Tulln: 15.000 Einwohner im Kerngebiet, 60.000 im Umland und eine komplette Ansammlung von Markenautohäusern. Mitten drinnen das 2006 um 6 Millionen Euro errichtete Autohaus Hahn. Der seit 1970 in Wien-Hernals etablierte Mazda-und Kia-Händler wollte sich einst rechtzeitig für den Import chinesischer Neuwagen positionieren, nachdem im Bezirk Tulln keine Automarke mit adäquater Stückzahlerwartungaufzutreiben war. Zwischendurch das Zweiradgeschäft verfolgend, musste Roman Hahn jun. das auf 1.500 m 2 errichtete Vollautohaus mangels Marke schließen und er zahlt an seinem Kredit weiter, ohne Einnahmen zu haben.

Hahn sichert in Wien-Hernals im alten Autohaus sein Fortkommen, was sein Glück im Unglück ist. Hingegen beginnt sein Luxusbau in der Blumenstadt zu welken. Eine Verwertung ist schwierig, der Zweckbau und die Architektur sind auf die Vermarktung von Markenautos ausgerichtet: Werkstatt für mindestens sechs Arbeitsplätze, Schulungsräume im Oberstock und eine üppige Ausstellungsfläche hinter Glas.

Der Fall Hahn ist krass, keine Frage. Aber auch andere Unternehmer -Autohaushändler und Importeure -haben ihr Lehrgeld bezahlt. Lang in Wien-Donaustadt hat seinen Glastempel wieder geschlossen und nur potente Firmen machen was daraus, wenn der Standort stimmt, wie zum Beispiel Toyota Frey, der den Chrysler/Jeep-Standort in Wien-Auhof kurzerhand in einen Toyota-Lexus-Verkaufsbetrieb umfunktioniert hat.

Österreich ist ein Land der automobilen Glastempel, ausgestattet oft vom Feinsten und mit vom Hersteller vorgeschriebenen Standards unterwegs, die es sonst nirgends in Europa, auf dieser Welt, in dieser Dichte gibt. Nicht wenige Kfz-Betriebe zahlen heute noch an den Schulden für Autohauskonstruktionen vergangener Zeiten, vielfach überlagern bereits neue Investitionen den Standort. Also Schulden, die bis in die nächsten Generationen reichen. Unzählige Kfz-Händler sind inzwischen aus ihren Markenverträgen ausgestiegen. Zahlen aber weiter an ihren Altlasten, ohne von den Herstellern/Importeuren entlastet worden zu werden.

Weniger ist mehr

Dennoch legtÖsterreichs Automarkt trotz Schuldenkrise weiter zu. Die Neuzulassungen, wie auch immer sie zustande kommen, machen übermütig und jede Marke will ihre Marktposition ausweiten. Auf Kosten risikofreudiger Unternehmer funktioniert das System immer noch -für den Hersteller jedenfalls. Dabei wäre weniger mehr.

Kürzlich bei der EU-Umfrage über allfällige unfaire Handelspraktiken schrien Österreichs Funktionäre besonders laut auf in Brüssel und taten sich hervor, die heimischen Automarkenvertreter zur geheimen Wertung zu überreden. 50 Prozent aller Onlineantworten kamen tatsächlich aus Österreich. Der ZDK und alle größeren nationalen Verbände halten sich zurück! Warum? Weil in anderen EU-Ländern die Standards bei Weitem nicht so hoch vorgeschrieben sind wie bei uns. Zur Umsetzung neuer Vermarktungsprojekte braucht der Hersteller/Importeur berufserfahrene Spezialisten, aber keine Desperados. Das Tullner Modell taugt kaum, die Zukunft des österreichischen Autohandels erfolgreich zu gestalten. Anpassung muss auch für heimische Autohausstandards gelten.