Nicht nur, dass die Anliegen der Autohändler bei der ab 2013
geltenden "Schirm-GVO" nicht berücksichtigt wurden: Die wenigen
verbliebenen Schutzbestimmungen sind in der Praxis kaum durchsetzbar.
Umso wichtiger wäre eine Interessenvertretung, die den
Autoherstellern auf Augenhöhe begegnet.
3zu 36: So lautet nicht das jüngste Länderspielergebnis unserer
Fußball-Nationalmannschaft, sondern das personelle Kräfteverhältnis
der Brüsseler Kfz-Interessenvertreter. Die europäische
Händlervereinigung CECRA muss bislang mit lediglich 3 Mitarbeitern,
darunter 2 Teilzeitkräfte, auskommen. Eine weitere Person soll nun
hinzukommen, um den mit bewundernswertem Einsatz kämpfenden
Generaldirektor Bernard Lycke zumindest teilweise zu entlasten.
Die Herstellergemeinschaft ACEA, in der alle in Europa produzierenden
Autokonzerne vertreten sind, bringt es dagegen auf 36 Angestellte und
25 Arbeitsgruppen. Hinzu kommen die Lobbyingabteilungen der einzelnen
Mitglieder: kein Wunder, dass das Pendel in der EU-Kommission in
aller Regel in Richtung der Hersteller ausschlägt.
"Keine zivilrechtlichen Ansprüche"
Das jüngste Beispiel dafür war die Entscheidung, die Kfz-GVO nach
ihrem Auslaufen am 31. Mai 2013 durch die branchenübergreifend
geltende "Schirm-GVO" zu ersetzen. Händlerschutzbestimmungen wie die
zweijährige Kündigungsfrist, die Kündigungsbegründung oder der
ungehinderte Betriebsverkauf innerhalb eines Markennetzes gehen damit
verloren. Übrig bleibt beispielsweise der Garantieerhalt, wenn
Autofahrer Servicearbeiten in freien Werkstätten durchführen lassen,
oder die qualitative Selektion der Werkstattnetze. Doch auch diese
Rechte könnten in der Praxis schwer durchsetzbar sein: Das zeigen die
jüngsten Aussagen der Wettbewerbshüter.
Welche Folgen hat es beispielsweise, wenn ein Importeur entgegen den
Bestimmungen der "alten" Kfz-GVO, die in der "Service-GVO" nochmals
hervorgehoben wurden, das Erbringen von Garantieleistungen von
regelmäßigen Wartungsarbeiten in Vertragswerkstätten abhängig
macht?"Aus der (ständigen) Rechtsprechung des OGH ergibt sich, dass
aus der Kfz-GVO keine zivilrechtlichen Ansprüche abgeleitet werden
können", antwortete der Bundeskartellanwalt auf eine Anfrage des
Branchenjuristen Dr. Friedrich Knöbl. Jüngst wurde das von der
Bundeswettbewerbsbehörde (BW) bestätigt: "Ein direkter Anspruch auf
Gewährung von Garantie zu anderen als den vereinbarten/ausgelobten
Bedingungen wird nicht begründet", so die Rechtsauffassung der
Wettbewerbshüter. "Im Klartext heißt das: Wenn im Serviceheft steht,dass Wartungs-und Inspektionsarbeiten nur in den eigenen
Markenwerkstätten durchgeführt werden dürfen, dann muss sich der
Kunde an diese Vorschrift halten", fasst Knöbl zusammen.
Unsichere Perspektiven
Ein weiteres Beispiel ist der freie Zugang zu den Werkstattnetzen,
sofern ein Bewerber gewisse qualitative Voraussetzungen erfüllt. Dies
wurde ganz eindeutig von der EU-Kommission beabsichtigt, hielt sie
doch in den ergänzenden Leitlinien zur Kfz-GVO fest, dass die
Hersteller keine "quantitativen Kriterien bei der Auswahl der
Bewerber" anwenden dürfen. Wenn sie es dennoch tun? Auch dann sind
laut der BWB keine unmittelbaren zivilrechtlichen Klagen möglich, da
durch die GVO "selbstverständlich nicht eine eigene zivilrechtliche
Anspruchsgrundlage geschaffen" worden ist. Stattdessen müsste sich
der betroffene Betrieb laut Knöbl an die BWB wenden, die wiederum
feststellen könnte, dass die Importeurspraxis gegen das
EU-Kartellverbot verstößt. Danach käme es zu einer Einzelfallprüfung,
allenfalls würde der Hersteller seine "kartellrechtliche
Freistellung" verlieren und die Werkstätte könnte Schadenersatz
aufgrund ihres Verdienstentgangs geltend machen. "Angesichts dieses
Risikos wird es ein Herstellermöglicherweise vorziehen, die eine
oder andere ungeliebte Werkstätte in sein Markennetz aufzunehmen", so
Knöbl. Alles in allem sind dies aber recht wackelige Perspektiven,
zumal diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten viele Jahre in Anspruch
nehmen würden.
Verhaltenskodex und Agentenrichtlinie
Stehen die Autohändler also auf rettungslos verlorenem Posten? Nicht,
wenn es ihnen gelingt, in Brüssel durchsetzbare Rahmenbedingungen
herbeizuführen. Dazu gibt es derzeit 2 Ansätze: Einerseits soll mit
den Herstellern ein Verhaltenskodex vereinbart werden, andererseits
will man statt der künftig noch zahnloseren GVO die
Handelsvertreterrichtlinie auf die Autobranche ausweiten.
Der "Code of Conduct" soll laut dem Wunsch der CECRA alle bekannten
Händlerschutzbestimmungen, also beispielsweise eine fünfjährige
Mindestvertragsdauer oder ein Recht auf Mehrmarkenvertrieb, sowie die
Verpflichtung zu "objektiven, transparenten, angemessenen und nicht
diskriminierenden" Standards enthalten. Einklagbar wäre dieser Kodex
wohl nicht, ein starkes Signal von Herstellerseite aber allemal:
Entsprechend kühl reagiert die ACEA. Sie ist lediglich bereit, einen
eigenen Minimalentwurf aus dem Jahr 2008 umzusetzen, der nicht viel
mehr als die zweijährige Kündigungsfrist enthalten würde. Weitere
Gespräche zu diesem Thema würden verweigert, bedauert
CECRA-Generaldirektor Lycke.
"Wir kämpfen weiter"
In Sachen Handelsvertreterrichtlinie haben sich die
Interessenvertreter auf einen langenÜberzeugungsprozess eingestellt.
"Aufgrund der prinzipiellen Gleichartigkeit der Systeme wäre es
angemessen und zwingend, die Anwendung der Richtlinie auf
Vertragshändler auszuweiten", heißt es im Positionspapier der CECRA.
Unterstützt wird sie dabei vom EU-Parlament, das schon in einer
Resolution vom Mai 2010 für Autohändler "das gleiche Niveau an
Vertragssicherheit wie für Handelsagenten" gefordert hat. Doch die
Kommission lehnte ab, da sich Agenten "in einer völlig anderen
Situation" als auf eigenen Namen verkaufende Händler befinden würden:
Eine wenig realitätsnahe Auffassung,wenn man bedenkt, dass
beispielsweise in den Mercedes-Verträgen die Begriffe "Agent" und
"Händler" nach Belieben abwechselnd verwendet werden.
"Wir setzen den Kampf fort", betont Lycke, der erneut möglichst viele
EU-Parlamentarier sowie Konsumentenvertreter bis hin zu den
Autofahrerklubs einbinden will. Eines ist ihm freilich bewusst: Bis
zum Auslaufen der Kfz-GVO im Mai 2013 wird eine Ausweitung der
Handelsvertreterrichtlinie selbst im positivsten Fall kaum möglich
sein.
Mehr Mittel nötig
Dass die immer magerer werdende Rechtsbasis nicht ausreicht, um den
Fahrzeughandel in seiner heutigen Form zu schützen, ist allen
Experten klar. Wenn der gegenwärtige Hochbetrieb in den Schauräumen
abebbt, wird dies auch den einzelnen Händlern schmerzlich bewusst
werden.
Um bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, ist aber ein stärkerer
Auftritt in Brüssel nötig. "Schließlich werden 80 Prozent der
Entscheidungen, die unsere Branche betreffen, hier gefällt", weiß
CECRA-Präsident Jean-Paul Bailly. Sein gegenwärtiges Jahresbudget von
einer halben Million Euro wird kaum ausreichen, um den ungleichen
Kampf zu gewinnen: Es liegt an den nationalen Interessenvertretern,
ihre Speerspitze in Brüssel zu schärfen.