Trotz des aktuell starken Absatzrückgangs rechnen Autohersteller und
Analysten bald wieder mit einem Aufschwung am russischen Markt.
Die Stimmung war gemischt, als Konzernchef Carlos Ghosn und der
russische Regierungschef Wladimir Putin im Juni mit dem Nissan-Werk
in St. Petersburg die jüngste Autofabrik Russlands eröffneten. Neben
der Freude über die Vollendung eines weiteren Industrieprojekts war
Unsicherheit im Hinblick auf die Marktentwicklung zu spüren: Mit rund
645.000 Pkws und leichten Nutzfahrzeugen war der russische
Neuwagenverkauf bis Ende Mai um 47 Prozent niedrigerals 2008.
Nissan, die Nummer 4 der Autobauer, schnitt mit 35.400 Fahrzeugen und
einem Minus von 44 Prozent etwas besser als der Gesamtmarkt ab.
Wie die anderen Fabriken im Land wird auch das Nissan-Werk, das eine
Kapazität von 50.000 Fahrzeugen pro Jahr besitzt, zunächst nicht
ausgelastet sein. Außerdem tauchen Fragen auf, ob mit dem in St.
Petersburg gebauten großen Stufenheckmodell Teana und dem im Herbst
dazukommenden X-Trail die richtigen Modelle gewählt wurden. Die
Montage eines dritten Modells wird geprüft, laut Werkdirektor Fujio
Hosaka könnte es ein Nissan oder ein Renault sein.
Wieder gute Aussichten
Die aktuelle Krise betrachtet die Branche eher als eine größere Delle
auf dem Weg nach oben. Man rechnet mit einem weiteren Wachstum, das
lediglich einige Jahre später kommen wird. Der russische Markt ist
noch längst nicht gesättigt und die Verkäufe sind erst in den letzten
Jahren deutlich gestiegen.
"Wir erwarten mittelfristig die Rückkehr des russischen Markes auf
mehr als drei Millionen Autos", sagt Ghosn. "Der Aufschwung wird
nicht sehr schnell sein, aber er wird kommen." Nach seinen Worten
wird der Markt 2012 oder 2013 wieder das Vorkrisenniveau erreichen:
"Dafür müssen wir bereit sein."
Der größte Markt Europas
"Das wird der wahrscheinlich größte Markt Europas und einer der
größten Märkte der Welt", erklärt Ghosn. Er sieht seine Allianz mit
einem Renault-Werk in Moskau, der Nissan-Fabrik in St. Petersburg und
25 Prozent am Lada-Hersteller AvtoVAZ gut aufgestellt.
Auch die Strategieberatungsfirma Roland Berger ortet ein künftiges
Wachstum im flächenmäßig größten Land der Welt. "Ich denke Russland,
ist im Moment deutlich härter von der Krise getroffen als West- und
Zentraleuropa, doch auch Russland wird sich bestimmt wieder erholen",
erklärt Stephan Keese, Principal des automotiven Bereichs von Roland
BergerStrategy Consultants. "Der russische Markt bietet langfristig
sicherlich Produktionspotenzial von drei bis vier Millionen
Fahrzeugen."
Eine Million Autos pro Jahr?
Für Magna ist das Potenzial des russischen Marktes ein wichtiger Teil
der Pläne zum Einstieg bei Opel zusammen mit der russischen
Staatsbank Sberbank. "Die letzten Prognosen sprechen von einem
russischen Gesamtmarkt von 3,2 bis 3,4 Millionen Fahrzeugen", freut
sich Siegfried Wolf, Co-CEO von MagnaInternational, über die
zukünftigen Möglichkeiten.
Mit seinen Aussagen, in Russland zunächst einen Marktanteil von 20
bis 25 Prozent und "innerhalb einer Fahrzeuggeneration" den
jährlichen Verkauf von einer Million Autos zu erreichen, sorgte Wolf
für ungläubiges Kopfschütteln in weniger informierten Teilen der
Branche. Der Plan ist jedoch nicht unrealistisch: Neben der Marke
Opelsehen die Pläne der Austrokanadier die Übernahme von
GM-Produktionsaktivitäten in der früheren Sowjetunion, die exklusiven
Markenrechte für Chevrolet in Russland und der GUS, den Bau eines
10.000-Dollar-Autos auf der Corsa-Plattform bei GAZ und eine
"Verpaarung" der Transporterbaureihen von GAZ und Opel vor. "Mit dem
Gesamtbereich der Möglichkeiten denke ich, dass eine Absatzzahl um
eine Million vernünftig erscheint", ist Wolf überzeugt.