Zwischen Honeywell (mit Bremsenmaterial der Marken Jurid und Bendix)
und Kastner (Autoteile und Werkstattausrüstung) besteht eine
jahrzehntelange Geschäftsverbindung. Kürzlich wurde diese Kooperation
für eine Kundenreise nach Hamburg genützt, an der AUTO&Wirtschaft
teilnehmen konnte.
Die Reise, an der rund 30 Kastner-Kunden aus der Steiermark sowie
Tirol und Vorarlberg teilnahmen, wurde von Marketingleiterin Mag.
Barbara Kieslinger, Frau von Firmenchef Mag. Ernst Kieslinger,
perfekt organisiert. In Mittelpunkt stand ein Werksbesuch bei
Honeywell im Werk Glinde bei Hamburg, in dem neben der Herstellung
das wichtigste Entwicklungszentrum der Bremsendivision konzentriert
ist. Der Konzern beschäftigt rund 128.000 Personen in 100 Ländern und
erzielte zuletzt einen Gesamtumsatz von 36,6 Milliarden Euro in den
Bereichen Luftfahrt, Automation, Spezialmaterial und
Transportsysteme.
Mix aus einer ganzen Menge Rohstoffe
Im Bereich Transportsysteme sind Bremsbeläge eines der Hauptprodukte
des Unternehmens. Von ihnen wurden in der Vergangenheit pro Jahr
durchschnittlich 115 Millionen Stück in Europa, im Fernen Osten sowie
in Brasilien und Australien gefertigt. Im Rahmen der EU beträgt der
Anteil des IAM (Independent Aftermarket) 25 Prozent vom Gesamtumsatz.
Das ist ungefähr gleich viel, wie das Unternehmen mit Großkunden wie
VW und PSA erzielt. In einem Vortrag, aus dem diese Daten stammen,
wurde den Reiseteilnehmern der Aufbau von Bremsbelägen erläutert: Die
Reibschicht - aus 20 bis 30 verschiedenen Rohstoffen gemixt - sitzt
mit einem Unterleger auf der Trägerplatte auf. Die Produkte müssen
nicht nur steigenden ökologischen Auflagen (nach Antimon, Blei und
Cadmium künftig auch kein Kupfer), sondern überdies unterschiedlichen
Anforderungen gerecht werden. Wird in den USA maximale Staubfreiheit
gefordert, steht in Europa die Leistungsfähigkeit an erster Stelle.
Analysiert nach Strich und Faden
Das Werk von Honeywell in Glinde ist in weit auseinanderliegenden
Hallen untergebracht, die in einem idyllischen Waldstück verborgen
sind. Das Erbe eines Rüstungsbetriebs aus dem 2. Weltkrieg. Die
Entwicklung von Honeywell ist in einem eigenen Gebäude untergebracht,
das an die 20 Prüfstände in einer großen Werkhalle, angeschlossene
Büros mit den Steuergeräten für die Testeinheiten und einen eigenen
Laborkomplex für Materialuntersuchungen umfasst. Dass Vertrauen gut,
aber Kontrolle besser ist, wird hier in jedem Arbeitsschritt
vorexerziert. Rohstoffe, die ins Werk kommen, werden nach Strich und
Faden analysiert. Genauso wird jede Charge aus der
Bremsbelagherstellung auf ihre Funktionstüchtigkeit undinsbesondere
auf Geräuschfreiheit geprüft. Im Mittelpunkt der Entwicklung steht
jedoch die Arbeit an der Erfindung neuer Beläge. Offenkundig gibt es
kaum einen Fahrzeugentwickler, der zu einem neuen Modell nicht auch
einen eigenen Bremsbelag kreiert. Das beschert der Branche -ohne
World WildlifeFund - eine Artenvielfalt, die sich gewaschen hat und
im IAM-Bremsenbusiness für eine sensationelle Zahl von Artikelnummern
sorgt. Als Grundlage werden in der Entwicklungsabteilung entweder die
Vorgaben der Hersteller herangezogen oder eigene Projekte (wie Beläge
ohne Kupferbeimischung) angegangen. In den Langlauftests auf Geräten,
die von den Honeywell-Technikern selbst entwickelt und auch an andere
Firmen weiterverkauft werden, werden der Wirkungsgrad und die
Haltbarkeit der Beläge gecheckt. Zusätzlich gibt es eine eigene
Geräuschabteilung, die dafür verantwortlich ist, dass Beläge und
Scheiben möglichst geräuschlos funktionieren. Die einzelnen Produkte
werden jeweils zumindest samt Federbein, wenn nicht der gesamten
Achse in die Probeläufe geschickt.
Geisterstadt und Nachtleben
Die eigentliche Stunde der Wahrheit schlägt jedoch nicht am
Prüfstand, sondern in den Praxistests. Dafür unterhält Honeywell eine
eigene Abteilung, der jeweils für 18 vollzeitbeschäftigte Piloten 40
bis 50 Fahrzeuge -vorwiegend von deutschen Premiummarken -zur
Verfügung stehen. Die Autos werden geleast, gekauft und manchmal von
denHerstellern bereitgestellt. An den mit viel Messtechnik
ausgestatteten Boliden wird im Straßen-und Fernverkehr sowie auf
diversen europäischen Rundstrecken ausschließlich die Wirkungsweise
der Bremsen oder sogar nur die Geräuschanfälligkeit getestet. Die
Produktion geht an vollautomatischen, nummerisch gesteuerten
Maschinen über die Bühne. Sie läuft ab in nahezu menschenleeren
Hallen. Abgesehen von der Steuerung und Überwachung kommt nur beim
Beschicken der mit Transportbändern verbundenen Automaten und der
Entnahme der Fertigung lebendige Arbeit zum Zug. Jedes Mal wieder:
Beeindruckend war, was für ein großer Aufwand erforderlich ist, nur
um einzelne Teile von Fahrzeugen funktionsgerecht zu produzieren. In
dem Sinn eine Geisterstadt ist, wie diese Reise ergeben hat, auch der
Hamburger Hafen, wo ebenfalls mit immer weniger Beschäftigten immer
gewaltigere Warenmengen umgeschlagen werden. Etwas, das man vom
Nachtleben der Stadt (Stichwort: Reeperbahn) zumindest vorläufig
nicht sagen kann. (LHO)