Von den 3 Millionen Neuwagen, die jährlich in Deutschland abgesetzt werden, geht schon jetzt 1 Million über diverse Direktvermarktungsstrategien am Markenhandel vorbei. Tendenz: weiterhin steigend. In einem stagnierenden Markt bleibt den Händlern ein stets kleiner werdender Kuchen, um den sie sich raufen. Allen ist bewusst, dass einige ins Gras beißen müssen, doch keiner will dazugehören. Unter diesen Umständen geht der Kampf ums Überleben vor jeglicher Solidarität.

Vor dem Kahlschlag?

Derzeit wird der Handel vom nach wie vor stabilen Werkstättengeschäft quersubventioniert. Das hat seine Grenzen. Aus der Sicht der Hersteller gibt es zur Verbesserung der Ertragslage daher nur eine Möglichkeit: Höhere Stückzahlen pro Betrieb, um so wieder zu Erträgen im Handel und zu einer besseren Amortisation der vorgegebenen Händlerinvestitionen zu kommen.

Hans Bresser, Geschäftsführer des niederländischen Händlerdachverbandes, führte die Auswirkungen drastisch vor Augen: Im Jahr 2009 kamen die Holländer auf 450.000 Neuzulassungen und erwirtschafteten mit 2.800 Betrieben gerade eine schwarze Null- insbesondere, da zuletzt auch mehr kleinere Fahrzeuge mit geringerSpanne verkauft wurden. Um auf eine Umsatzrendite von 1,5 Prozent zu kommen, muss bei der derzeit den Händlern verbleibenden Restspanne ein Betrieb jährlich 1.100 Neuwagen absetzen. Für dieses Ziel müsste ein Drittel aller Outlets eliminiert werden.

Kein Platz für Kleinbetriebe

Dass viele der kleineren Händler Zukunftssorgen haben, ist unter diesen Umständen verständlich. "Customer Driven Areas" umreißen das aus Sicht der Industrie möglichst große Einzugsgebiet, das jeder einzelne Händler zu betreuen hat. Kleine, unabhängige Händler sind in diesen "areas" unerwünscht. Diese sollen sich mit der Rolle als Verkaufshelfer begnügen. Die Argumentation dazu liegt auf der Hand: Wenn sich mit dem Handel nichts verdienen lässt, braucht sich auch kein kleiner Händler darum reißen. Der dadurch verringerte Wettbewerb sichert den verbleibenden großen eine bessere Chance zum Überleben.

Ein Viertel weniger Händler

In Deutschland wird das punktuell schon vorexerziert. Etwa bei BMW, wo die Händlerverträge Ende 2012 auslaufen: "Ich erfahre erst sechs Monate vorher, ob der Vertrag verlängert wird", skizziert Vertragshändler Wolfgang Reichert den mangelnden Planungshorizont. Fix ist derzeit lediglich, dass rund 25 Prozent der BMW-Händler 2013 keinen Vertrag mehr haben werden. Mit 1.500 Neu-und Jungwagen pro Jahr braucht sich Reichert im Gegensatz zu den Kleineren kaum Sorgen zu machen. Kleinstadthändler mit bloß 100 Stück werden aber wohl zu Servicestationen zurück gestuft. Dies sind gerade jene Betriebe, die dank ihrer "Beziehungskisten" mit fast familiären Bindungen zum"kleinen Bürger auf dem Land" in ihrem lokalen Einzugsgebiet durch geringere Rabatte durchaus Geld noch verdient haben.

Wichtige Werkstattdichte

Die Hersteller müssen allerdings darauf achten, dass ihnen vorerst die Kleinen als Servicebetriebe erhalten bleiben. "Wenn der Service weg ist, sind die den Kunden los", urteilt Reichert nüchtern. Die Großen werden deshalb schon jetzt aufgefordert, diese Gebiete mit zu betreuen und so für eine Marktkontinuitätzu sorgen. Da auch Marken wie Audi oder Peugeot diese Strategie verfolgen, müssen die Kunden für ihre Mobilität künftig wohl größere Entfernungen in Kauf nehmen. Dass sich dies nicht auf die österreichische Topografie übertragen lässt, ist klar. Schließlich kommt es nicht auf die Luftlinie zum nächsten Autotempel an. Entscheidend ist, wie lange man dort hinbraucht. Die Gretchenfrage der Netzplaner bleibt daher: Wie weit fährt ein Interessent zum Autokauf, ehe er zur Konkurrenz wechselt?

Unsichere Investitionen

"Der Handel muss mit seinen Investitionen die derzeitigen Strukturen erhalten, während die Industrie hinter verschlossenen Türen bereits über Vertriebsmodelle nachdenkt, bei denen der Handel nur noch peripher vorkommt", ist Ulrich Fromme, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK), übererbost. Mit Internet, konzerneigenen Autohäusern in den Ballungszentren und den für das Service vor Ort erforderlichen Vertragswerkstätten ist ein Autohandel auch ohne Autohändler möglich. Seitens der Händlern wird somit in eine Zukunft investiert, die möglicherweise keine Zukunft mehr hat. Diesen Befürchtungen schließt sich Wiesenthal-Chef Dr. Alexander Martinowsky an. Die Gefahr besteht, dass der Autohandel nicht nur in den langfristigen Plänen der Hersteller nicht mehr vorkommt, sondern "auch in den Vorstellungen der Banken". Und das schon in absehbarer Zukunft, wenn dieser mit seinen Autopalästen kein Geld verdient. "Ohne Finanzierung geht gar nichts", müssen die Händler aus seiner Sicht im Durchschnitt wieder auf eine Umsatzrendite von mindestens 2 Prozent kommen.

Neue Geschäftsmodelle nötig

Auf die Dauer kann auch die Quersubventionierung aus dem Werkstättengeschäft nicht funktionieren. Nach Martinowskys Berechnungen müssten die Betriebe im Handel um 100 Prozent zulegen, um bei den derzeitigen Restspannen mit höheren Stückzahlen wieder auf diese 2 Prozent zu kommen. "Das ist völlig unrealistisch", plädiert er daher für neue Geschäftsmodelle, die den Händlern ein Überleben ermöglichen.

Selbst aus der Sicht des deutschen Peugeot-Chefs Thomas Bauch ist die derzeitige Restspanne vielfach unzureichend. Dies wird sich kaumändern. Nur mit Emotionen können die Kunden dazu bewegt werden, immer größere und teurere Autos zu kaufen. Das sind jene Autos, mit denen der Handel in der Vergangenheit Geld verdient hat. Die Anforderungen der Kunden an den Erlebniseinkauf werden immer größer, was auch die Standards noch weiter nach oben schraubt. Dies übersteigt -vor allem bei hohen Grundstückpreisen und Mieten -die Finanzkraft ortsansässiger Händler. "Wir arbeiten nur in jenen Ballungszentren mit eigenen Betrieben, wo dies für die Händler zu teuer wäre", verteidigt er den Direktvertrieb der Hersteller.

Kein Ausweg in Sicht

Optimisten glauben den Versprechungen der Hersteller (etwa dem deutschen Toyota-Vertriebsleiter Bernhard Czesla), dass der Direktvertrieb nicht ausgeweitet wird. Der dem Handel verbleibende Kuchen würde somit in nächster Zukunft konstant bleiben. Realisten gehen gleichzeitig davon aus, dass die Hersteller die großen Händler weiter forcieren werden. Deren höhere Stückzahlen fehlen den Kleinen zur Erfüllung ihrer Bonusziele. Die Frage ist nur, ab wann man zu den Großen und wann einer noch zu den Kleinen zählt. Viele werden daher im Handel weiterhin Geld verlieren, das sie aus dem Werkstättengeschäft auszugleichen trachten. Das hat natürlich Grenzen. Eine weitere Netzausdünnung ist damit vorprogrammiert.