Gegen 1.000 Motorenbauer aus aller Welt trafen sich zum 30.
Internationalen Wiener Motorensymposium. Absatzkrise und
Umweltdiskussion waren die Vorzeichen, unter denen das
Branchen-Highlight im noblen Ambiente der Hofburg heuer stand.
Die neuen Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft nahm der Vorsitzende
und Organisator der Veranstaltung Dr. Hans Peter Lenz in seine
Begrüßungsrede auf und erklärte, dass "durch Wirtschaftskrise und
Schweinegrippe" die Motoreningenieure ihre Arbeit noch perfekter
ausüben müssten. Obwohl die Autoindustrie nicht für die Krise
verantwortlich gemacht werden könne, müsse sie diese zu einem nicht
unwesentlichen Teil ausbaden.
Verbrennungsmotor: ja, aber
In seiner Festrede zum dreißigjährigen Veranstaltungsjubiläum
unterstrich der serbisch-österreichische Wissenschafter Dr. Dusan
Gruden den Glauben an den Verbrennungsmotor. Überhaupt lautete der
Grundtenor vieler Vorträge, dass Otto- und Dieselmotor mindestens die
nächsten 10 bis 15 Jahre überstehen würden: Dabei werde aber der
Elektrifizierungsanteil ständig größer.
Sobald rein elektrisch gefahren wird, müssen 100 Prozent der Energie
im Auto mitgeführt werden. Solange jedoch Verbrennungsmotoren
verwendet werden, kommen auf 1 kg Benzin immerhin fast 15 kg Luft,
welche vom Ansaugsystem überall gratis bezogen werden können. Dieser
Speichervorteil, so die Wissenschafter, sei nicht der einzige Vorteil
des Verbrennungsmotors gegenüber dem elektrischen Antrieb. Auch nach
weit mehr als 100 Jahren Entwicklungsgeschichte gebe es noch Ideen,
wie Otto-und Dieselmotoren weiter verbessert werden könnten. Der
Kraftstoffverbrauch könne voraussichtlich noch um ca. ein Drittel
vermindert werden, wenn alle Möglichkeiten am Markt auch
wirtschaftlich umgesetzt werden könnten. Dafür sei der Benzinpreis
aber zum Teil noch zu niedrig.
Weniger Geld?
Durch die zunehmend eingeschränkten finanziellen Mittel, welche der
Automobilindustrie zur Verfügung stehen, wird es ungemein spannend zu
beobachten, für welche Forschungsfelder in Zukunft Geld
bereitgestellt wird. Dr. Uwe Dieter Grebe von GM Powertrain Germany
und Dr. Wolfgang Steiger, Leiter der Konzernforschung Antriebe der
Volkswagen AG, erklärten in Pausendiskussionen übereinstimmend, dass
die Budgetanträge sehr exakt diskutiert würden, dass aber wesentliche
Forschungsprojekte nicht behindert, sondern im Gegenteil eher
beschleunigt würden. Die beschleunigten Projekte richten ihren Fokus
wahrscheinlich auf energiesparende oder elektrifizierende
Technologien. Die beiden namhaften Motorenbauer sind auch der
Meinung, dass das sinnvolle Weiterbetreiben der Forschungen und
Entwicklungen im Powertrainbereich immer direkt zielführend sei und
sich in Verbrauchs- bzw. CO 2-Einsparungen bemerkbar machen würde.
Weit reichende Entscheidungen
Dr. Karl-Thomas Neumann, Vorstandsvorsitzender der Continental AG,
erklärte, dass die anstehenden technischen Entscheidungen, in welche
Richtung sich die Automobilindustrie weiterbewegen solle, in seinen
Augen zu den weitreichendsten und schwerwiegendsten Entscheidungen
unserer Generation gehörten. Er verknüpfte in diesen Überlegungen
nicht nur die Wirtschaftskriseund die ökologische Problematik, er
versuchte sie auch mit unternehmerischen und produktionsrelevanten
Argumenten zu stützen und zu bekräftigen.
Natürlich wäre es möglich, auf den Verbrennungsmotor zu setzen und
diesem das gesamte Entwicklungspotenzial zur Verfügung zu stellen.
Man könnte ihn aber auch fallen lassen, zum alten Eisen zählen und
sich nur noch auf alternative, sprich elektrische Antriebe
konzentrieren. So extrem ausgelegt, wären beide Ansätze falsch und
zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist es wichtig, dass der
Verbrennungsmotor weiterentwickelt wird, die Hilfeleistungen durch
elektrische Maschinen jedoch ausgebaut werden. So können mit der Zeit
über die verschiedenen Hybridisierungsvarianten bis zum vollständigenElektroauto alle Fahrzeuge angeboten werden.
Teure Batterien
Ganz klar scheitert das elektrisch betriebene Fahrzeug bis heute noch
an der Speicherproblematik. Die Nickel-Metallhydrid- und die
Lithium-Ionen-Technologie sind schon oder werden gerade serienreif.
Die Kosten für eine Lithium-Ionen-Batterie für einen Vollhybrid sind
aber noch so hoch, dass sie kaum auf den Fahrzeugpreis abgewälzt
werden könnten. Deshalb baut Mercedes-Benz beim neuen Modell S 400
BlueHybrid mit einer Parallel-Hybrid-Ausrüstung und einer
elektrischen Leistung von 15 kW den ersten Li-Ionen-Akku ein, während
in den Full-Hybrid-Fahrzeugen (ML 450 BlueHybrid) noch immer die
bewährte Ni-MH-Batterie zum Einsatz kommt. BMW agiert bei beiden
Hybrid-Fahrzeugen mit der Ni-MH-Batterie.
Zuwarten als Devise
VW-Vorstand Dr. Martin Winterkorn betonte in seinem abschließenden
Referat, dass das Umsetzen von Mikrohybrid-Technologien, also
Start-Stopp-Einrichtungen und Riemen-Starter-Generatoren zur
Bremsenergierückgewinnung im Volkswagenkonzern schon bald für die
ganze Palette zur Standardausrüstung gehören soll. Daneben sieht er
im Moment keinen weiteren Handlungsbedarf und ist überzeugt, mit der
forcierten Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors gerade CO 2-mäßig
absolut mit den elektrisch betriebenen Fahrzeugen mithalten zu
können. Bei diesen müsse man immer beachten, wie in dem
entsprechenden Land die elektrische Energie produziert werde.
Allenfalls könne ein Elektrofahrzeug gegenüber einem Auto mit
Verbrennungsmotor bezüglich den CO 2-Emissionen sogar schlechter
dastehen.
Neun Marken unter einem Dach
Auf die wirtschaftliche Problematik angesprochen, erklärte
Winterkorn, in dem neun Marken umfassenden Konzern habe man die
Plattformtechnologie jetzt konsequent weiterentwickelt und könne mit
den modularen Bauweisen trotz der großen Modellvielfalt den
Kostenrahmen einhalten. In Zukunft will er die Fahrzeugpalette
gezielt weiter ausbauen, er will sich aber auch in den Regionen der
Absatzmärkte nach dem Motto "Autos aus der Region für die Region"
engagieren und vor allem die Synergien durch noch konsequentere
Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns fördern.
Winterkorn istüberzeugt, mit dieser Strategie den richtigen Weg
durch die Krise zu gehen. Sein klares, auch in Wien wieder betontes
Ziel: Spätestens 2018 sollen die Wolfsburger die Nummer 1 in der
weltweiten Autoindustrie sein.