Ein dreiviertel Jahr vor den Kammerwahlen startet Burkhard Ernst
einen neuen Vorstoß gegen die Restwertbörsen. Seine Verbündeten sind
die Konsumentenschützer, seine Geheimwaffe ein neues Rechtsgutachten.
Kommt es zum Musterprozess oder bleibt es beim Theaterdonner?
Kein guter Tag für die Besitzerin eines Hyundai Atos: Als sie zu
ihrem geparkten Auto kam, musste sie feststellen, dass es rundherum
zerkratzt wurde. Die Haftpflichtversicherung ermittelte für den sechs
Jahre alten Kleinwagen mit 95.000 Kilometer Laufleistung einen
Wiederbeschaffungswert von 1.200 Euro und Reparaturkosten von 2.000
Euro. In einer Restwertbörse wurden 1.600 Euro geboten, doch die
Oberösterreicherin wollte nicht verkaufen. Die Folge: Die
Versicherung verweigerte die Zahlung. Pech hatte auch jene junge
Gallneukirchnerin, für deren Auto ein Wiederbeschaffungswert von 960
Euro und ein Restwert von 1.007 Euro ermittelt wurde. Wolle sie ihr
Auto nicht über die Wrackbörse verkaufen, so die Versicherung, müsse
sie die Differenz einzahlen. Beide Fälle landeten bei Robert
Wurzinger, Referent der Arbeiterkammer Oberösterreich: Im Schnitt
wird er alle zwei Wochen mit den umstrittenen Restwertbörsen
konfrontiert.
"Gesprächsangebote ignoriert"
"Die Wrackbörse ist und bleibt eines der brennendsten Anliegen
unserer Mitgliedsbetriebe", betont Burkhard Ernst, Wiener
Gremialobmann des Fahrzeughandels. Nach vier Jahren ergebnislosen
Verhandelns ist seine Geduld am Ende: "In den vergangenen Monaten
wurden unsere Gesprächsangebote von der Versicherungswirtschaft nicht
einmal mehr ignoriert." Ernst schlägt daher andere Töne an: Ein
Musterprozess soll ein für alle Mal klären, ob die Wrackbörsen
rechtlich zulässig sind. Diesen Vorstoß unternimmt er nicht allein:
Zwar ist Bundesgremialobmann Dr. Gustav Oberwallner auffällig leise,
doch die "Koalition der Willigen" umfasst die Bundesinnung der
Kfz-Techniker und die Arbeiterkammern. Dort beschäftigen sich
Wurzinger sowie seine niederösterreichischen Kollegen Werner Krisch
und Martin Pohnitzer mit der Thematik.
Brisante Expertise
Ernst vertraut auf ein neues Gutachten von Dr. Helmut Ofner,
Professor am Wiener Juridicum. "Der Geschädigte kann nicht dazu
gezwungen werden, das Wrack an einen von der Versicherung ermittelten
"Bestbieter" zu veräußern", hält Ofner fest. Die Wertermittlung muss
auf einen realistischen Durchschnittspreis, nicht aber auf ein
Höchstgebot abzielen. Außerdem seien Angebote aus anderen Regionen
oder gar Osteuropa nicht zu berücksichtigen: "Der Markt für die
Ermittlung des Wrackpreises bei Ersatzbeschaffung und Verkauf ergibt
sich aus den regionalen Kfz-Händlern und Werkstätten. Auszuklammern
sind Angebote von spezialisierten Wrackkäufern, die überregional
tätig sind."
"Pharisäerhafte" Autohändler?
Die Kfz-Versicherungen, die sich mit Ausnahme des
Branchenversicherers Garanta allesamt der Wrackbörsen bedienen,
bleiben gelassen. "Selbstverständlich sind
Restwertermittlungsplattformen geeignet, um Wrackwerte
festzustellen", sagt Dr. Erik Eybl, Schadensleiter der Generali und
Vorsitzender des Schadensausschusses im Versicherungsverband. Nur
regionale Bieter zu berücksichtigen, sei längstüberholt: "Das stammt
aus einer Zeit, als kaum jemand aus seinem Tal herausgekommen ist."
Die Versicherungen bekommen ebenfalls juristische Rückendeckung: "Die
Händler sollen doch nicht so pharisäerhaft auftreten", meint der an
der Universität Aachen lehrende Oberösterreicher Dr. Christian Huber.
Schließlich gehe es ihnen um eine Zwischenhändlerfunktion, auf die
sie rechtlich keinerlei Anspruch hätten. Ganz zufrieden mit dem
gegenwärtigen System ist aber auch der Studienkollege von
Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner nicht: "Es kann nicht
sein, dass der Geschädigte alle möglichen Wrackbörsen abklappert,
Gespräche mit Interessenten zu führen hat und sich dann vielleicht
auch noch um das Eintreiben des Kaufpreises kümmern muss."
Bruchstellen in der Allianz
Bei den Versicherungen gelobt man, derartigen Unbill von den Kunden
fernzuhalten. Huber schlägt dennoch eine interessante Alternative
vor: Die Versicherungen sollten kurzerhand die Wracks ankaufen, um
sie danach zu verwerten. "Damit wäre das Problem aus Kundensicht von
heute auf morgen gelöst", meint der Jurist. Könnten die
Konsumentenschützer damit leben? "Natürlich wäre die Abschaffung der
Wrackbörsen der Idealfall", sagt Pohnitzer. "Vor allem geht es uns
aber darum, dass die Versicherungen nicht Risiken und Kosten auf die
Autofahrer abwälzen." Auch die AK Oberösterreich fordert nicht
unbedingt ein völliges Ende der Wrackbörse. "Die Vorgangsweise der
Generali, dieses Instrument erst bei Fahrzeugwerten über 2.000 Euro
einzusetzen, geht in die richtige Richtung. Wünschenswert wäre aber
eine 4.000-Euro-Grenze", meint Wurzinger. Außerdem sei bei
Haftpflichtschäden die Totalschadensgrenze nach deutschem Vorbild von
110 auf 130 Prozent des Wiederbeschaffungswerteszu erhöhen.
Wackelige Erfolgsaussichten
Die Kfz-Betriebe werden sich damit kaum zufrieden geben: Bis zu
50.000 Autos werden jährlich über die Wrackbörsen verkauft, das
bedeutet Verluste im zweistelligen Millionenbereich. Nicht nur das
Eigeninteresse jeder Werkstatt spricht gegen dieses Vorgehen: Dass
durch die Reparaturverlagerung ins Ausland Wertschöpfung verloren
geht, kann niemand bestreiten. Ernst führt seinen Kampf gegen die
Wrackbörsen engagiert und öffentlichkeitswirksam. "Kommerzialrat
Wrack" wird er von dem einen oder anderen Versicherer daher genannt.
Mit seinem Einsatz empfiehlt sich der Interessenvertreter für höchste
Weihen auf Bundesebene. Um Erfolg zu haben, benötigt er aber die
Unterstützung der Mitgliedsbetriebe: Zuerst muss sich ein Anlassfall
für den geplanten Musterprozess finden, dann das Verfahren trotz der
zu erwartenden Vergleichsangebote durchgefochten werden. "Natürlich
werden wir nicht schon morgen einen Sieg erreichen", stimmt sich
Ernst auf eine lange Verfahrensdauer ein. Doch selbst eine eindeutige
Entscheidung könnte nicht die ersehnte Wirkung haben: "Irgendein
Einzelurteil gegen die Restwertbörsen", stellt Eybl klar, "wird uns
ganz sicher nicht von unserer Linie abbringen."