Die Zahl der Kfz-Rückrufe ist 2010 von 93 auf 86 zurückgegangen. Die
Kunden gehen bei derartigen Aktionen davon aus, dass sie einen
Anspruch auf eine kostenlose Reparatur haben. Die Hersteller und
Importeure vertreten die Meinung, dass es sich dabei lediglich um
eine in ihrem Ermessen stehende Kulanz handelt.
Das Wiener Bezirksgericht für Handelssachen wird nun zu klären haben
(14C 258/2011f), ob die Vorstellungen der Autofahrer vom
Konsumentenschutz gedeckt sind oder nicht. Anlassfall ist ein altes
Modell des Hyundai Santa Fe, für das der Importeur eine Rückrufaktion
gestartet hat, da der Rost an deren Hinterachsen knabbert.Insgesamt
dürften davon noch rund 150 Stück auf den heimischen Straßen
unterwegs sein.
Deren Besitzer wurden vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz mit Schreiben vom 17. November 2010 informiert,
dass "eine Kontrolle der Hinterachse bei allen Santa Fe-Modellen im
Produktionszeitraum 2000 bis 2003" notwendig sei. Wörtlich hieß es:
"Die Bestandteile der Hinterachsen müssen auf Korrosion überprüft
werden, um festzustellen, ob ein vorzeitiges Altern vorliegt. Da es
sich um einen wesentlichen Bestandteil des Fahrzeuges handelt, könnte
sich Korrosion nachteilig auswirken." Höflich wurde um eine
Kontaktaufnahme als "Mithilfe im Zuge dieser wichtigen
Qualitätsverbesserung" ersucht: "Die kostenlose Kontrolle sowie der
eventuell notwendige Austausch dieser Teile erfolgt durch die
Hyundai-Vertragswerkstätte."
Geld zurück?
Der davon betroffene Naoufel Tabib fuhr mit seinem Auto zur
Werkstätte seines Vertrauens. Diese stellte als Subwerkstätte der
Firma Fraenkel und Kirchner fest, dass beide Querlenker durchgerostet
waren. Der eine ließ sich problemlos austauschen. Beim anderen musste
die gesamte -komplett verrostete -Antriebseinheit herausgeschnitten
und erneuert werden, mit Antriebswelle, Radlager, Radnabe, Gehäuse
und Ankerplatte. Dafür wurden Tabib im Zuge der Rückrufaktion 50
Prozent der Ersatzteilkosten (691,18 Euro) in Rechnung gestellt, die
er knirschend zahlte, da ihm andernfalls das reparierte Auto nicht
ausgefolgt worden wäre. Diesen Betrag will er nunmehr mithilfe seines
Anwaltes Dr. Bernhard Krause von Hyundai oder von der Werkstätte
wieder zurück bekommen.
Zwischen den Stühlen
Hyundais Rechtsbeistand Dr. Karl Schleinzer bestreitet, dass die
Denzel-Tochter mit dieser Sache etwas zu tun habe. Sie sei bloß
Generalimporteur -verantwortlich für den Rückruf sei aber der
Hersteller, die Hyundai Motor Company in Korea. Diese habe die Aktion
angeordnet. Der Kläger Tabib sei mit der Denzel-Gruppe nie in
irgendeinem Vertragsverhältnis gestanden, es liege somit "mangelnde
passive Klagslegitimation" vor.Wenn er Geld zurück zu bekommen habe,
dann nur von der Werkstätte, welche die Arbeit durchgeführt habe.
Deren Hausanwalt Dr. Werner Schostal verweist darauf, dass im
Rückrufschreiben ausdrücklich nur von einer kostenlosen Kontrolle,
jedoch nicht von einem kostenlosen Austausch die Rede war: "Der
Kläger hätte für das Kfz im damaligen Zustand nie ein Pickerl
erhalten. Die normalen Mängelbehebungskosten hätten ca. 3.500 bis
4.000 Euro ausgemacht." Der Kunde habe die Möglichkeit genutzt, dass
ihm in Kulanz 50 Prozent auf die Ersatzteile gewährt worden seien.
Die Arbeitszeit -fast 10 Stunden -sei ihm überhaupt nicht in Rechnung
gestellt worden. Darüber hinaus habe der Kunde auf Kosten der
Werkstätte eine Woche lang einen Ersatzwagen bekommen. Insgesamt habe
der Betrieb durch diesen Rückruf bei Tabib ein Defizit von 1.009,60
Euro erlitten, das dem Kunden nicht verrechnet worden sei. Dieser
Betrag sei gegen die Klagsforderung aufzurechnen.
"Verletzung einer Warnpflicht"
Aus Sicht des Kundenanwalts Dr. Bernhard Krause ist es völlig ohne
Relevanz, welche Kosten beim Rückruf entstehen und welche der
Importeur einer Werkstätte bei einem Rückruf ersetzt -oder nicht. Der
Betrieb wäre verpflichtet gewesen, bei Übernahme des Fahrzeuges
ausdrücklich darauf zu verweisen, dass "damit Kosten erwachsen
würden". Diese Pflichtgelte auch für den Importeur, denn nach §3 des
Produktsicherheitsgesetzes haften für Qualitätsmängel alle, die ein
Produkt in Verkehr gesetzt haben. Aus dem Hyundai-Schreiben habe ein
Kunde keinesfalls entnehmen können, dass damit Kosten auf ihn
zukämen. In 99 Prozent aller Fälle würden Rückruf-Reparaturen
kostenlos erfolgen, es liege somit die Verletzung einer Warnpflicht
vor.
In der Klemme
Der Rückruf-Experte des ÖAMTC Robert Czarnecki sieht die Hersteller
und Importeure bei der Formulierung des Rückrufs in einer Klemme:
Verweist er auf die damit verbundenen Kosten, dann kommen zahlreiche
Besitzer älterer Autos nicht in die Werkstätte. Sie nehmen angesichts
einer im Verhältnis zum Wert des Fahrzeuges teuren Reparatur ein
Unfallrisiko in Kauf. "Wenn dann wirklich etwas passiert, kann der
Hersteller verantwortlich gemacht werden", bevorzugen deshalb fast
alle Importeure, Rückrufe tatsächlich "kostenlos" zu machen. Eine
gesetzliche Verpflichtung besteht nach Czarneckis Beurteilung dazu
allerdings nicht. Da das nicht der Fall ist, sollten "loyale
Hersteller schon auf derartige Kosten verweisen".
Eine Sache der "Gebundenen"
In den USA ist Derartiges nicht erforderlich. Dort wurden 2008 durch
eine starke Konsumenten-Lobby die Befugnisse der
Verbraucherschutzbehörde (Consumer Product Safety Commission -CPSC)
stark erweitert. Dort kann ein Kunde anlässlich eines Rückrufes nur
zur Kasse gebeten werden, wenn er vorher ausdrücklich auf die bei der
Reparatur anfallenden Kosten aufmerksam gemacht wurde. Damit hat er
die Möglichkeit, diese Arbeiten bei einerbilligeren Konkurrenz
durchführen zu lassen.
Im Fall Tabib ist jedoch kaum anzunehmen, dass eine freie Werkstätte
bereit gewesen wäre, diese Hinterachsreparatur zu den vom Importeur
vorgegebenen Konditionen durchzuführen. Derartige "Geschäfte"
überlässt man von Herzen gern den vom Hersteller gebundenen
Vertragspartnern.