Optimismus und Realitätssinn standen beim "Fabrikatshändlerkongress",
der Ende Oktober zum zweiten Mal in Frankfurt stattfand, in krassem
Widerspruch. Zentrales Thema: ob, in welchem Umfang und in welcher
Form die derzeitigen Händlernetze in den künftigen Strategien der
Hersteller noch vorkommen werden.
Von den 3 Millionen Neuwagen, die jährlich in Deutschland abgesetzt
werden, geht schon jetzt 1 Million über diverse
Direktvermarktungsstrategien am Markenhandel vorbei. Tendenz:
weiterhin steigend. In einem stagnierenden Markt bleibt den Händlern
ein stets kleiner werdender Kuchen, um den sie sich raufen. Allen ist
bewusst, dass einige ins Gras beißen müssen, doch keiner will
dazugehören. Unter diesen Umständen geht der Kampf ums Überleben vor
jeglicher Solidarität.
Vor dem Kahlschlag?
Derzeit wird der Handel vom nach wie vor stabilen Werkstättengeschäft
quersubventioniert. Das hat seine Grenzen. Aus der Sicht der
Hersteller gibt es zur Verbesserung der Ertragslage daher nur eine
Möglichkeit: Höhere Stückzahlen pro Betrieb, um so wieder zu Erträgen
im Handel und zu einer besseren Amortisation der vorgegebenen
Händlerinvestitionen zu kommen.
Hans Bresser, Geschäftsführer des niederländischen
Händlerdachverbandes, führte die Auswirkungen drastisch vor Augen: Im
Jahr 2009 kamen die Holländer auf 450.000 Neuzulassungen und
erwirtschafteten mit 2.800 Betrieben gerade eine schwarze Null-
insbesondere, da zuletzt auch mehr kleinere Fahrzeuge mit geringerSpanne verkauft wurden. Um auf eine Umsatzrendite von 1,5 Prozent zu
kommen, muss bei der derzeit den Händlern verbleibenden Restspanne
ein Betrieb jährlich 1.100 Neuwagen absetzen. Für dieses Ziel müsste
ein Drittel aller Outlets eliminiert werden.
Kein Platz für Kleinbetriebe
Dass viele der kleineren Händler Zukunftssorgen haben, ist unter
diesen Umständen verständlich. "Customer Driven Areas" umreißen das
aus Sicht der Industrie möglichst große Einzugsgebiet, das jeder
einzelne Händler zu betreuen hat. Kleine, unabhängige Händler sind in
diesen "areas" unerwünscht. Diese sollen sich mit der Rolle als
Verkaufshelfer begnügen. Die Argumentation dazu liegt auf der Hand:
Wenn sich mit dem Handel nichts verdienen lässt, braucht sich auch
kein kleiner Händler darum reißen. Der dadurch verringerte Wettbewerb
sichert den verbleibenden großen eine bessere Chance zum Überleben.
Ein Viertel weniger Händler
In Deutschland wird das punktuell schon vorexerziert. Etwa bei BMW,
wo die Händlerverträge Ende 2012 auslaufen: "Ich erfahre erst sechs
Monate vorher, ob der Vertrag verlängert wird", skizziert
Vertragshändler Wolfgang Reichert den mangelnden Planungshorizont.
Fix ist derzeit lediglich, dass rund 25 Prozent der BMW-Händler 2013
keinen Vertrag mehr haben werden. Mit 1.500 Neu-und Jungwagen pro
Jahr braucht sich Reichert im Gegensatz zu den Kleineren kaum Sorgen
zu machen. Kleinstadthändler mit bloß 100 Stück werden aber wohl zu
Servicestationen zurück gestuft. Dies sind gerade jene Betriebe, die
dank ihrer "Beziehungskisten" mit fast familiären Bindungen zum"kleinen Bürger auf dem Land" in ihrem lokalen Einzugsgebiet durch
geringere Rabatte durchaus Geld noch verdient haben.
Wichtige Werkstattdichte
Die Hersteller müssen allerdings darauf achten, dass ihnen vorerst
die Kleinen als Servicebetriebe erhalten bleiben. "Wenn der Service
weg ist, sind die den Kunden los", urteilt Reichert nüchtern. Die
Großen werden deshalb schon jetzt aufgefordert, diese Gebiete mit zu
betreuen und so für eine Marktkontinuitätzu sorgen. Da auch Marken
wie Audi oder Peugeot diese Strategie verfolgen, müssen die Kunden
für ihre Mobilität künftig wohl größere Entfernungen in Kauf nehmen.
Dass sich dies nicht auf die österreichische Topografie übertragen
lässt, ist klar. Schließlich kommt es nicht auf die Luftlinie zum
nächsten Autotempel an. Entscheidend ist, wie lange man dort
hinbraucht. Die Gretchenfrage der Netzplaner bleibt daher: Wie weit
fährt ein Interessent zum Autokauf, ehe er zur Konkurrenz wechselt?
Unsichere Investitionen
"Der Handel muss mit seinen Investitionen die derzeitigen Strukturen
erhalten, während die Industrie hinter verschlossenen Türen bereits
über Vertriebsmodelle nachdenkt, bei denen der Handel nur noch
peripher vorkommt", ist Ulrich Fromme, Vizepräsident des
Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK), übererbost. Mit
Internet, konzerneigenen Autohäusern in den Ballungszentren und den
für das Service vor Ort erforderlichen Vertragswerkstätten ist ein
Autohandel auch ohne Autohändler möglich. Seitens der Händlern wird
somit in eine Zukunft investiert, die möglicherweise keine Zukunft
mehr hat. Diesen Befürchtungen schließt sich Wiesenthal-Chef Dr.
Alexander Martinowsky an. Die Gefahr besteht, dass der Autohandel
nicht nur in den langfristigen Plänen der Hersteller nicht mehr
vorkommt, sondern "auch in den Vorstellungen der Banken". Und das
schon in absehbarer Zukunft, wenn dieser mit seinen Autopalästen kein
Geld verdient. "Ohne Finanzierung geht gar nichts", müssen die
Händler aus seiner Sicht im Durchschnitt wieder auf eine
Umsatzrendite von mindestens 2 Prozent kommen.
Neue Geschäftsmodelle nötig
Auf die Dauer kann auch die Quersubventionierung aus dem
Werkstättengeschäft nicht funktionieren. Nach Martinowskys
Berechnungen müssten die Betriebe im Handel um 100 Prozent zulegen,
um bei den derzeitigen Restspannen mit höheren Stückzahlen wieder auf
diese 2 Prozent zu kommen. "Das ist völlig unrealistisch", plädiert
er daher für neue Geschäftsmodelle, die den Händlern ein Überleben
ermöglichen.
Selbst aus der Sicht des deutschen Peugeot-Chefs Thomas Bauch ist die
derzeitige Restspanne vielfach unzureichend. Dies wird sich kaumändern. Nur mit Emotionen können die Kunden dazu bewegt werden, immer
größere und teurere Autos zu kaufen. Das sind jene Autos, mit denen
der Handel in der Vergangenheit Geld verdient hat. Die Anforderungen
der Kunden an den Erlebniseinkauf werden immer größer, was auch die
Standards noch weiter nach oben schraubt. Dies übersteigt -vor allem
bei hohen Grundstückpreisen und Mieten -die Finanzkraft
ortsansässiger Händler. "Wir arbeiten nur in jenen Ballungszentren
mit eigenen Betrieben, wo dies für die Händler zu teuer wäre",
verteidigt er den Direktvertrieb der Hersteller.
Kein Ausweg in Sicht
Optimisten glauben den Versprechungen der Hersteller (etwa dem
deutschen Toyota-Vertriebsleiter Bernhard Czesla), dass der
Direktvertrieb nicht ausgeweitet wird. Der dem Handel verbleibende
Kuchen würde somit in nächster Zukunft konstant bleiben. Realisten
gehen gleichzeitig davon aus, dass die Hersteller die großen Händler
weiter forcieren werden. Deren höhere Stückzahlen fehlen den Kleinen
zur Erfüllung ihrer Bonusziele. Die Frage ist nur, ab wann man zu den
Großen und wann einer noch zu den Kleinen zählt. Viele werden daher
im Handel weiterhin Geld verlieren, das sie aus dem
Werkstättengeschäft auszugleichen trachten. Das hat natürlich
Grenzen. Eine weitere Netzausdünnung ist damit vorprogrammiert.