Der 17. Februar wird Barbara Strauss unweigerlich in Erinnerung bleiben. Als sie an diesem Tag ihr Autohaus verlässt, gehen 103 Jahre Firmengeschichte zu Ende. Eine Firmengeschichte, die -wie in so vielen Fällen - gleichzeitig Familiengeschichte ist: Rudolf Wurm, Radrennfahrer und regionaler Mobilitätspionier, gründete 1906 in Klagenfurt die Firma "Kärntner Auto Wurm&Co", dieüber vier Generationen und ein Dutzend Markenvertretungen zum ältesten Autohaus des Bundeslandes wurde. Vor den Folgen der jüngsten Krise konnte das die Firma nicht retten: Bei 1,8 Millionen Euro Schulden, denen ein Betriebsvermögen von lediglich 265.000 Euro gegenüberstand, wurde am 18. Februar das Insolvenzverfahren eröffnet. An dessen Ende wird die Liquidierung des Betriebes stehen. Hoffnung auf eine Weiterführung hat Strauss nicht. "Dazu sind die Verkäufe einfach zu stark eingebrochen", urteilt sie nüchtern.

Beispielhaftes Unglück

Vor allem in den letzten Jahren, als die Absatzzahlen auf 300 Neu-und Gebrauchtwagen und der Mitarbeiterstand auf zehn Personen sank, war Wurm alles andere als ein Branchenriese. Doch der Verfall des Unternehmens ist ein trauriger Präzedenzfall: Als Renault 1996 nach 38 Jahren Landeshändlertätigkeit den Vertrag der Klagenfurter kündigte, folgte ein schlussendlich sinnloser Rechtsstreit. Der neue Vertrag mit Mazda konnte die Verluste nicht wettmachen, eine Übersiedelung erwies sich als langfristig kaum finanzierbar, die erst vor zwei Jahren hinzugenommene Zweitmarke Hyundai konnte das Blatt nicht mehr wenden. Wirtschaftskrise und Kaufzurückhaltung gaben dem Unternehmen den Rest: "Insbesondere seit Herbst traten umfangreiche Umsatzrückgänge ein", sagt Strauss. Im Vorjahr erlitten laut dem KSV 122 Unternehmen aus derKfz-Branche das Schicksal des Klagenfurter Familienbetriebs, 2007 waren es noch 104. Die ersten beiden Monate des neuen Jahres weisen auf einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen hin. Gleichzeitig werden sich die betriebswirtschaftlichen Parameter aller Voraussicht nach weiter verschlechtern. Im Wirtschaftsjahr 2007, dem jüngsten von KMU Forschung Austria untersuchten Zeitraum, betrug die Ertragskraft im Kfz-Einzelhandel 0,4 Prozent, einschließlich der Werkstätten 0,8 Prozent. Gut die Hälfte der Unternehmen agierte in der Verlustzone, die Eigenkapitalquote lag mit 15,1 Prozent deutlich unter den als Mindestwert geltenden 20 Prozent. "Alle betriebswirschaftlichen Indikatoren liegen teilweise deutlich unter der restlichen marktorientierten Wirtschaft", fasst Peter Voithofer, Chef der KMU-Forschung, zusammen. Was bedeutet das? "Die Rentabilität des Geschäftsmodells Autohandel ist einfach nicht mehr gegeben", antwortet Heiko Fink von der international tätigen Unternehmensberatung Horváth&Partners.

"Enormer Leidensdruck"

Zum fünften Mal hat Fink in den vergangenen Jahren die Branche im deutschen Sprachraum unter die Lupe genommen. Sein Ergebnis: "Die Lage ist prekär." Er kritisiert vor allem die Importeure, die ihre Machtposition nach wie vor ausnützen würden: "Das hat sich in den letzten Jahren schon abgezeichnet, doch jetzt vertieft sich die Krise. Der Leidensdruck hat sich enorm erhöht." Dieser Druck trifft vor allem Unternehmerfamilien, die über Jahre und Jahrzehnte persönlich besicherte Verbindlichkeiten angehäuft haben. "Sehr viele Familienbetriebe können ganz einfach nicht mehr aussteigen", sagt Fink. Sanieren können sie sich aber auch nicht: Der Kollaps scheint vorprogrammiert. Fink rät in seiner Studie vor allem zu mehr Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern, zu konkreteren Hilfestellungen auf der einen und professionellerem Vorgehen auf der anderen Seite. Sollten diese gut gemeinten Tipps jemals greifen, wird es für viele Betriebe zu spät sein. So mancher nimmt daher die Politik in die Pflicht: Diese müsse handeln, und zwar schnell.

Zögern in der Politik

Bislang ließen die Hilfspakete, mit denen die Regierung auf die Wirtschaftskrise reagiert, Kleinbetriebe außen vor. "Vielleicht ist der Zeitpunkt aber jetzt günstig", sagt Gremialobmann Dr. Gustav Oberwallner, der sich von Neuem um eine Mittelstandsinitiative bemüht. Primärer Ansprechpartner ist derzeit das Justizministerium. Auf der Ebene der Sektionschefs registriert man durchaus Verständnis für die teilweise branchenübergreifenden Anliegen: Diese reichen von vermeintlich sittenwidrigen Händlerverträgen über den Dauerbrenner Garantie- und Gewährleistungsregress bis zum Insolvenzrecht. Bestärkt fühlt sich Oberwallner auch vom EU-Parlamentarier Othmar Karas, der in Brüssel im Rahmen der GVO-Diskussion auf bessere Schutzbestimmungen für den Mittelstand drängt. Andere sind skeptischer, denn die echten politischen Entscheidungsträger glänzen bislang mit Desinteresse. So mancher denktan das "Mittelstandsgesetz" des VW-Händlers Dr. Josef Lamberg, dessen Entwurf er an so manchen Amtsträger übergab. Auch Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner nahm das Papier gerne an, als er noch Kammerfunktionär war. Hat er es als Minister vergessen?

Erfolgreiche Ausnahme

Zurück in den Geschäftsalltag: Selbst in Zeiten der Krise gibt es noch erfolgreiche, prosperierende Betriebe. Das beweist ein Lokalaugenschein in Waidhofen an der Ybbs, wo die Familie Lietz ihr sechzigjähriges Firmenjubiläum feiert. Als Taxi-und Landmaschinenbetrieb gegründet, avancierte das Unternehmen in den vergangenen Jahren zum größten Mazda-Händler des Landes. Dass man gemeinhin vom "Mazda Lietz" spricht, ist auf die strikte, nur einige Jahre von Kia unterbrochene Markenreinheit zurückzuführen: "Nicht das Gießkannenprinzip anzuwenden, sondern auf Exklusivität in einem größer werdenden Einzugsgebiet zu setzen, hat sich als richtige Entscheidung erwiesen", sagt Firmenchef Heini Lietz, der bei solchen Aussagen den zuweilen strengen Importeur fest hinter sich weiß. 2008 konnte das an insgesamt sieben Standorten tätige Unternehmen knapp 1.800 Neuwagen verkaufen, in Kürze soll der 40.000. Mazda der Firmengeschichte übergeben werden.

Auf die Händler angewiesen

Doch in der heutigen Zeit ist Lietz eher die Ausnahme als die Regel. Prägnante Fälle wie die Insolvenz des oberösterreichischen Opel-Händlers Kirchberger, der nach wie vor um seine Restrukturierung kämpfen muss, zeigen, dass selbst große Unternehmen vor existenziellen Herausforderungen stehen. Doch die meisten Familienbetriebe leiden still, ohne dass die Branchenöffentlichkeit außerhalb der unmittelbaren Umgebung Notiz davon nimmt. Im steirischen Frauental schließt dieser Tage Günther Dengg sein 17 Jahre lang bestehendes Peugeot-Autohaus. Die 200 Fahrzeuge, die der Haupthändler 2008 absetzen konnte, waren zu wenig: "Früher haben wir 300 Autos pro Jahrverkauft", begründet Dengg die kurz vor Weihnachten eröffnete Insolvenz. Anfangs gehegte Hoffnungen auf einen Zwangsausgleich und anschließende Übergabe an den Sohn haben sich zerschlagen. Selbst kann sich Dengg mit dem Erreichen des Pensionsalters trösten, doch seinen Branchenkollegen prophezeit er eine schwierige Zukunft: "Für Unternehmen wie unseres, die 10,15 Mitarbeiter beschäftigten, haben weder die Politiker noch die Importeure etwas über." So drastisch würde Unternehmensberater Fink seinen Lagebericht nicht formulieren. Doch ein ähnliches Problembewusstsein klingt durch, wenn er von der dringend nötigen "Neuausrichtung der Vertriebsstruktur" spricht: "Wenn viele Händler vor dem Aus stehen, dann ist das auch für die Hersteller eine bedrohliche Situation. Heute sind diese mehr denn je auf den indirekten Vertriebsweg über ihre Handelspartner angewiesen."