Wenn"s dann nicht ganz so klappt- kein Ober kommt, der Wein ist warm, das Steak ist hart und kalt -müssen sich Chef oder Chefin meine Reklamation anhören.

Spätestens jetzt setzt das vielfach missverstandene Customer Relationship Management ein. Mit CMR werden die Kundenbeziehungen gepflegt und damit der Unternehmenserfolg langfristig verbessert. Ein Wirt hat"s dabei leicht: Er schnappt Glas und Teller und sorgt in der Küche für ein neues, zartes Steak. Das bringt er mir dann mit einem besser temperierten Wein und einer kurzen Entschuldigung zurück zum Tisch. Natürlich wird es immer wieder vorkommen, dass ein Ober meine Beschwerden ignoriert und der Wirt sicherheitshalber auf Tauchstation geht. Sicherlich werde ich da keine Gewährleistungsklage einbringen. Das Restaurant wird bloß einen Kunden weniger haben. Denn der Chef ist für Küche und Keller verantwortlich und hätte es leicht in der Hand gehabt, meine "Gewährleistungsansprüche" am kurzen Weg zu erledigen.

Im Neuwagenhandel ticken die Uhren anders. Auch hier glaubt der Kunde, mit dem Chef des Autohauses jenen Mann vor sich zu haben, der für den Kummer mit seinem Auto verantwortlich ist. Doch im Gegensatz zum Wirt, kann er meistens nichts für den Grund der Beschwerde. Er ist zwar verantwortlich, kann aber keine Abhilfe schaffen. Bloß - das weiß der Kunde nicht. Der "Chef" muss erst beim Kundendienstleiter des jeweiligen Importeurs um Hilfe ansuchen. Und der hat wieder einen Chef über sich, der in vielen Fällen auch nichts entscheiden kann. Der ist bloß der weisungsgebundene Gehilfe einer fernen Konzernzentrale. Dort haben jene Leute ihren Schreibtisch, die für die Qualität eines Autos - als Ursache der Beschwerde - verantwortlich sind. Daher haben sie auch über die Kosten zu entscheiden, die durch die von ihnen verursachten Kundenbeschwerden entstehen. Auch wenn diese Kosten auf jene "Chefs" in den Autohäusern an der Front abgewälzt werden, die bei ihren Kunden den Kopf hinhalten müssen. Bloß -das wissen dieKunden auch nicht.

Im Gasthaus kann der Chef noch selbst entscheiden, ob er einen frustrierten Gast vor dem Abschied mit einem Schnapserl tröstet oder aus "Kulanz" eine Nachspeise von der Rechnung streicht. Er weiß, wie er meine "Gewährleistungsansprüche" zu erledigen hat. Er braucht auch mein hartes Steak nicht monatelang aufzuheben, um sich später höheren Ortes für das Servieren eines neuen Steaks rechtfertigen zu können. Um seine Kunden zufriedenzustellen, braucht er kein CMR-Handbuch: Es reicht gute Qualität. Wichtig ist: Fehler können überall passieren. Das ist menschlich. Es ist nur die Frage, wie man mit ihnen umgeht. Und wie man mit jenen Menschen umgeht, die von diesen Fehlern völlig unschuldig betroffen sind.Dies sind nicht nur die Neuwagenkäufer, das sind auch die Autohändler. Das scheint bei manchen Autoproduzenten in Vergessenheit geraten zu sein.

Die Hamburger Agentur Loyalty hat ermittelt, dass nur magere 4 Prozent der unzufriedenen Kunden ihren Unmutäußern und damit dem Unternehmer die Chance zur Verbesserung geben. Alle anderen - immerhin 96 Prozent -schlucken ihren Ärger (etwa ein hartes Steak) hinunter, viele bleiben dem Unternehmen anschließend für immer fern. Sie wechseln zur Konkurrenz und erzählen noch ganz nebenbei aller Welt am Stammtisch oder per Internet von ihren schlechten Erfahrungen. Die wirklich klugen Leute nutzen eigene Fehler deshalb zum eigenen Vorteil. Es hat sich herausgestellt, dass Menschen, deren Beschwerden zur vollsten Zufriedenheit erledigt wurden, danach loyalere Kunden waren als jene, die noch keine Beschwerden hatten. Manche Studien sprechen sogar von einer regelrechten Begeisterung dieser Kunden, die dem Unternehmen anschließend emotional extrem verbunden sind. In diesem Sinne freue ich mich schon über künftige Beschwerden, die mir zeigen, dass sich der eine oder andere mit meinen Kritiken und Anregungen tatsächlich auseinandersetzt.