Wann funktioniert ein Geschäftsmodell? Abhängig von Branche und individueller Philosophie, würden Unternehmer unterschiedlich antworten. In einem wären sie sich zweifellos einig: 0,4 Prozent Umsatzrendite reichen nicht aus, um über die Runden zu kommen. Doch genau das war der Durchschnittswert, auf den der Autohandel 2008 gekommen ist. "Heuer werden es nur noch 0,2 oder 0,3 Prozent sein, vielleicht rutschen wir sogar in die Verlustzone", prognostiziert Burkhard Ernst, stellvertretender Gremialobmann des Fahrzeughandels.

In Deutschland gelten rote Zahlen schon als traurige Gewissheit. "Ob es ein Minus von 0,3 oder 0,4 Prozent wird, ist schlussendlich nicht entscheidend", meint Ulrich Fromme, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. "Was wir brauchen, ist ein neues Geschäftsmodell." Eine von Fromme geführte Arbeitsgruppe hat ein Grundlagenpapier ausgearbeitet. Im Mittelpunkt: neue Ideen, um die Rendite wieder auf ein Mindestmaß zu heben.

Unvermeidliche Reformen

Darüber wird auch in Österreich nachgedacht. "Selbst Unternehmer, die noch wirtschaftlich gesund sind, fragen sich, ob sich ein Weitermachen überhaupt lohnt", sagt Dr. Alexander Martinowsky, Vorstandsvorsitzender von Wiesenthal. Für sein Unternehmen, das in sechs Ländern über 1 Milliarde Euro Jahresumsatz erwirtschaftet, fällt die Antwort eindeutig positiv aus. So mancher kleine Händler sucht dagegen nur noch die beste Gelegenheit für den Ausstieg.

Das Geschäftsmodell des Autohandels müsse reformiert werden, ist auch Martinowsky überzeugt: "Zumindest 2 bis 3 Prozent Umsatzrendite sind unabdingbar, um auf eine Gesamtkapitalrendite von 6 bis 8 Prozent zu kommen. Sonst wird es schwer, Investoren zu gewinnen." Diese Werte müssten zu einem Gutteil aus dem Neu-und Gebrauchtwagengeschäft kommen, denn die Quersubventionierung aus dem Aftersales ist für Martinowsky keine nachhaltige Lösung: "Um ein fehlendes Prozent Umsatzrendite auszugleichen, sind 6 Prozent Mehrerlös aus dem Arbeitszeitverkauf nötig", kalkuliert Martinowsky. Eine "schwarze Null" im Verkauf würde rund 15 Prozent Mehrertrag in der Werkstatt erzwingen -unmöglich, wie die tägliche Praxis beweist.

"Stärkung der Restspannen"

Wie findet der Neuwagenverkauf aus der Krise? "Das kann nurüber eine Stärkung der Restspannen erfolgen", sagt Martinowsky. Derzeit würden Kosten von 8 bis 9 Prozent einer Restspanne von 4 bis 6 Prozent gegenüberstehen. Diese Differenz auszugleichen, zwingt die Händler in immer absurdere Bonifikationssysteme, die sich nur am Absatzvolumen orientieren.

"Wir brauchen mehr Transparenz und Kostenwahrheit", fordert Martinowsky. SeineÜberlegung: Einerseits sollen sich die Hersteller stärker an den Vertriebskosten - etwa aufgrund von Vorführwagen und baulichen Standards -beteiligen, andererseits soll ein von den Autobauern finanziertes Ausgleichssystem geschaffen werden, das sich am allgemeinen Rabattniveau orientiert. Klettern die Nachlässe in die Höhe, würden auch die Spannen steigen -und die Hersteller so zu zurückhaltender Stückzahlpolitik motiviert.

Neues Mobilitätsbewusstsein

Nur jene Geschäftsmodelle, bei denen sich Hersteller und Handel deutlich enger verzahnen, werden der Schlüssel zum Erfolg sein. Davon waren auch die Experten beim AVL-Kongress in Graz überzeugt. Gleichzeitig erwarten sie, dass sich der grundsätzliche Zugang zur Mobilität ändert. Für den Marktforscher Dr. Konrad Wessner ist klar, dass Mobilität zwar ein menschliches Grundbedürfnis, aber keineswegs unveränderlich ist. Künftig werde sie sich an den jeweiligen -durchaus wandelbaren - Lebensumständen orientieren und im urbanen Raum anders aussehen als am Land, in der Jugend anders als im Alter.

Diese Bewusstseinsänderung wirkt sich unweigerlich auf den Fahrzeugverkauf aus: Die erste Frage beim Verkaufsgespräch der Zukunft muss daher klären, wie das individuelle Mobilitätsbedürfnis des Käufers ausschaut. So wird bei der Hälfte der derzeit in Europa zurückgelegten Fahrstrecken die 30-Kilometer-Grenzenicht überschritten, der Großteil davon im Stoßverkehr. Das zeigt, dass die Stauqualität des Autos langsam wichtiger wird als seine Fahrqualität.

Software statt Hardware

Danach geht es um die Finanzierbarkeit der Mobilität, die nicht nur kurzfristig am jeweiligen einzelnen Autokauf orientiert ist, sondern am "customer lifetime value". Schließlich bleibt das Mobilitätsbedürfnis des Kunden ein Leben lang erhalten, es ändert sich nur in seinen einzelnen Ausprägungsformen.

Der Kunde kauft im Grunde kein Auto, er kauft rationale und emotionale Bedürfnisdeckung. "Software statt Hardware", lautet die Devise. Die Frage nach den monatlichen Kosten wird mit der Entemotionalisierung immer mehr im Vordergrund stehen. Ein Betriebskostenvergleich wird bei jedem Verkaufsgespräch zur Pflichtübung. Rentiert sich ein Kauf? Muss ich eine ganze Kuh kaufen, um ein Glas Milch zu kriegen?

Gefährliche Wettbewerber

Der Verkauf der Finanzierung langfristiger Mobilität wird letztlich ein besseres Geschäft werden als der nackte Autoverkauf. Warum sollte der Kunde überhaupt ein Auto kaufen, wenn ihm der Einkauf von Kilometerleistungen -analog etwa der Bahn -sinnvoller erscheint?

Verschläft der Autohandel diesen "Autoverkauf" der Zukunft, werden ihn andere machen. Zum Beispiel Dienstleister, die aus dem Finanzierungssektor kommen und über genügend Kapital verfügen, um die im Hintergrund erforderliche Hardware -individuelle Automodelle -zu finanzieren. Oder Versicherungen, die damit ihre bisherige Produktpalette erweitern. Oder ein neuer Typ von Mobilitätsdiscounter, der die Sehnsucht nach Mobilität, verbunden mit Individualität und Einfachheit, am kostengünstigsten abzudecken versteht. All das sind Großeinkäufer, die bei den Herstellern Konditionen bekommen, von denen Autohäuser nur träumen können. Das Wartungs-und Reparaturgeschäft werden die neuen Wettbewerber nur in Ballungszentren selbst betreiben, sonst aber Werkstätten auf Franchisebasis hinzuziehen.

Endlich wieder Geld verdienen

Es kommt zur Flexibilität der Finanzierbarkeit der Mobilität. Schon heute sollte bei Raten-oder Leasingverkäufen eine Restschuldversicherung mitverkauft werden, damit der Kunde bei einem ungeplanten Ende seines Fahrzeuges nicht mit unerwarteten Finanzierungslöchern konfrontiert wird. Gleichzeitig sollte bei Leasingverträgen ein markenübergreifender "Car-to-Car-Exchange" möglich sein. Die Marktforschung zeigt nämlich, dass der moderne Käufer hohe "Budgetsicherheit" verlangt. Das Kundenpotenzial liegt dafür bereits bei 20 Prozent, Tendenz steigend.

Der Autohandel der Zukunft erfordert also nicht nur neue Margensysteme. Er braucht auch neue Verkäufer -mit neuem Mobilitätsverständnis, neuen Trainingsmethoden und neuen Entlohnungssystemen. Höhere Rabatte zu gewähren oder billigere Autos zu verkaufen, reicht künftig nicht mehr aus. Es geht um sinnvolle und erschwingliche Mobilität, und das ist gut so: damit es innovativen Autohäusernendlich wieder möglich ist, mit dem Verkauf Geld zu verdienen.