Eine Entscheidung, die in der sogenannten "Pickerl-Affäre" ihre Wurzel hat.

In einem Schreiben an alle Landesinnungsmeister erklärt der ÖWV (Österreichischer Wirtschaftsverlag) seine Sicht der Dinge, u. a. den Kauf der "Assets der Fa. Mesensky", zu denen vorrangig die EBV (Elektronische Begutachtungsverwaltung des "Pickerls") zählt. Demnach waren die Bundesinnung sowie der sogenannte Lenkungsausschuss als Auftraggeber für die EBV und das Verkehrsministerium ab Herbst 2008 über den Deal mit Mesensky informiert gewesen.

Nun muss man wissen, dassüber den "Pickerl-Schilling" Software und Schulung für die Paragraph-57-a-Überprüfung finanziert werden, über die Mittelverwendung jedoch keine Aufzeichnungen oder Verträge existieren. Bei mittlerweile 19 Cent pro Prüfplakette ergibt dies bei von Ministerialrat Dr. Wilhelm Kast bestätigten 5,5 Millionen Vignetten ein verfügbares Jahresbudget von rund 1,045 Millionen Euro.

10 Millionen Euro Budgetmittel

Die Verwaltung des "Pickerl-Schillings" verantworteten für die Republik seit Schaffung dieses Begriffes 1997 allein die sieben Vignetten-Hersteller und ÖWV-Redakteur Erhard Zagler. Sie sitzen seit 2003 dafür mit dem zuständigen Ministerialbeamten Kast vom Verkehrsministerium, einem Länder- und drei Firmenvertretern und bis zu Zaglers Rauswurf Ende 2008 im eigens dafür gegründeten Lenkungsausschuss. Ein Organ, dessen rechtlicher Rahmen nirgends verankert ist. Seit der Gründung des "Pickerl-Schillings" rechnen sich mehr als 10 Millionen Euro verfügbare Budgetmittel der Vignettenhersteller für die Elektronische Begutachtungsverwaltung hoch.Wobei das Verkehrsministerium peinlich darauf bedacht ist, nicht als Auftraggeber für die EBV bezeichnet zu werden. Die Regeln für das Modell einer "privatrechtlichen Finanzierung über den Herstellungspreis für die Plaketten" (= Pickerl-Schilling) schrieb Kast in der Bundesprüfstellen-Verordnung fest.

Viehmann-Karte stach nicht

Mit der Einstellung von Ex-Innungsgeschäftsführer Mag. Kersten Viehmann verfestigte der ÖWV seine Monopolstellung, kritisieren Innungsleute. Der ÖWV bezahlt aus dem Vignettenbeitrag bislang die vom Ministerium autorisierte Softwarefirma Mesensky und vermarktet(e) auf eigene Rechnung den Mängelkatalog. Die Bundesinnung durfte als "Titel ohne Mittel" die Herausgeberschaft übernehmen. Weiter gedacht, verkaufte Natalie Mesensky mit dem EBV zudem, was der Steuerzahler - mit dem Segen des Verkehrsministeriums - bereits einmal finanziert hatte. "Ohne adäquate Kontrolle", wie Kast unumwunden zugibt.

Ungeregelte Mittelvergabe

Aus der Sicht von Kast besteht die Aufgabe des Lenkungsausschusses lediglich in der Koordinierung der technischen Fahrzeugüberwachung. Mit der runden Million Euro pro Jahr, über die bislang vom ÖWV mit entschieden wird, habe er nichts zu tun. "Eine verpflichtende Kontrolle der Verwaltung dieser Gelder ist nirgends vorgeschrieben", bestätigt Kast. "Der ÖWV steht als neutraler Partner über Vereinen und Interessenvertretern", stellt Kast dem ÖWV in einem eigens dafür gemachten Interview ungeschaut einen Persilschein nach dem anderen aus. Neben rd. 250.000 Euro jährlichen Einnahmen aus der "freihändigen" Mittelvergabe durch die Vignettenhersteller fließen aus dem Verkauf des "Mängelkataloges" an rund 5.500 §-57a-Betriebe weitere Gelder aus Innungsmitgliedergeldern an den ÖWV. Pro Lizenzpaket spült diese Lösung weitere 395 Euro in seine Verlagskassa.

Den Bogenüberspannt

Tirols LIM Martin Gertl sagt, derÖWV habe den Bogen überspannt. Es gelte, den Mängelkatalog wieder für die Kfz-Innung zurückzuholen. Dieser Meinung schließen sich auch ÖAMTC und ARBÖ an, indem sie der Bundesinnung ihre Kooperation zugesichert haben. Das Ergebnis solle sich in einem kostengünstigen Mängelkatalog für alleMitgliederbetriebe und Institutionen niederschlagen, erklärt dazu der ausgeschiedene BIM Ing. Josef Puntinger, der sich extra für die Erledigung dieser Aufgabe ins Innungspräsidium kooptieren ließ. In der Präsidiumssitzung vom 21. April 2009, bei der Friedrich Nagl die interimistische NachfolgePuntingers als BIM bis März 2010 angetreten hatte, wurden die Weichen für die Herausgabe eines eigenen Mängelkataloges unter der Federführung des bisherigen Verfassers Mag. Karlheinz Wegrath durch die Bundesinnung gestellt. Wegrath wird jetzt von der Innung bezahlt. Kast lachte, als er von Wegraths neuem Auftraggeber hörte und sieht einer erfolgreichen Approbierung durch sein Ministerium nichts im Wege. Der neue Innungsgeneral Nagl: "Die Zeit ist reif, die Verfügung von Mängelkatalog und EBV zugunsten der Kfz-Innung klar zu regeln."

"Tür zum Lenkungsausschuss offen"

Kast, dem Innungskreise vorwerfen, er habe sich vomÖWV "instrumentalisieren" lassen, bestätigte gegenüber AUTO&Wirtschaft die Notwendigkeit, die Bundesinnung mit Sitz und Stimme im Lenkungsausschuss zu verankern. Auch will Kast bei der Mittelvergabe Nachvollziehbarkeit schaffen. Warum das nicht schon früher geschehen ist, darüber wird geschwiegen. Jedenfalls gibt er Kritikern recht, dass nicht allein mehr der "Auftragnehmer" ÖWV alias Mesensky an die Vignettenhersteller Anträge für Geldflüsse stellen kann. "Die Tür zum Lenkungsausschuss für die Kfz-Innung steht offen", kalmiert Kast.

Nun will Puntinger in Koexistenz mit Nagl&Co. für die Bundesinnung ab Herbst einen neuen Mängelkatalog herausbringen, für die Innungsgeschäftsführer Andreas Westermeyer in seiner Aussendung an alle Landesinnungschefs bereits "die Zielsetzungen erfüllt" sieht.

DemÖWV kommt seine "eierlegende Wollmilchsau" abhanden. Die Gier seiner Eigentümer war zu groß. Jetzt müssen sich Zembacher, Viehmann&Co. mit der Bundesinnung auf eine neue Zusammenarbeit einigen. Allerdings schafft jetzt die Innung an und nicht mehr derÖWV, der alle Erträge aus diesem Geschäft letztlich an den Mutterverlag Süddeutsche Zeitung abführte und nicht mehr an den Wirtschaftsbund. (LUS)