Im Jahr 2010 hat "Auto Bild" bei 100 Modellen die Abweichungen zum versprochenen Durchschnittsverbrauch näher unter die Lupe genommen. Mit teils erschreckenden Ergebnissen: Der Ford Spar-Fiesta 1,6 TDCi ECOnetic kam im Schnitt nicht auf die propagierten 3,7 Liter Diesel, sondern auf 5,4 Liter -ein Plus von 46 Prozent. Das Audi A5 Cabrio 2.0 TFSI quattro S tronic kam mit 10,7 Liter auf einen Mehrverbrauch von 38 Prozent. Und das, obwohl der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahr 1996 entschieden hat, dass für den Käufer ein Mehrverbrauch von 13 Prozent "nicht unerheblich" ist.

Zehn Prozent als Grenze

Ein Jahr später wurde die Zumutbarkeitsgrenze auf 10 Prozent gesenkt, "ohne damit allzu kleinlichen Gewährleistungswünschen der Käuferseite Vorschub zu leisten." Damals hatte ein Mercedes-Kunde auf Wandelung geklagt, dessen 600 SE auf 19,47 Liter je 100 Kilometer kam, obwohl im Prospekt im "Euro-Mix" ein Verbrauch von 15,4 Litern versprochen worden war. Seine Klage wurde abgewiesen, da nach den ausschlaggebenden EG-Fahrtzyklen der Verbrauch bloß um 6,49 Prozent über den Prospektwerten lag. Unklar blieb damals, welche Folgen ein zehnprozentiger Mehrverbrauch gehabt hätte: Einen Wandelungsanspruch des Kunden, bei dem der Händler das Auto zurücknehmen muss? Einen Anspruch auf Preisminderung? Wenn ja, in welcher Höhe? Oder bloß den Ersatz der bisherigen Sprit-Mehrkosten?

Zehn Jahre später gab es vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart neuerlich ein Mercedes-Urteil. Ein 2005 gekaufter Kombi der E-Klasse kam nach den Messungen des Kunden auf einen Mehrverbrauch von 15 Prozent. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige ermittelte nach EU-Norm bloß 9,1 Prozent, somit wurde die 10-Prozent-Grenze des BGH unterschritten. Das hätte für den Kläger ins Auge gehen können. Doch Mercedes zog aus Imagegründen eine vergleichsweise Einigung vor: Man erkannte eine Minderung des Kaufpreises (62.000 Euro) um 2.500 Euro an und ersetzte dem Kläger die Prozesskosten sowie den Mehraufwand beim Spritverbrauch.

"Angaben müssen nicht erreichbar sein"

Weniger erfolgreich war 2006 ein deutscher Transporter-Käufer, der bei seinem Fahrtest auf einen Mehrverbrauch von 20 Prozent kam. Er argumentierte, das Autohaus hätte ihn darauf aufmerksam machen müssen, dass die Prospektangaben bloß EG-Laborwerte seien. Das OLG Karlsruhe wies seine Forderung auf Rückabwicklung des Kaufes ab. Über die EU-Richtlinie hinausgehende Hinweise seien zwar aus Sicht des Verbraucherschutzes wünschenswert:."Aus kaufvertraglicher Sicht ist es allerdings nicht zu beanstanden, wenn Händler auf eine freiwillige nähere Erläuterung zum Kraftstoffverbrauch verzichten."

Aufgrund dieser Zusatzinformationen fiel im Juni 2011 ein Autokäufer beim OLG Hamm mit seinem Wandelungsanspruch auf die Nase. Die von ihm geforderte Rückabwicklung wegen eines Mehrverbrauches von 8,45 Prozent wurde abgewiesen. Die Verbrauchsangaben waren aufgrund der bisherigen Urteile nämlich bereits ergänzt worden: "Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebotes. Sie dienen Vergleichszwecken zwischen den einzelnen Fahrzeugen." Ein solcher Hinweis sei zulässig und "dient der Vorbeugung von Missverständnissen. Die Angabe im Datenblatt bedeutet somit nicht, dass diese Werte in der täglichen Fahrpraxis erreichbar sein müssen." Allerdings sei eine Abweichung von 8,45 Prozent ein durchaus relevanter Mangel. So wurde der Hersteller zwar zu keiner Wandelung, jedoch zum Ersatz der Benzinmehrkosten, zu einer Kaufpreisminderung und zum Ersatz der Prozesskosten verurteilt.

Musterfälle aus Österreich

InÖsterreich sind dem Branchenanwalt Dr. Martin Brenner bisher 2 ähnliche Fälle untergekommen. Ein Klient, der ausschließlich wegen des geringeren Verbrauches von Audi zur neuen C-Klasse gewechselt ist, hat für seinen C200 in seinen detaillierten Aufzeichnungen über 24.151 Kilometer binnen zweiJahren einen Mehrverbrauch von 3,48 Litern je 100 Kilometer ermittelt. Hochgerechnet auf 10 Jahre würde dies bei einer Laufleistung von 120.000 Kilometern Mehrkosten von 5.000 Euro verursachen. Die Angaben im Prospekt haben laut Brenner "ganz bewusst den Eindruck eines geringen Verbrauches erweckt". Der Verkäufer hätte erkennen müssen, dass der Kunde bei den Verbrauchsangaben einem Irrtum unterlegen ist, diesen hätte er aufklären müssen. Auf Anregung des Gerichtes wurden dem Kunden 3.500 Euro ersetzt.

Der zweite Fall betraf einen Mazda 6 Active, mit dem der Kunde ursprünglich durchaus zufrieden war. Doch nach einem vom Werk angeordneten Update des Motorsteuergerätes schluckte das Auto plötzlich durchschnittlich um 1,9 Liter mehr. Nach den Messungen am Rollenprüfstand der TU Wien im "Neuen Europäischen Fahrzyklus"(NEFZ) lagen die durchschnittlichen Verbrauchswerte 31 Prozent über den Prospektangaben. Worauf sich Mazda auf Brenners Rat mit dem Kunden auf ein kulantes Eintauschangebot einigte.

Neue Standards in Vorbereitung

Alle Fälle zeigen: Das Risiko, wegen des Spritverbrauches Gewährleistungsansprüche einzuklagen, ist relativ hoch. Im Mazda-Fall betrugen allein die Gutachtenskosten für die EU-konformen Verbrauchsmessungen mehr als 5.000 Euro, wobei ein Käufer vorweg natürlich nicht weiß, was bei den Messungen letztlich herauskommt.

Die großen Abweichungen zwischen den ECE-Normen und dem Alltagsverbrauch haben bereits die Konsumentenschützer auf den Plan gerufen. Zielsetzung ist die Festlegung einer praxisnahen Verbrauchsermittlung, deren Werte nicht nur unter Laborbedingungen zu erzielen sind.

Nach Einschätzungen von Dipl.-Ing. Werner Tober von der Technischen Universität Wien, der sowohl bei Arbeitsgruppen der UN und der EU mitarbeitet, könnte die Umsetzung neuer EU-Normen bis 2015 gelingen. Bis 2020 sollte sich die Politik mit der Autoindustrie auf den neuen WLTP-Zyklus ("Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure") geeinigt haben, damit die Branche beim Spritverbrauch von ihrem Rosstäuscherimage wegkommt.