Um den Mangel an Experten abzufedern, greifen immer mehr Firmen auf
Manager zurück, die bereits in Pension sind.
Dipl.-Ing. Wolf Vetter aus Graz ist das, was man landläufig einen
"rüstigen Pensionisten" nennt: Der 61-Jährige tourt mit seinem
Fahrrad durch die Steiermark und manchmal quer durch Europa, er
segelt, arbeitet im Garten. Doch dann, wenn das Wetter nicht mehr
mitspielt, juckt ihn die Lust am Arbeiten: "Auch heuer werde ich ab
November wieder meine Kenntnisse nutzen. Schauen wir, was auf mich
zukommt." Vermittelt wird der ehemalige Mercedes-Manager von der
Firma ASE mit Sitz in Mannheim: ASE ist die Abkürzung für "Associated
Senior Experts"; das Unternehmen hat sich seit seiner Gründung vor
drei Jahren zu einem wichtigen Vermittler von anerkannten
Branchenprofis entwickelt.
"Wir haben zurzeit 1.400 Personen im Portfolio", sagt ASE-Gründer
Dipl.-Kfm. Steffen Haas: "95 Prozent von ihnen kommen aus
Deutschland, der Schweiz und Österreich." Sein Geschäft verdankt Haas
der großen Nachfrage aus der Auto-Zulieferindustrie: "Ein typischer
Kunde ist ein mittelständisches Unternehmen mit rund 500
Beschäftigten, das nicht in München sitzt, sondern im Schwarzwald
oder in der Schwäbischen Alb."
Kleinere Firmen haben schlechte Karten
Bisher hätten diese Firmen (auch jene aus Österreich) ihren Nachwuchs
aus dem lokalen Umfeld rekrutiert, doch durch die größere Mobilität
wirkt sich der Standortnachteil aus: "Die jungen Menschen arbeiten
lieber bei einer Firma in einer großen Stadt. Und mittelständische
Unternehmen, die sich an denUniversitäten in einer Reihe mit Magna,
Bosch und BMW anstellen, haben oft schlechtere Karten." Hier greift
ASE ein.
Vetter arbeitete von 1979 bis 1989 für Mercedes in Graz an der
G-Klasse mit. Seine Frau blieb in Graz, er pendelte von seinen
späteren Einsatzorten stets in die Steiermark. Unter anderem war er
als Experte für Materialwirtschaft beim Mercedes Actros tätig: "Ich
musste schauen, dass alle Bereiche zu einem bestimmten Starttermin
zusammenkommen." Außerdem organisierte Vetter für den Daimler-Konzern
einen Welt-Einkaufsverbund für Lkws (mit Freightliner in den USA und
Fuso in Japan); zuletzt war er im Bus- und Lkw-Werk von Mercedes in
der Türkei tätig und ging dann in Pension.
Wer rastet, der rostet
Von einem Bekannten wurde Vetter die Firma ASE empfohlen: "2010 hat
BorgWarner in Heidelberg einen Interimsmanager gesucht, weil man dort
ein Werk schnell hochgefahren hat. Ich bin dort geblieben, bis man
nach fünf Monaten einen Einkaufsleiter gefunden hat." Von November
2011 arbeitete Vetter dann in Erfurt; der ursprünglich geplante
Einsatzzeitraum bis Ende Februar 2012 wurde um zwei Monate
verlängert.
Jetzt ist Zeit, um die Pension zu genießen. Was der Grund für seine
ständigen Engagements sei? Vetter: "Ich möchte nicht einrosten, auch
die sozialen Kontakte sind gut. Außerdem ist es fein, wenn man seine
Erfahrungen an junge Kollegen weitergeben kann." Finanzielle Motive
seien es jedenfalls nicht, die ihn von Graz nach Heidelberg,Erfurt
oder sonst wohin locken, versichert Vetter.
Zwei bis drei Monate pro Jahr
Das bestätigt auch Haas. Als Grundvoraussetzung, bei ASE tätig zu
werden, nennt er regelmäßige Einsätze: "Mindestens einmal pro Jahr
für jeweils zwei bis drei Monate. So bleibt man fachlich fit. Denn
wenn jemand fünf Jahre im Ruhestand ist und nichts gemacht hat, dann
ist er endgültig draußen."