Wer unter den Kfz-Händlern hat es noch nicht erlebt: K. o. durch
einen Tiefschlag wegen bloßer Vermutung in der ersten Runde eines
Gewährleistungsprozesses.
Ein Tiefschlag ist aber nicht erlaubt, wo bleibt da der
Schiedsrichter? Der macht als Richter im folgenden Urteil das Ding
sogar noch spruchreif. Das Ganze nennt sich dann Vermutungsautomatik
in Verbindung mit der Beweislastumkehr zulasten des Verkäufers. Nun
soll nach neuesten EU-Plänen im Rahmen des Konsumentenschutzes die
diesbezügliche 6-Monatsfrist sogar noch verlängert werden. Harte
Zeiten für den Handel oder doch nicht in jedem Fall?
Viele Sachverständige und in weiterer Folge Richter, in deren Auftrag
ein Gutachten erstellt wird, gehen in zahlreichen
Gewährleistungsfällen mit der Vermutungsautomatik zu leichtfertig um.
Gemäß §924 ABGB gilt: "Der Übergeber leistet Gewähr für Mängel, die
bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird biszum Beweis des
Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach
der Übergabe hervorkommt." Fast gleichlautend lesen sich auch oftmals
technische SV-Gutachten in deren Gesamtbeurteilung. Diese Automatik
trifft aber in vielen Fällen nicht zu. Zu oft wird dabei der letzte
Satz des § 924 ABGB übersehen, der weiters lautet: "Die Vermutung
tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels
unvereinbar ist." In weiterer Folge wäre in diesem Fall auch die
Beweislastumkehrregel zulasten des Verkäufers hinfällig.
Vermutungsautomatik
Typischerweise ist der Ausschluss der Vermutungsautomatik bei
Kraftfahrzeugen - abgesehen vom Begriff des Verschleißteils - u .a.
dann anzunehmen, wenn Mängel ausschließlich in der Elektronik (z. B.
Steuergeräte) aufgetreten sind, die bereits aus technischer Sicht
unmöglich einige Zeit davor schon vorhanden gewesen sein konnten. Bei
derartigen Mängeln kann häufig davon ausgegangen werden, dass sie nur
kurzfristig und nicht schleichend eintreten können (Vergleich:
elektrische Sicherung). Voraussetzung für die Gewährleistung ist
jedoch bekanntlich das Vorhandensein des Mangels bereits zum
Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer. Weiters ist der
Ausschluss der Vermutungsautomatik dann anzunehmen, wenn der
betroffene Bauteil Spuren einer offenkundigen Fehlbehandlung aufweist
bzw. ein diesbezüglicher Einwand, "der Käufer hätte den Mangel
aufgrund einer Fehlbedienung nachträglich herbeigeführt", vom
Verkäufer nachvollziehbar vorgebracht werden kann. Auch das ist in
vielen Fällen gar nicht so schwer nachweisbar, vorausgesetzt man
wendet es auch rechtzeitig ein.
Und wer sagt das alles?
Bereits dieösterreichische Regierungsvorlage zur
Gewährleistungsreform 2002 hat ansatzweise darauf hingewiesen,
letztendlich aber massiv der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in
seiner jüngeren Rechtsprechung. Offensichtlich dürfte sich das aber
noch nicht flächendeckend bis zu allen Gerichten durchgesprochen
haben, denn der berüchtigte Tiefschlag in der ersten Runde ist noch
immer das vorherrschende Szenario in der Alpenrepublik. Klar,
ersparen sich der SV dabei wohl einigen Aufwand bei der
Gutachtenserstellung und in weiterer Folge der Richter bezüglich des
gesamten Verfahrens. Und was sagt der eigene Anwalt in derartigen
Fällen? "Was soll man schon gegen ein SV-Gutachten ausrichten
können", ist dann häufig zu vernehmen.
Wenn Sie mit dieser Antwort Ihres Rechtsvertreters zufrieden sind,
dann vergessen Sie diesen Artikel. Wenn nicht, wechseln Sie Ihren
Anwalt. Es gibt auch viele, die verstehen ihr juristisches Handwerk
sehr gut bzw. lassen sich gerne beraten und schauen dabei nicht immer
nur auf den Streitwert als Bemessungsgrundlage für ihr Honorar.
Warnung an alle, die sich die Gewährleistung und somit die
Vermutungsautomatik von vornherein ersparen wollen: Ein genereller
Ausschluss der Gewährleistung durch einen Händler gegenüber einem
Konsumenten hält selbst bei scheinbarer Akzeptanz durch diesen und
trotz eines eventuellen Preisnachlasses gerade mal so lange, wie derKunde mitspielt. Das kann aber einen Tag nach Vertragsunterzeichnung
bereits nicht mehr der Fall sein. Rechtlich liegt somit aufgrund des
Konsumentenschutzgesetzes keine Bindungswirkung für den Käufer vor.