Als Aprilscherz ein wenig zu spät und leider ernst gemeint, ist am 6.
April die seit 2010 angekündigte
Abgasklassen-Kennzeichnungsverordnung für die Fahrzeugklassen M (Pkw)
und N (Lkw) veröffentlicht worden.
Ab 1. September wird daher der
durchschnittliche österreichische Pkw mit mindestens 3 Klebern
(§-57a-Pickerl, Vignette und Abgasplakette) an der Windschutzscheibe
verziert sein. Das Bild kann durch ausländische Kleber ähnlicher Art
weiter verschönert werden.
Irgendwo beschleicht einen das Gefühl, dass Politiker sämtlicher
Couleurs im Auto das geeignete Objekt für ihre eingeschränkte
Handlungsfreiheit entdeckt haben. Gehandelt wird ohne jegliche
Sachkenntnis auf Basis von populistischen Motiven. Was soll mit der
jetzigen Klebeaktion eigentlich erreicht werden? Warum wurde nicht
auf die auch aus Umweltüberlegungen grün oder weiß gefärbten
§-57a-Kleber (die den Vorteil einer Kontrolle des tatsächlichen
Erhaltungszustandes haben) zurückgegriffen? Offensichtlich, weil der
Umweltminister seiner lieben Amtskollegin im Verkehrsministerium
zeigen will, dass er es noch besser kann. Oder möchte er ihr den
schwarzen Peter der Umsetzung zuschieben.
Mit dem fünf verschiedenen Farben der Plaketten soll den
Landeshauptleuten die Möglichkeit geboten werden, zeitlich und
räumlich begrenzte Umweltbeeinflussungsmaßnahmen zu setzen, also zum
Beispiel bestimmte Fahrzeuge aus sensiblen Zonen auszuschließen.
Interessant ist, dass das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) bereits
von einer Klasse 6 spricht, aber die Verordnung mangels Verfügbarkeit
solcher Fahrzeuge nur bis Klasse 5 einteilen kann.
Was die Sache besonders pikant macht, ist der Umstand, dass es die
wunderschön definierten Euro-Klassen (gilt vor allem für Pkw) nur in
der Theorie gibt. Die Zulassungspapiere weisen zwar die jeweilige
EU-Richtlinie mit ihrer Veröffentlichungsnummer aus, aber keine
Hinweise auf bestimmte Euro-Klassen. Wir sprechen hier von in Europa
genehmigten Fahrzeugen, bei Fahrzeugenaus Übersee wird es überhaupt
nur Rätselraten geben. Nicht einmal die Landesprüfstellen werden in
der Lage sein, solche Fahrzeuge rasch zuzuordnen. Wie soll dann eine
normale §-57a-Werkstätte solche Einteilungen vornehmen? Hier werden
Gesetze ohne jegliche Kenntnis der Materie geschaffen, ausbaden und
bezahlen können es andere. Ich weiß genau, wovon ich hier spreche,
habe ich doch jahrelang im BMVIT im Rahmen von Ausnahmegenehmigungen
mit derartigen Zuordnungen zu tun gehabt.
Stellt sich schon eine prinzipielle Frage: Warum sollte man ein Auto
mit einer Plakette der schlechteren Klassen kennzeichnen, wenn man es
nach einem riesigen bürokratischen Aufwand für die Zuordnung im Falle
eines Verbots nicht verwenden kann? Schon das IG-L gibt mit seinen
Ausnahmen von zeitlichen und räumlichen Beschränkungen des Verkehrs
eine klare Richtung vor. Selbst für wichtige Personengruppen wie
Ärzte, Personenbeförderungsunternehmen oderim Vor- und Nachlauf des
kombinierten Verkehrs sind für generelle Ausnahmen Fahrzeuge der
Abgasstufe 5 erforderlich.
Wie es sich für einen Umweltminister mit landwirtschaftlichen Wurzeln
gehört, sind neben Einsatzfahrzeugen und solchen im öffentlichen
Interesse Fahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft ausgenommen. Bei
hybrid-elektrischen Fahrzeugen muss eine Reichweite von mindestens 50
km gegeben sein, was ebenfalls in keiner einzigen Datenbank enthalten
ist. Übrigens wird in der Verordnung eine
"Abgasklassifizierungsdatenbank" beschrieben, ohne dass es eine
solche auch nur im Ansatz geben würde. Auch in der
Genehmigungsdatenbank sind Euro-Klassen nach Aussagen von
Landesbeamten in der Regel nicht enthalten.
Die Kundmachung von Fahrbeschränkungen sollte in der Regel mit
Verkehrszeichen erfolgen. Als einmaliges Novum soll bei
unverhältnismäßig hohem Aufwand die Veröffentlichung im
Landesgesetzblatt plus Internetseite des Landes genügen. Das kann ja
lustig werden!
Bleibt die abschließende Frage, wer von den Landeshauptleuten als
Erster in die Umweltgeschichte eingehen wird. Mein Tipp geht in
Richtung Ballungsraum Linz, wo man mit der
Verkehrsbeeinflussungsanlage schon Vorarbeit geleistet hat.