Sie werden von der Industrie "eingekauft". Immer nur auf Zeit. Sie werden jederzeit abbestellt -wie nicht mehr gebrauchtes Material. Wovon hier die Rede ist? Von Leiharbeitern. Ihr Heer wird immer größer. Und damit die soziale Ungerechtigkeit -und die damit verbundene soziale Spannung.

Dieses moderne Sklaventum gibt es besonders in der Autoindustrie - dem in Europa hoch gelobten Motor unserer Wirtschaft. Ein hervorragendes Beispiel für diese Praxis sind die Bayerischen Motorenwerke, ein dadurch besonders gut florierender Bereich der deutschen Wirtschaft.

Die Leiharbeit galt lange Zeit als Jobmotor. Langzeitarbeitslose solltenüber diesen Weg wieder in die Wirtschaft integriert werden. Gleichzeitig können Unternehmen mit dieser Zeitarbeit vorübergehend ihre Auftragsspitzen bewältigen. Eine Kombination volkswirtschaftlicher und sozialer Aspekte- eine klassische Win-win-Situation für alle Beteiligten. Doch die Praxis sieht anders aus.

Viele Leiharbeiter sind arm. Nach den Statistiken deutscher Gewerkschafter verdienen 10,5 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Leiharbeiter weniger als 1.000 Euro brutto pro Monat. Tatsächlich sind die meisten Leiharbeiter auch keine Langzeitarbeitslosen, sondern Kurzzeitarbeitslose. Mitarbeiter, die in der Krise abgebaut wurden, um die Balance zwischen Überangebot und sinkender Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Menschen, die danach keinen fixen Job mehr gefunden haben.

Deutlich mehr Leiharbeiter

In der Krise diente die Leiharbeit dazu, aus den Fixkosten des Stammpersonals variable Kosten der Leiharbeiter zu machen. Auch in der Autoindustrie, dem größten Arbeitgeber der Top Ten der Zeitarbeiter. So gab es 2006/07 bei BMW zur Konsolidierung der müden Bilanzen eine Kündigungswelle. Für den Jobabbau und die Abfindungen wurden laut Pressemeldungen 500 Millionen Euro in die Hand genommen. Einmalige Kosten, die sich rentieren sollten. Denn dieLeute wurden auch nach der Krise nicht wieder fix angestellt. Viele dieser Hoffnungslosen sind bei den "Verleihern" gelandet. In Bayern -der Heimat von BMW - hat sich ihre Zahl in den vergangenen 10 Jahren von 54.000 auf 163.000 verdreifacht. Insgesamt sind 900.000 Menschen in Deutschland auf dieseLeiharbeit angewiesen.

In der Zwischenzeit hat sich das Autogeschäft längst erholt. Besonders bei BMW. Der Umsatz kletterte 2011 von 60,5 auf 68,8 Milliarden Euro. Für 2012 ist ein weiteres Wachstum prognostiziert. Mit knapp 5 Milliarden Euro Gewinn verzeichnete der Konzern im Geschäftsjahr 2011 ein sattes Plus von 51,3 Prozent. Dafür hat BMW-Chef Norbert Reithofer laut "Süddeutscher Zeitung" im vergangen Jahr 6,2 Millionen Euro verdient, die gesamte Führungsriege 27 Millionen. An die familiären Großaktionäre Johann Quandt, Stefan Quandt und Susanne Klatten werden damit fast 650 Millionen Euro ausgeschüttet.

Gleicher Lohn wie die Stammmannschaft?

Wie viele der abgebauten BMW-Stammarbeiter nur noch als Leiharbeiter untergekommen sind, ist ungeklärt. Nach Händlerinformationen hat es deshalb im Betrieb wieder einmal Demonstrationen gegeben. Leiharbeiter bekommen auf Druck der Gewerkschaft nun denselben Grundlohn wie die Stammmannschaft. Allerdings erst nach der Androhung, den BMW-Pavillon im Zentrum von München im Rahmen einer Besetzung in einen "Tempel der Sklaverei" zu verwandeln.

Im Moment beträgt der Mindestlohn für Leiharbeiter im Westen 7,89 Euro pro Stunde. Im November 2012 soll er auf 8,19 Euro steigen. Im Osten -etwa bei BMW in Leipzig -liegt er etwas darunter. Wodurch die Ostdeutschen die Produktivität des bayerischen Stammwerkes überflügeln konnten. Die im Gesetz für Leiharbeiter vorgesehene "vorübergehende" Beschäftigung von elftausend BMW-Leiharbeitern wurde im März 2012 durch eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes Leipzig weiter prolongiert.

Bei Daimler in Stuttgart haben sich Management und Betriebsrat darauf geeinigt, dass an jedem deutschen Standort nicht mehr als 8 Prozent der Beschäftigten Leiharbeiter sein dürfen. Der Rest muss wieder als Stammmannschaft geführt werden. Insgesamt gibt es bei Daimler 3 Prozent, bei BMW 15 Prozent Leiharbeiter. An den fetten Gewinnen der bayerischen Autobauer sollten sich jedoch nicht nur die Aktionäre erfreuen. Es würde dem sozialen Anstand entsprechen, auch alle anderen -vom Autohändler bis zum Leiharbeiter -an diesem Erfolg zu beteiligen. (KNÖ)