Peking ist auf großer Einkaufstour: Zuerst MG Rover und Volvo, dann
Autozulieferer wie Getrag, SaarGummi oder der Geschäftsbereich
Bremssysteme der Robert Bosch GmbH. Im nächsten Schritt wollen
chinesische Fahrzeugbauer endlich direkt im Westen aktiv werden. Als
besonders aussichtsreicher Kandidat gilt dabei Chery-Quantum.
Der rasche Anschluss an die automobile Spitzentechnologie lockt auch
deutsche Manager wie den renommierten Autodesigner Gert Hildebrand
aus Inzlingen bei Lörrach, Baden-Württemberg. Zuletzt Leiter der
Designabteilung bei der BMW-Kompaktwagenmarke Mini und zuvor
Stardesigner bei Opel, Volkswagen und Seat, werkt Hildebrand genauso
wie der ehemalige Chef von Volkswagen Nord-Amerika Volker
Steinwascher nun bei der bis vor Kurzem kaum bekannten Chery-Quantum
Auto Company (CQAC).
Chinesisch-Israelisches Projekt
2008 startete der Fahrzeughersteller als Gemeinschaftsunternehmen
zwischen der chinesischen Marke Chery und einem amerikanischen
Tochterunternehmen der Israel Corporation, der Firma Quantum LLC. Zur
Israel Corporation gehört der Batteriehersteller A123 sowie das
Batterieladestationenunternehmen Better Place. Die Kapitalausstattung
betrug bei Gründung 270 Mio. Euro, die zu 55 Prozent von Chery
aufgebracht wurde. Ursprünglich war als Produktionsstandort Wuhu in
der Anhui Provinz, geplant, wo Chery seinen Firmensitzhat. Die
weltweite Finanzkrise und Umweltschutzbedenken, so zumindest die
offizieller Website der Israel Corporation, haben diese Pläne aber
zunichte gemacht.
Mittlerweile ist Chery-Quantum aber wieder hoch aktiv: Das Ziel ist
die unabhängige Entwicklung und Produktion von qualitativ
hochwertigen und preislich attraktiven Fahrzeugen, die auch im hart
umkämpften mitteleuropäischen Markt Käufer begeistern können. CQAC
hat für diese eigenständige Fahrzeuglinie den Markennamen "QO-ROS"
weltweit registriert und plant im ersten Schritt die Produktion von
drei Modellen (Kleinwagen, Kompakt-SUV, Mittelklasselimousine). Im
Juli 2011 haben beide Partner eine Kapitalerhöhung beschlossen: In
den nächsten drei Jahren werden sie 500 Millionen Euro unter anderem
in den Aufbau eines Fertigungswerkes in Changshu, 110 Kilometer
nordöstlich von Shanghai, investieren. Der Produktionsstandort wurde
Ende September von der staatlichen "National Development and Reform
Commission" für eine maximale Produktionskapazität von 150.000
Fahrzeugen, davon ca. 40 Prozent für den Export, genehmigt.
Kurswechsel beim Design
Designchef Hildebrand ist seit Jahreswechsel hoch motiviert, darf er
doch endlich ein neues Fahrzeug von Grund auf kreieren -ganz nach dem
Geschmack deutscher undösterreichischer Autokäufer. Keine plumpen
Kopien mehr wie die Mittelklasselimousine Chery Eastar B11, alias
Dawoo Magnus, oder der nah am japanischen Toyota RAV4 stehende Chery
Tiggo 3 (T11). Ganz zu schweigen vom niedlichen Chery QQ, dem sogar
die Originaltüren des Daewoo Spark passen. Alle drei Modelle können
nur chinesische Käufer mit schmaler Geldbörse gewinnen, hätten aber
keine Chance in Europa, da sowohl Design und technische Ausstattung
und Fahrleistung von (vor-)gestern sind.
Mehr Chancen auf eine Serienproduktion und Marktakzeptanz in Europa
könnte der Kompakt-SUV Tiggo 5 (T21) haben, der in China als
Riich-Submarke positioniert wird. Der Tiggo 5 hat in etwa die
gleichen Abmessungen wie der VW Tiguan und soll von Chery 2013 auf
dem Markt kommen. CQAC wird bei diesem und weiteren Modellen das
Anpassungsengineering für westliche Zielmärkte vornehmen und hierfür
Basis-Fahrzeuglizenzen von Chery erwerben. Die Muttergesellschaft
Israel Corporation gewährt für die elektrische Version Zugriff auf
die A123 Batterietechnologie, Better Place liefert die
"Elektrotankstelle" dazu.
Kommunistisches Wunschdenken
Damit die Fahrzeugtechnik internationales Niveau erreicht, wird
Hildebrand in Zukunft mehr interkontinental reisen: Eine Woche
arbeitet er bei Chery-Quantum in Shanghai, zwei Wochen koordiniert er
die Entwicklungsprojekte bei Magna in Graz und eine Woche soll er
sich noch bei BMW im München aufhalten.
Vor seinem Einstieg bei CQAC waren die Ergebnisse eher mager: 2009
wurde auf der Shanghai Autoshow die Elektrifizierung des Kleinautos
Chery M1 EV (S18) vorgestellt und 2010 der Produktions-und
Vertriebsstart mit detaillierten Preisangabe in der Presse groß
gefeiert. Nur ist der Elektroflitzer auf dem Weg vom Werk zu den
Fahrzeughändlern irgendwo liegengeblieben: Mitte Oktober wurde er im
Stadtbild von Shanghai noch nicht gesichtet. Tatsächlich wurden 2009
nur einige Exemplare für Test-und Propagandazwecke produziert, der
Rest war chinesisch-kommunistisches Wunschdenken.
Probelauf in Italien
In der Zwischenzeit konnte Chery aber ohne Risiko und eigene
Investitionen lernen, wie man eine neue Automarke in Mitteleuropa
aufbaut: Der italienische Pionierpartner DR Motor Company S.A. hat
2008 in kleinem Maßstab mit der Fahrzeugmontage begonnen, nachdem die
Firma zuvor nur als Motorenhersteller im Automobilsport aufgetreten
war. Das von Massimo di Risio 2006 gegründete Privatunternehmen
bezieht als Lizenznehmer von Chery den SUV Tiggo 3 über den Hafen
Neapel, wo er ohne Antriebstrang, Achsen, Lenkrad und Anbauteile an
Land geht. DR war für das Anpassungsengineering sowie die
EU-Homologation verantwortlich und verkauft nach Re-Branding den SUV
(nun als DR5) sowie weitere Modelle über sein italienweites
Händlerund Servicenetzwerk. Die 1,6-Liter-2WD-Version kostet laut
Firmenangaben in Italien 13.880 Euro, der 2,0L 4WD Executive ist um
17.880 Euro erhältlich.
Der DR5 hat in Italien freilich nur magere zwei (!)EU-NCAP-Sterne
geschafft, und das auch nur durch etliche Modifikationen an der Chery
Tiggo-Karosse und im Innenraum. Chery hat es damit schwarz auf weiß:
Die aktuell in China entwickelten Fahrzeuge taugen nichts für reife
und anspruchsvolle Märkte. Nur eigens für Europa entwickelte und
produzierte Modelle können die Hürde nehmen -und genau dies soll das
Gemeinschaftsunternehmen CQAC schaffen.
Offizielle Vorstellung noch 2012
Mit deutschem Management, deutschem Designer und dem
austrokanadischen Engineering-Partner Magna könnte in der Tat der
Quantensprung bei zukunftsweisender (Elektro-)Technologie,
Fahrzeugsicherheit und Design gelingen. Ende 2012 soll die
Markteinführung von SUV und Limousine mit konventionellen Benzin-und
Dieselaggregaten, aber auch mit einem Elektroantrieb starten. Aus dem
"Pilotprojekt" mit DR Auto lässt sich ableiten, dass der Direktexport
nach Westeuropa starten wird, sobald die Technologie-und Designlücke
geschlossen ist. Es wird wieder spannend rund um das Thema "Autos aus
dem Reich der Mitte": Importeure, Fahrzeug-und Ersatzteilehändler
aufgepasst!