Die Turbulenzen sind noch lange nicht vorüber. Wer ist der Sieger der
Krise? Phillip Thompson, Strategieberater und Dozent an der
Hochschule München, hat einen klaren Favoriten.
Im 20. Jahrhundert ist die Automobilindustrie zu einem der weltweit
größten und wichtigsten Wirtschaftszweige geworden. Daran hat sich
bis heute nichts geändert, doch auf die Konzernlenker komme harte
Arbeit zu, meint Thompson:"Die grüne Welle, die vor rund vier Jahren
losgetreten wurde, wird nicht an Wucht verlieren. Mittlerweile ist
sie aber nur mehr einer von mehreren, miteinander verknüpften
Aspekten", sagt der Stratege, der nach seiner Offizierskarriere in
der US Army bei Federal Mogul, Continental, Honeywell und Webasto
tätig war.
Die Spieler
Wer macht das Rennen? "Wie immer wird das davon abhängen, wie
intelligent die Spieler ihre Karten ausspielen", so Thompson. Einer
der Wettbewerber hat einige Asse im Ärmel: Volkswagen. Während GM
noch immer auf der Intensivstation liegt und Toyota vor Kurzem am
Rande des PR-Abgrunds gewandelt ist, gingen die Wolfsburger aus den
vergangenen Monaten gestärkt hervor.
"VW geht nun daran, den Vorsprung im Rennen um die unangefochtene
weltweite Marktführerschaft abzusichern", sagt Thompson. Neben den
Schlagworten Porsche, MAN und Suzuki verweist er vor allem auf die
starke Position , die der Konzern in den "Emerging Markets" hat.
Entscheidung im Osten
"Das Schlüsselwort in der heutigen Autoindustrie lautet BRIC", so
Thompson. "Brasilien, Russland, Indien und China werden in den
nächsten fünf bis zehn Jahren für 85 Prozent des Wachstums
verantwortlich sein." Wer in diesen Ländern stark ist, hat die Nase
vorn: Das habe VW sehr früh erkannt und produziere beispielsweise
schon 20 Modelle in neun chinesischen Werken.
Wie groß das Potenzial ist, zeigt die Tatsache, dass Experten für das
Jahr 2050 einen weltweiten Bestand von 3,2 Milliarden Autos
prognostizieren. Derzeit sind es erst 800 Millionen. Doch schon 2020
soll jeder zehnte Chinese ein eigenes Auto haben und 2025 wird das
Reich der Mitte laut dem Branchendienstleister "Global Insight"
beinahe fünf Mal so viel Treibstoff verbrauchen wie im Jahr 2000.
Europäische Überkapazitäten
In Europa sieht die Situation ganz anders aus: Einer
Produktionskapazität von 18 Millionen Stück standen 2009 nur rund 14
Millionen Verkäufe gegenüber, und das teilweise nur dank der teuren
Abwrackprämie in Deutschland. "Radikale Restrukturierungen würden
angebracht erscheinen, doch die einzige bislang angekündigte
Schließung betrifft das Opel-Werk in Antwerpen, das im vergangenen
Jahr gerade einmal 90.000 Autos produziert hat", sagt Thompson. "Die
große Frage ist, welcher Konzern sich am besten anpassen kann, wenn
man den extremen wirtschaftlichen, politischen und gewerkschaftlichen
Druck bedenkt."
Neues Denken nötig
Elektrisierung, Vernetzung, Emissionen, Sicherheit und globale
Integration: Das sind die Schlüsselthemen, denen sich die Mitspieler
laut Thompson stellen müssen. Konkret würden drei Aspekte über Erfolg
oder Scheitern entscheiden: "Erstens werden Autos klüger, müssen aber
immer noch an die Marktbedürfnisse angepasst werden. Zweitens
orientieren sich die Entwicklungs-und Produktionsprozesse immer noch
an Normen aus den Neunzigerjahren. Vernetzte Forschungs- und
Entwicklungsteams könnten beispielsweise den Zeitraum bis zur
Markteinführung signifikant verkürzen, doch die Autofirmen
investieren anderswo."
Als dritten Punkt nennt Thompson Allianzen und Kooperationen -nicht
nur mit anderen Autobauern, sondern auch mit Zulieferern und Kunden:
"Während die Gesellschaft immer stärker soziale Netzwerke nützt,
fokussiert sich die Fahrzeugindustrie immer noch darauf, bessere
Autos zu bauen, anstatt ihre Vorteile aus besser informierten und
vernetzten Kunden mit ihrem neuen Erwartungshorizont zu ziehen." Der
moderne Endverbraucher, ist Thompson überzeugt, weiß genau, was er
will: Und er will es genau "jetzt".