DieÜberkapazitäten und Lagerhalden sprechen da eine deutliche Sprache. Der Wert einer Marke - etwa Opel - liegt daher nicht in den teilweise überflüssigen und stillzulegenden Werken, sondern in der Stärke ihres Vertriebsnetzes.

Die Opel-Händler, bisher Knechte der Konzernherren in Detroit, befinden sich derzeit erstmals in einer Position der Stärke. Sowohl Magna als auch die als Übernahmepartner hinzugezogenen russischen Politiker und Magnaten wären gut beraten, die Händler bei einem Kauf von Opel mit ins Boot zu nehmen - als eine Art Mitarbeiterbeteiligung, wie sie die soziale Marktwirtschaft schon seit Jahrzehnten predigt. Und die europäischen Politiker könnten darauf schauen, dass ein Beteiligungsanbot der Opel-Händler von den präsumtiven Käufern nicht ausgeschlagen wird.

Damit wäre Opel ein Modell, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Die Beziehung zwischen Hersteller und Händler könnte eine ganz neue Dimension bekommen. Mit einer geplanten Beteiligungshöhe wären die Händler zwar nur untergeordnete Minderheitsaktionäre, doch wäre es vernünftig, ihnen bedeutende Rechte einzuräumen - etwa durch Mitsprache bei der Produktentwicklung, Mitgestaltung der Vertriebspolitik oder bei der Steuerung der Direktgeschäfte des Konzerns. Auch die Entscheidung über ein ein- oder mehrstufiges Händlernetz sollten die Mehrheitseigentümern denen überlassen, die sich beim Autovertrieb besser auskennen als die Autobauer.

Die bisherige Entwicklung der Autokonzerne hat gezeigt, dass viele Entscheidungen fernab von den jeweiligen Verkaufsmöglichkeiten am grünen Tisch getroffen worden sind. Die fatalen Folgen haben letztlich die Mitarbeiter und Händler zu spüren bekommen. Wenn anlässlich der Finanzkrise nun eine Abkehr vom Turbokapitalismus und mehr soziale Wärme gepredigt werden, könnte die Händlerbeteiligung ein Erfolg versprechender Schritt in die richtige Richtung sein. Statt einer Stiftung nach dem Vorbild von Bosch wäre auch dies eine Variante eines sozialeren Kapitalismus. Der Shareholdervalue wäre dann nicht länger das allein dominierende Kriterium für sämtliche Konzernentscheidungen.

Mit einer Beteiligung gehen die Opel-Händler ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risiko ein. Zu Verkaufserfolgen müssen sie daher nicht erst durch ferne Konzernlenker gezwungen werden. Sie müssen sich im eigenen kapitalistischen Interesse ganz fest in die Riemen legen, um den Kahn wieder flott zu bringen. Ihnen ist klar: Gehtdas Schiff unter neuer Führung unter, gehen auch sie unter. Und damit ihr finanzielles Engagement, das sie für die Marke Opel erbracht haben.

Ein weitere Vorteil hat dieses Einbindung in die Entscheidungsstrukturen des Konzerns: Keiner kann sich mehr ausreden, dass "andere" für allfällige Misserfolge verantwortlich sind. Fehler in der Vertriebspolitik sind dann am eigenen Mist gewachsen und müssen aus eigener Kraft wieder ausgebügelt werden. Sparsame und kostenbewusste Vertriebsstrukturen haben dabei die oberste Priorität. Das gilt auch für den Großhandel, bei dem der Luxus der nationalen Importstrukturen und Importeursorganisationen zu hinterfragen sein wird.

Auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht könnte die Händlerbeteiligung von Vorteil sein. Es ist fraglich, ob das Händlernetz dann noch als vertikale Vertriebsbindung zu beurteilen ist. Damit können Opel und die Opel-Händler ihren Vertrieb frei von den Schranken der GVO gestalten. Ein Wettbewerbsvorteil, der die Grundfesten der europäischen Kfz-Vertriebsstrukturen erschüttern würde.