Österreichs berühmtester Feldherr stand Pate: In einem Wiener Luxushotel, benannt nach Prinz Eugen von Savoyen, beschlossen die Opel-Händler Mitte Mai ihr Konzept zur Beteiligung am Hersteller. Der Schlachtplan schien klar: Drei Jahre lang sollten bei jedem verkauften Neuwagen 150 Euro auf die Seite gelegt werden. Angesichts von 4.000 Mitgliedsbetrieben wären binnen dieser Zeit 400 bis 500 Millionen Euro zusammengekommen. Genug für eine vorfinanzierte Minderheitsbeteiligung, wie Albert Still, stellvertretender Vorsitzender der Händlervereinigung EURODA, erklärte: "15 Prozent der Anteileerscheinen mir durchaus realistisch."

Strategie mit Schönheitsfehler

Die Strategie der Händler war über Monate ausgearbeitet worden. Still, als Gründer der AVAG Holding der volumenstärkste Opel-Partner, war daran federführend beteiligt. In jedem Land sollten von den nationalen Markenverbänden Investitionsgesellschaften gebildet werden, in die Händler und angeschlossene Vertriebspartner ihre Beiträge einzahlen. Diese Firmen würden wiederum ihr Kapital an eine Dachgesellschaft weitergeben, die für die Verwaltung der Konzernanteile verantwortlich ist. 25 von 26 Landesverbänden haben in Wien dieser Strategie zugestimmt, lediglich die finnischen Vertreter enthielten sich der Stimme: Eine miserable Ertragslage, die sogar unter jener in leidgeprüften Märkten wie Österreich liegt, ließ die Skandinavier zögern. Still zeigt Verständnis: "Wenn man schon über 1 Prozent rot schreibt, fällt es natürlich besonders schwer, Geld abzuzweigen." Dennoch sieht der österreichische Händlersprecher Helmut Günther durchaus Chancen auf ein Einlenken: "Angesichts der einhelligen Zustimmung in allen anderen Staaten hat der finnische Verband erklärt, sich nochmals intern beraten zu wollen." Es ist also nicht der finnische Eigensinn, an dem der Durchmarsch der Händler in den Aktionärsrang zu scheitern droht. Vielmehr haben die Strategien um Günther, Still und EURODA-Chef Jaap Timmer einen entscheidenden Faktor vernachlässigt: die Zustimmung der künftigen Haupteigentümer.

Skepsis bei Magna

"Muss man Restaurantbesitzer sein, um gut essen zu können?" fragt ein hochrangiger Magna-Manager. Damit bringt er zum Ausdruck, wie der austrokanadische Zulieferer den Ambitionen der Händler gegenübersteht. Gespräche, formuliert es der Europachef und internationale Co-CEO Siegfried Wolf diplomatisch, könne man durchaus führen, doch eine Händlerbeteiligung an einem Produktionsunternehmen scheine wenig sinnvoll. Das schlägt sich im Übernahmekonzept nieder: 19,9 Prozent an Opel wird Magna selbst halten, je 35 Prozent werden auf GM und die russische Sberbank entfallen. Für die Mitarbeiter bleiben 10 Prozent. Die Händler gehen dagegen leer aus: Selbst die 300 Millionen Euro an zusätzlichem Kapitalbedarf, die Detroit irgendwann im Verhandlungspoker plötzlich eingefordert hat, hätte man lieber selbst aufgetrieben, als in die öffentlichkeitswirksam geöffneten Kassen der Autohäuser zu greifen. Für die EURODA ist das ein Schock, zumal Magna seit jeher ihr klarer Favorit war. Gegen Fiat hatte man von Anfang an massive Bedenken. Der deutsche Händlersprecher Thomas Bieling betonte die "kritische Distanz", an deren Überwindung lag den Italienern offensichtlich wenig: Wochenlang wurde die EURODA schlichtweg ignoriert.

Fahle Dankesbriefe

Auch im "alten" Management von Opel ist der Widerstand gegen eine Händlerbeteiligung größer, als man zugeben will. Zwar lobte Markenchef Alain Visser nach der Wiener Tagung die "guten Beziehungen zwischen Unternehmen und Händlern" und Still berichtet von Dankesbriefen aus der Vorstandsetage. Was in den blumigen Zeilen nicht stand, dem abgebrühten Unternehmer aber bewusst sein muss: Opel macht keine Anzeichen, die Händlerverträge zu ändern, was die Voraussetzung zur unkomplizierten Einhebung der 150 Euro pro Neuwagen wäre. Zu groß ist die Angst, dass Branchenprofis wie Still und Timmer künftig den Konzernherren auf die Finger schauen. Magna hat nochandere Gründe, sich gegen eine allzu starke Einbindung der Händler zu verwehren. "Wir folgen der industriellen Logik", begründet Wolf die Ambition, nach fünf Jahrzehnten als Zulieferer und Auftragsfertiger zum vollwertigen Autobauer aufzusteigen. Zu dieser Logik gehört, dass in den Werken vonOpel -durch die aufgezwungenen Standortgarantien noch forciert -Autos für andere Marken produziert werden. Technisch ist das sinnvoll, vertriebspolitisch ein potenzielles Problem: Gut möglich, dass ein von Händlerseite gestellter Aufsichtsrat Einspruch einlegen würde. Außerdem will Magna in Russland mittelfristig eine Million GM-Fahrzeuge verkaufen. Zumindest teilweise sollen diese vor Ort produziert werden - eventuelle Exporte in den Westen inklusive. In den Augen mancher Händler widerspricht das der Vision, solide deutsche Mittelklasseware an gutbürgerliche Kunden zu verkaufen.

Keine Zeit für Experimente

Während Wolf mit napoleonischer Konsequenz seinen Übernahmefeldzug führt, ist die Offensive der Händler ins Stocken geraten. Selbst die deutsche Politik, mit der die EURODA lange vor allen anderen Gespräche geführt hatte, zeigte sich zuletzt auffallend kühl. "Wir haben den Eindruck, dass wir etwas in Vergessenheit geraten sind", klagt Timmer. Objektiv betrachtet, ist das überaus bedauerlich. Überproduktion und Direktgeschäfte, verfehlte Modellpolitik und wirre Netzstrategien: Die Händler hätten eine Chance verdient, um zu beweisen, dass sie Lösungskonzepte für die seit Jahren unveränderten Probleme der Branche haben. Doch der harte Automarkt lasse für Experimente keine Zeit, meint der deutsche Branchenkenner Professor Dr. Willi Diez: "Insgesamt sind derartige Beteiligungsmodelle weder aus Sicht der Hersteller noch der Händler sinnvoll." Die Händler seien in aller Regel mit Investitionen in den eigenen Betrieb hart gefordert, die Bedenken der Hersteller zumindest "ein Stück weit nachvollziehbar". Gut möglich, dass im Kampf um Opel also nicht Napoleon, sondern Prinz Eugen sein Waterloo erleidet.