Mehr Arbeit für weniger Lohn: Diese Benachteiligung bei Garantie-und
Gewährleistungsfällen wollen die Markenbetriebe nicht länger
hinnehmen. Sind ihre Interessenvertreter stark genug, mithilfe der
brisantenErgebnisse einer neuen Studie ein Umdenken herbeizuführen?
Ob 5 oder 7 Jahre, die Garantiezeiten für Neuwagen werden immer
länger. Schon jetzt machen Garantie-und Gewährleistungsarbeiten bei
einem durchschnittlichen Markenbetrieb 12 Prozent des
Werkstattumsatzes aus. Die im Juni in Kraft getretene Service-GVO
wird diese Entwicklung weiter beschleunigen: Schließlich erlaubt sie
den Autofahrern ausdrücklich, Wartungsarbeiten in freien Werkstätten
durchführen zu lassen, zur Behebung von Garantiefällen aber in die
Vertragsbetriebe zurückzukehren. Der letzte Mosaikstein wäre die
Verdoppelung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist auf 4 Jahre, die
derzeit in der EU diskutiert wird.
Der Haken an der Sache: Garantie-und Gewährleistungsarbeiten werden
keineswegs ausreichend vergütet. Was viele Händler seit Jahren
kritisieren, wird nun von der KMU Forschung Austria schwarz auf weiß
bestätigt. "In einem durchschnittlichen Kfz-Betrieb mit einem Umsatz
von rund 3 Millionen Euro entsteht durch die unzureichende
Refundierung ein Fehlbetrag in der Höhe von rund 20.000 Euro", so das
Autorenteam rund um Geschäftsführer Peter Voithofer.
Hoher Mehraufwand
Verantwortlich dafür ist zum einen der zeitliche Mehraufwand:
Reklamiert ein Autofahrer einen "garantieverdächtigen" Defekt, dauert
die Übernahme laut der Studie durchschnittlich 10 Minuten länger. Die
darauf folgende Diagnose dauert 20 Minuten, die Administration 10
Minuten, die Dokumentation und Lagerung der defekten Teile weitere 10
Minuten und die Nachbearbeitung nochmals 10 Minuten. In Summe ergibt
dies eine Stunde zusätzliche Arbeit -eventuelle Verzögerungen
aufgrund besonders komplizierter Schadensbilder noch gar nicht
eingerechnet.
"Auf Basis des durchschnittlichen Kfz-Techniker-Stundensatzes ergeben
sich pro Garantie-und Gewährleistungsfall Zusatzkosten in der Höhe
von 83 Euro", rechnen die Studienautoren vor. Diese Belastung wird
keineswegs abgegolten. Im Schnitt refundieren die Importeure nur 85
Prozent der geleisteten Arbeitsstunden, und das mit zusätzlichen
Abschlägen: Der Garantiestundensatz für Mechaniker ist im Median um
10 Prozent, der für Spengler und Lackierer um 20 Prozent niedriger
als der Kundenstundensatz.
Weitere Stolpersteine
Ein weiterer Kostentreiber ist die Teilelogistik. Wie aus der Studie
hervorgeht, betragen die Handlingkosten bei "normalen" Reparaturen
rund 22 Prozent des Netto-Ersatzteileinkaufspreises. Im Garantiefall
kommen weitere 4 Prozent hinzu, doch vergütet werden durchschnittlich
nur 10 Prozent des Teilepreises.
Andere Faktoren sind schwer statistisch zu erfassen. So sieht sich
beinahe jeder Betrieb gezwungen, seine Mitarbeiter auf zusätzliche
Schulungen zu schicken. Außerdem steigt die Zahl der nachträgliche
Auditierungen, bei denen schon kleinste Formfehler zu Abzügen führen
-zuweilen, ohne dass der betroffene Betrieb überhaupt darüber
informiert wird.
Magere Erträge
Die Folgen sind umso dramatischer, als sich die Branche nach wie vor
auf dünnstem wirtschaftlichem Eis bewegt. Im Bilanzjahr 2008/09 wurde
im Fahrzeughandel gerade einmal ein neutrales Ergebnis
erwirtschaftet. In der Werkstatt lag die Durchschnittsrendite bei 0,7
Prozent. In Summe ergibt das einen Wert von 0,4 Prozent, was zwar
etwas besser als im Jahr davor, im Vergleich zu anderen Sektoren aber
immer noch mager ist.
Verhaltene Reaktionen
Wie geht die Branche mit den Ergebnissen der Studie um? Der
Arbeitskreis der Automobilimporteure hält sich vorerst bedeckt "Wir
werden demnächst eine Stellungnahme abgeben", sagt Geschäftsführer
Dr. Christian Pesau. Burkhard Ernst, Bundesgremialobmann des
Fahrzeughandels, will sich ebenfalls nicht äußern. Importeure und
Funktionäre scheinen vor allem um den mühsam aufgebauten Konsens inSachen "Mittelstandsinitiative" zu fürchten. Darin ist von einem
Garantiekostenersatz "in markenüblicher Höhe" die Rede, Begriffe wie
"Vollkostendeckung" und "Gewinnaufschlag" finden sich jedoch nicht im
Kompromisspapier.
Kritik aus den Verbänden
Viele Markenvereine verlangen dagegen vehement Verbesserungen.
"Handlungsbedarf ist auf jeden Fall gegeben" sagt Franz Eckl, Obmann
des Mazda-Händlerverbands. Eine bei der Vereinsgründung vor zwei
Jahren durchgeführte Mitgliederbefragung habe zwischen Garantie-und
Kundenarbeiten "eine Deckungsbeitragsdifferenz jenseits der 20
Prozent" ergeben. VW-Händlersprecher Stefan Hutschinski bedauert
nicht nur die an sich unzureichende Vergütung, sondern auch deren
"unterschiedliche Ausprägung" bei den einzelnen Konzernmarken. "Die
Vorgabezeiten sind zu scharf und in der Regel nicht einhaltbar",
kritisiert Ford-Händlersprecher Mag. Werner Blum. Er fordert außerdem
eine "Beschleunigung und Vereinfachung" der Abwicklung.
Juristische Chancen?
Eine Lösung des Langzeitstreits ist jedoch schon allein deshalb
unwahrscheinlich, weil die Vollkostenvergütung in Österreich
gesetzlich abdingbar ist. Welcher Betriebsinhaber kann es sich
leisten, aufgrund einer derartigen Klausel einen Händlervertrag nicht
zu unterschreiben?
Rechtsanwalt Dr. Norbert Gugerbauer sieht dennoch juristische
Ansätze: Unangemessene Vergütungen seien aufgrund der Marktmacht der
Hersteller kartellrechtswidrig. Darüber hinaus handle es sich um eine
"mittelbare Verkaufsbeschränkung", die von der Kfz-GVO nicht
freigestellt ist.
"Die Spielregelnändern"
Wirklich hilfreich wäre ein eindeutiges Gesetz. "Es geht darum, die
Spielregeln so zu ändern, dass derartige Unangemessenheiten gar nicht
mehr vorkommen können", betont Johann Jobst, Obmann des
Markenhändlerverbandes VÖK. Mit diesem Wunsch sind die
Interessenvertreter aber schon bei mehreren Justizministern
abgeblitzt.
Wird der Handel nun erfolgreicher sein? Als erste wirklich fundierte
Analyse ist die Studie der KMU Forschung zweifellos eine Chance. Ob
sie aufgeht,, wird sich zeigen. Dass das knapp 60 Seiten starke
Kompendium schon auf den Schreibtischen der Importeure lag, bevor es
die Obleute der Markenverbände erhalten haben, war jedenfalls ein
denkbar schlechter Beginn.