Jeder weiß, dass ein Auto nach einer Reparatur weniger wert ist als
im unbeschädigten Zustand. Die Judikatur hat daher den "merkantilen
Minderwert" erfunden. Was das ist und wie dieser zu bewerten ist,
darüber scheiden sich die Geister.
Mit Worten lässt sich trefflich streiten, bin des Professorentons nun
satt" - das hat schon der alte Goethe in seinem "Faust" trefflich
erkannt. Vielleicht ist ihm dabei visionär schon der bei den Hofräten
des Obersten Gerichtshofes (OGH) hoch verehrte und bei den
Versicherungen äußerst willkommene Professor Peter Apathy
vorgeschwebt. Dieser hat 1988 in einer Abhandlung zur Darlegungen des
"merkantilen Minderwerts" gleich den ganzen Duden strapaziert. Da
gibt es den Wiederbeschaffungswert, den Verkaufswert, den Wrackwert,
den Zeitwert, den Ankaufswert, den Einkaufswert, den Verkehrswert,
den Eintauschwert und den gemeinen Wert. All das, um die
OGH-Schöpfung "merkantiler Minderwert" wissenschaftlich zu
untermauern und diesen vom noch weniger verständlichen Begriff des
"objektiven Minderwertes" abzugrenzen.
Zum Glück gibt es dafür verständlichere Definitionen. Ausgangspunkt
dafür ist die Tatsache, dass die Reparatur eines Unfallautos den
Schaden nicht ganz auszugleichen vermag. Folglich sei "der trotz
einwandfreier Reparatur verbleibende rechnerische Schaden dem
Geschädigten in Geld zu ersetzen". Zur Reparatur gibt es für das
Unfallsopfer auch noch cash. Der Grund wird dafür gleich
mitgeliefert: "Das beschädigte und reparierte Fahrzeug gilt als
Unfallwagen, der am Markt niederer bewertet wird als ein unfallfreier
Wagen, auch wenn er sich in der Gebrauchsfähigkeit von einem
unbeschädigten Wagen nicht unterscheidet."
Verborgene Schäden
Den Versicherungen war der vom OGH geschaffene "merkantile
Minderwert" von Haus aus ein Dorn im Auge. Spötter bezeichneten ihn
als Schmerzensgeld dafür, dass des Österreichers liebstes Kind - das
Auto - verletzt wurde. Doch es geht um mehr: Der jeweilige Eigentümer
trägt das Risiko, dass Fehler und Mängel aus dem Unfall unentdeckt
geblieben sind. Darüber hinaus kann es auch nach einer
ordnungsgemäßen Reparatur zu einem verfrühten Auftreten von Schäden
kommen. Das wurde schon 1974 vom Altmeister des Kfz-Schadens Fritz
Sacher kommentiert: Nach dem Stand der Reparaturtechnik kann bei
"entsprechendem Aufwand" jeder Schaden ohne Zurückbleiben sichtbarere
Spuren und "ohne Risiko" verborgengebliebener Mängel behoben werden.
Diesem technischen Argument hat der OGH
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gegenüber gestellt. Man könnte ein
Auto völlig zerlegen, um das Risiko verborgen gebliebener Mängel
komplett auszuschließen und zur Sicherheit noch alle Teile tauschen,
die vom Unfall nur geringfügig betroffen wurden - etwa, weil sie
durch die Erschütterung gelitten haben. Damitwürde man die
Ausschaltung der Ursachen des "merkantilen Minderwertes" mit
entsprechend höheren Reparaturkosten einkaufen. Folglich wäre ein
großer Teil der Unfallreparaturen als "untunlich" einzustufen.
"Gefühlsmäßige Abneigung"
Doch es geht dem OGH nicht nur um das Unbehagen des Geschädigten,
künftig mit einem Unfallwagen zu fahren. Es geht um das
Käuferpublikum, das "wegen seiner gefühlsmäßigen Abneigung gegen
Unfallwagen erfahrungsgemäß eine Preisreduktion begehrt". Eine
klassische Frage der Marktforschung, deren Beantwortung jedoch den
Kfz-Sachverständigen überlassen wurde. Es hängt von deren
Marktkenntnissen ab, welches "Unbehagen" sie mit welchen Unfallfolgen
verknüpften, wobei sich dieses "Unbehagen" im Lauf der Jahrzehnte
selbstverständlich verändern kann.