Beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) sieht man
Wrackbörsen inzwischen deutlich entspannter als noch vor einigen
Jahren: wohl auch deshalb, da die deutschen Versicherungen davon
abgekommen sind, möglichst jeden Unfallschaden in einen
wirtschaftlichen Totalschaden umzuwandeln.
Hilfreich ist dabei der deutsche Bundesgerichtshof (BGH), für den es
seit Langem "tunlich" erscheint, Reparaturen eines Unfallautos bis zu
130 Prozent seines Zeitwertes zuzulassen. Sollte dennoch ein
Totalschaden vorliegen, sind die Sachverständigen bei der
Restwertermittlung verpflichtet, zumindest drei Anbote aus dem
Einzugsgebiet des Geschädigten insKalkül zu ziehen. Der ist dann
berechtigt, sein Wrack zu diesem Gutachtenswert zu verkaufen oder bei
einem Autohändler in Zahlung zu geben. Allerdings nicht, wenn ihm die
Versicherung schon vorweg ein besseres Wrackoffert quasi "am
Silbertablett" offeriert hat. Ablehnen kann er das natürlich immer,
doch muss er sich bei der Totalschadensabrechnung den höheren
Restwert anrechnen lassen.
Neuerliche Klarstellung
Im Juni 2010 wurde das vom BGH in einem Fall (VI ZR 232/09) neuerlich
betont, in dem der Gutachter den Wiederbeschaffungswert mit 25.800
Euro und das Wrack mit 5.200 Euro bewertet hatte. "Der Kläger hatte
das Unfallfahrzeug -nachdem er seinen Versicherer eingeschaltet und
dieser ihm mithilfe der Restwertbörse eine günstigere
Verwertungsmöglichkeit aufgezeigt hatte -um 10.700 Euro veräußert",
beschreibt das Urteil den Sachverhalt. Die Versicherung rechnete den
Schaden auch auf dieserBasis ab. Mit der Forderung des
Differenzbetrages von 5.500 Euro blitzte der Kläger in allen
Instanzen ab: Zwar könne der Geschädigte seiner Schadensberechnung
grundsätzlich den durch den Gutachter ermittelten Restwertbetrag
zugrunde legen. Anders gelte aber, wenn der Geschädigte ohne
übermäßige Anstrengungen einen Erlös erzielt habe, der den vom
Sachverständigen geschätzten Betrag übersteige.
Professionelle Anbieter
In Deutschland kämpfen gleich drei Internetplattformen darum, den
Kfz-Versicherungen und Sachverständigen das dafür erforderliche
Service zu bieten. Nach einem Unfall werden die erforderlichen
Reparaturkosten, der Wrackwert sowie die Differenz zwischen dem
Wiederbeschaffungswert und einer Restwertprognose zur Verfügung
gestellt. "Wir sind aber keine Erfüllungsgehilfen",
verweist Josef Thelen, Geschäftsführer der APE Ptacek Engineering
GmbH, auf die lobende Erwähnung seiner Restwertbörse "Car TV" im
BGH-Urteil. Nach der Ansicht der Richter sei durch deren Service dem
Kläger "das Restwertangebot der Firma Kfz-Handel F. "in den Schoß
gefallen".
Eine reibungslose Abwicklung ist daher entscheidend, ob ein
Geschädigter das Anbot aus der Wrackbörse akzeptieren muss oder
nicht. Dafür betreibt die "WreckOnlineMarket AG"(W.O.M.) als Jüngster
der Wrackvermarkter das "Deutsche Logistikzentrum für Unfallwagen" in
Baden-Baden, mit dem eine "Kasko-Vollabwicklung" propagiert wird. Da
geht es um das Tempo der Abholung, die Wrack-Zwischenlagerung und die
prompte Zahlungsabwicklung.
"Sofort zuschlagen"
"Ich muss mich als Geschädigter nicht auf das Restwertanbot
einlassen, wenn das Wrack schon verkauft wurde", rät Ulrich Dilchert,
Rechtsanwalt beim ZDK, den lokal agierenden Werkstätten, nach
Vorliegen eines interessanten Sachverständigengutachtens beim Kunden
"sofort zuzuschlagen". Denn der Internetmarkt sei "ein Sondermarkt"
und die Restwertkäufer würden "immer professioneller". Für die
Geschädigten wird es daher immer riskanter, ein Wrackbörsen-Anbot
zugunsten eines niedrigeren Eintausch-Anbotes des lokalen Händlers
auszuschlagen.
Einblick in die Preisstaffeln
Neben diesem vor allem für Versicherungen so wichtigen Service geht
es sowohl den Wrackbörsen als auch ihren Kunden ums Geld. Für jede
Einstellung auf eine der Plattformen ist eine (meist
volumenabhängige) Gebühr zu bezahlen. Bei W.O.M. liegen diese im
Durchschnitt zwischen 10 und 13 Euro, maximal jedoch bei 17 Euro pro
Fahrzeug. Daneben gibt es bei W.O.M. keine Registrierungsgebühr und
keine Transaktionskosten. Käufer haben somit keine Fixkosten, sondern
zahlen nur eine "Zuschlagsgebühr" von 17,50 Euro pro tatsächlich
realisierten Kauf. "Bei uns zahlt man nur, wenn tatsächlich gehandelt
wird", verweist derfrisch gebackene Österreich-Statthalter Karl
Sauber weiters darauf, dass bei W.O.M. nur "nationale" Verwerter und
Händler zugelassen werden: "Damit bleibt die Wertschöpfung im Land."
Bei Car TV sind die Gebote ebenfalls kostenlos. Bei Erteilung des
Zuschlages wird eine von der Höhe des gebotenen Restwertes abhängige
Gebühr fällig. Für das Einstellen in der deutschen Heimat werden 18
Euro netto kassiert, im EU-Ausland 20,50 Euro. 4.000 Einstellern
stehen dabei 1.500 aktive Händler gegenüber. Insgesamt kommt Thelen
mit zuletzt 462.000 Einstellungen auf 3,6 Millionen Gebote, somit
mehr als 7 pro Einstellung. Er schätzt, dass in Deutschland von den
vier Millionen Unfällen jährlich etwa 25 Prozent in den
Restwertbörsen landen. In Deutschland seit 1998 am Markt, ist man
auch in Österreich bereits länger aktiv. "Das hat mit Exoten
begonnen, heute haben wir auchdort viele Kunden", ist auf Grund der
Judikatur eine "Regionalität" der Anbote weiterhin stark gefragt.
"Mit Abstand der Größte"
Im Gegensatz zum mittelständisch geführten Car TV setzt die in San
Diego beheimatete Solera Holding auf Globalisierung. Mit 55.000
Kunden in 50 Ländern kommt der an der New Yorker Börse notierende
EDV-Dienstleister auf einen Umsatz von 557,7 Millionen Dollar. 1998
wurde die bis dahin kooperierende Audatex-Gruppe geschluckt, im
Oktober 2009 war in Deutschland die DEKRA-Gründung AUTOonline GmbH an
der Reihe.
Insgesamt ist Solera damit -einschließlich Österreich -in 26 Ländern
in der "Restwertermittlung" aktiv. "Wir sind mit Abstand der Größte",
verweist der deutsche Audatex-Geschäftsführer Ferdinand Moers auf die
bis 1966 zurückgehende Firmengeschichte. Bereits 1966 als "Auto Daten
Expertisen" von einem deutschen Sachverständigenteam gegründet, kam
man unter den Fittichen der Wiener Städtischen 1969 nach Österreich.
Von 1990 bis 2001 wurde Audatex von "Experta"-Geschäftsführer
Johannes Habersam von der Wiener Städtischen aus mitbetreut.
Bei den Konditionen sieht Moers am deutschen Markt nur geringe
Unterschiede. Wesentlich sei, dass seine AUTOonline den Einstellern
bis 10.000 Euro eine Abnahmegarantie biete.Überdies könnten
Sachverständige für die Erhebung der Restwerte auch den lokalen Markt
mit abfragen.
Andere Verhältnisse in Österreich
InÖsterreich sind nach Erfahrungen der Geschädigten die
Versicherungen bei der Abwicklung von Totalschäden von dem vom BGH
geforderten "Silbertablett" noch weit entfernt. Das ist
möglicherweise auf die geringe Konkurrenz unter den Wrackbörsen
zurückzuführen. Was es den Unfallopfern leichter ermöglicht, für sie
ungünstige Angebote aus der Wrackbörse auszuschlagen. Was für flinke
lokale Werkstätten den Vorteil hat, dass ihnen nicht so viele Wracks
vor der Nase weggeschnappt werden. Was der Wertschöpfung im Lande
sicherlich förderlich ist.