäbe es natürlich eine zusätzliche Alternative, weniger Steuern zu zahlen: Es müssten bloß die Spannen der BMW-Händler erhöht werden. Aber ein derartiger Vorschlag dürfte bei den Eigentümern nicht ganz so gut ankommen. Doch auch für die vergleichsweise armen Schlucker im Handel hat Finanzprofi Siewert eine Sparlösung parat: einen Gewinnabführungsvertrag mit einer englischen Limited, wobei die in Österreich erwirtschafteten Gewinne der englischen Muttergesellschaft abgeführt werden. Auf Gewinne bis 300.000 Pfund fallen 20 Prozent an. Zusätzlich kann sich der englische Steuerberater noch ein bisserl den Kopf zerbrechen, wie über Luxemburg auch die Gewinnausschüttung Steuer schonend zu gestalteten ist.

Auf jeden Fall sollte man aber vermeiden, die Steuerkonstruktion desösterreichischen Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser zu kopieren. Außer man kann nachweisen, dass diese auf Empfehlung des nunmehrigen EU-Kommissionspräsidenten Juncker basiert!